Leserbrief zu Ausgabe 143
Unser neues Layout und besonders die Umstellung von Studierenden- auf Studentenzeitung hat hohe Wellen geschlagen. Unser Redaktionsmitglied reagiert auf die Vorwürfe.
Lieber Kai Gräf, liebes Ruprecht-Redaktionsteam,
ich bin überaus enttäuscht, dass ihr euch für eine solch rückwärtsgewandte – oder wie ihr kokettiert: „bürgerliche“ – Politik entschieden habt.
Durch eure Rückkehr von derStudierendenzeitung zurStudentenzeitung habt ihr in der Tat mich als LeserIN verloren.
Falls euch das egal sein sollte, ok. Allerdings war ich bisher der Annahme, dass eine studentische Zeitung den Anspruch haben sollte für alle an der Uni zu schreiben – Studenten und StudentINNEN.
Mit diesem Abschied vom Gendern hätte ich noch einigermaßen leben können, was dann allerdings auf der letzten Seite veröffentlicht wurde, hat mich einfach nur sprachlos gemacht!
Die Vermischung von NSU-verharmlosenden Sprüchen mit derben sexistischen und frauenfeindlichen „Witzen“ ist mitnichten ein Kavaliersdelikt! Hier seid ihr mehr als nur ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen. Die auf Seite 1 angekündigte und hier vollzogene „geistig-moralische Wende“ finde ich überaus bedenklich.
Da ihr ja auch auf Facebook keine Kommentarfunktion freigeschaltet habt, gehe ich nicht davon aus, dass ihr diesen offenen Brief kommentieren werdet. Falls doch, werde ich mir erlauben die Antwort zu veröffentlichen.
Außerdem möchte ich euch informieren, dass ich diesen Brief an eure Anzeigenkunden aus der letzten Ausgabe weiterleiten werde.
Mit besten Grüßen,
Hannah Illgner
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Liebe Hannah Illgner,
zuerst möchte ich mich bei Dir bedanken, dass Du uns auf die fehlende Postingfunktion bei Facebook aufmerksam gemacht hast. Das war ein Überbleibsel aus der Zeit, in der wir nicht viele „likes“ hatten, und uns keine Leserkommentare erreichten, sondern lediglich unerwünschte Werbung auf unsere Seite gepostet wurde. Dass diese Funktion immer noch abgeschaltet war, war uns nicht bewusst und wurde jetzt geändert.
Ich möchte nun auf Deine Anmerkungen eingehen. Dass Dich unsere letzte Seite sehr getroffen hat, tut mir aufrichtig leid und ich möchte betonen, dass es niemals unsere Absicht war, Beate Zschäpe zu verharmlosen oder frauenfeindliche Parolen zu verbreiten.
Da ich eine der drei Autoren dieser „Letzten Seite“ bin, möchte ich Dir meine Beweggründe für den Inhalt der Satireseite erklären. Hierzu muss ich etwas ausholen.
Ja, wir haben uns umbenannt in „Studentenzeitung“. Dies ist geschehen im Einverständnis unserer Redaktion, welche zu rund drei Fünfteln aus Frauen besteht. In der Tat besteht unser redaktionelles Leitungsteam derzeit aus zehn Personen, davon fünf weiblich (Annika Kasties, Marlene Kleiner, Corinna Lenz, Jin Jlussi, Anna Wüst) und fünf männlich (Paul Eckartz, Philipp Fischer, Kai Gräf, Michael Graupner, Ziad-Emanuel Farag). Es gab allerdings auch Zeiten, da bestand dieses Team aus sechs Frauen und einem Mann.
Eine redaktionsinterne Debatte, welche letztlich zu einem Pro/Contra führte, hat ergeben, dass sich der Großteil unserer weiblichen Redaktionsmitglieder gegen das Gendern in journalistischen Texten aussprach. Unser Beschluss, wie wir dies nun am besten handhaben, lief darauf hinaus, es den Redakteuren selbst zu überlassen, ob sie gendern wollen oder nicht.
Wie kam es also zu der Entscheidung, unsere Zeitung nicht mehr als „Studierendenzeitung“ zu betiteln, sondern als „Studentenzeitung“? Da sich im Laufe der Gender-Diskussion herausgestellt hatte, dass der Großteil der Redaktion das Gendern in journalistischen Texten ablehnt, war es für uns die logische Konsequenz, dies nicht nur in den Texten sondern auch in unserem Titel wiederzugeben. Selbstverständlich schließen wir in der Nutzung des generischen Maskulinums alle Geschlechtergruppen mit ein.
Um nun zu der Letzten Seite dieser Ausgabe zurückzukommen: Meine Kollegin Marlene Kleiner und ich beschlossen, die Namensänderung auf der Satireseite aufzugreifen. Da ich persönlich keinerlei Interesse habe, mich über feministisches Gedankengut lustig zu machen, kam mir die Idee, diese „carola“ ähnlich einer Frauenzeitschrift darzustellen. Diese erscheinen mir als das frauenfeindlichste Medium unserer Gesellschaft, da sie unter dem Schein, Frauen „direkt“ anzusprechen, ein Gedankengut verbreiten, welches uns Frauen vorschreibt, was uns zu interessieren habe (Flirten, Beziehungen mit hoffentlich erfolgreichen und gutaussehenden Männern, Mode, Schminke, Kochrezepte und „starke Frauen“ wie Königinnen und Prinzessinnen). Außerdem zwängen diese Zeitschriften uns in eine Rolle, die wir uns nicht ausgesucht haben.
Es macht mich persönlich wütender, was uns Frauen in solchen Zeitschriften vermittelt wird, als die Tatsache, dass „mein“ ruprecht, bei dem ich nun seit vier Jahren mitarbeite und bei dem ich seit zwei Jahren im Leitungsteam bin, nun nicht mehr „Studierendenzeitung“ heißt.
Eine weitere Nachricht, die uns inspiriert hat, war die Tatsache, dass die „Brigitte“ einen Platz im NSU-Prozess erhalten hat. Wir fragten uns, wie diese Zeitschrift wohl über den Prozess berichten würde.
Ich möchte also betonen, dass diese Seite auf überspitzte Weise auf die obengenannten Missstände anspielt – sollte das einige unserer Leser schwer getroffen haben, so war das niemals unsere Absicht. Den Vorwurf, dass diese Seite oder gar die Redaktion sexistisch und NSU-verharmlosend sei, möchte ich ganz deutlich mit dem Verweis auf die satirische Natur der „Letzten Seite“ von mir weisen.
Satire ist oft überspitzt und kann leicht missverstanden werden oder verletzend wirken. Ich hoffe, dass jedem, der diese Stellungnahme liest, bewusst wird, dass wir mit den Aussagen auf der „Letzten Seite“ nicht unsere eigenen persönlichen Einstellungen vertreten haben sondern die bereits erwähnten Tatsachen durch das Stilmittel Sarkasmus kritisieren wollten.
Mit freundlichen Grüßen,
Anna Wüst
Im Auftrag der ruprecht-Redaktion