Als Student des Instituts für Übersetzen und Dolmetschen muss man sich leider immer wieder anhören, wie einfach das Übersetzen doch sei. Die 9. Baden-Württembergischen Übersetzertage haben wieder einmal bewiesen, dass es nicht so ist und dass Übersetzer auch in Zukunft nicht von einer Maschine ersetzt werden können.
„Achtung Wortwechsel“ war das diesjährige Motto der Baden-Württembergischen Übersetzertage, die vom 12.-17. Mai mit zahlreichen Veranstaltungen in Heidelberg aufwarteten. Organisiert wurden sie vom Institut für Übersetzen und Dolmetschen IÜD, der Stadtbibliothek und dem Freundeskreis literarischer und wissenschaftlicher Übersetzungen.
Was macht die Qualität einer guten Übersetzung aus?
Täglich wurde sie von ihren Übersetzern kontaktiert, weil Wörter wie Maultaschen oder Pipikram erklärt werden mussten. Die Krimiautorin Ingrid Noll und zwei ihrer internationalen Übersetzer diskutierten unter anderem die Frage, inwieweit der Text der Zielkultur angepasst werden muss. Der Text darf auf keinen Fall zu weit hergeholt werden, dennoch muss ihn die fremde Kultur verstehen können.
Die Qualität einer Übersetzung hängt außerdem davon ab, ob der Sinn des Originaltextes vermittelt wurde. Des Weiteren muss man auf Vollständigkeit achten, nah am Ausgangstext bleiben, die Form und den Zweck berücksichtigen, die Stilebene beibehalten und genau arbeiten. Selbst wenn beim Übersetzen immer etwas verloren geht, so könne eine tolle Übersetzung oft besser als das Original sein, sagte Norbert Greiner, Übersetzungswissenschaftler und ehemaliger Prorektor der Universität Heidelberg.
Welche Schwierigkeiten treten beim Übersetzen auf?
Er übersetzt Comics vom Französischen ins Deutsche und ist seit 2004 der offizielle Übersetzer von Asterix und Obelix. Klaus Jöken sprach in seinem Vortrag über die Besonderheiten bei der Übertragung von Comic-Texten von Albert Uderzo. Besonders schwierig ist es, die zahlreichen Gags zu übersetzen. Auch wimmelt es nur so von Zitaten aus Kunst und Kultur, Anspielungen auf bekannte Gemälde, Filmszenen und historischen Persönlichkeiten. Eine Anspielung findet sich zum Beispiel beim Dorf-Häuptling Majestix. Er nimmt die Haltung von Ludwig XIV ein und sagt: „Das Dorf bin ich.“
Studenten des IÜDs trafen die Berliner Illustratorin Aisha Franz. Sie unterhielten sich über die Herausforderungen, denen ein Übersetzer gegenübersteht, wenn er ihren Graphic Novel Alien übersetzt. Da wäre zum Beispiel die Lautmalerei. Das Lachen im Spanischen klingt anders als im Deutschen, spanische Tierlaute unterscheiden sich von deutschen Tierlauten. Hinzu kommt, dass die Worte in die Sprechblase passen müssen.
Warum wird immer wieder neu übersetzt?
Der Medlar tree (Mispelbaum). Medlar klingt wie meddle im Englischen und dieses Wort bedeutet rumknutschen oder rumfummeln. Wenn also gesagt wurde: „Du John, ich habe gestern deinen Bruder unterm Medlar tree gesehen“, dann war klar, was damit gemeint war. Diese Wortspiele ins Deutsche zu übersetzen, kann einem Kopfschmerzen bereiten. Seit den 1970er Jahren übersetzt Frank Günther das Gesamtwerk von Shakespeare. In seinem Vortrag zeigte er dem Publikum, wie er arbeitet und wie viel Geschick und Nervenzellen es braucht, um Shakespeare, der viel versauter ist, als wir angenommen haben, ins Deutsche zu übersetzen. Der erste Übersetzer der Shakespeare-Dramen Christoph Martin Wieland zog es vor, viele Fußnoten hinzuzufügen, in denen er darauf hinwies, dass er die ordinäre Sprache von Shakespeare nicht übersetzen könne und deshalb einige Ausdrücke weglasse. Fußnoten sind heutzutage verpönt, und wenn man den Drang nach solchen Auslassungen verspürt, dann sagt man in Übersetzerkreisen „Den Wieland machen.“
„Romeo ist das größte Ferkel der Weltgeschichte“, kommentierte Greiner. Aber weil Übersetzungen immer dem Design der Kultur unterliegen, wurde Romeo eben zum braven Romantiker. Übersetzungen sind auch immer subjektiv und zeitgebunden, gerade deshalb gibt es immer wieder neue Übersetzungen.
Welche Bedeutung haben Übersetzer in unserer Kultur?
Eine gute Übersetzungsleistung hat so manchen Text zum Klassiker gemacht, der es vorher nicht war und vielleicht nicht geworden wäre. Trotzdem merkt man sich nur selten den Namen des Übersetzers.
Übersetzer bauen Brücken zwischen Kulturen, Brücken von der Fremdsprache zur Muttersprache und Brücken zwischen Autoren und Lesern. Doch obwohl Übersetzer im Zentrum des kulturellen Geschehens stehen, wird ihre Arbeit oft schlecht bezahlt. Vor allem Literaturübersetzer sind am Anfang weit unten auf der Gehaltsliste zu finden. Ganz anders sieht die Bezahlung im wirtschaftlichen oder technischen Bereich aus. Hat man sich auf einen dieser Bereiche spezialisiert, kann man damit durchaus eine ganze Familie ernähren.
Schließlich kann man sagen, dass Übersetzer und vor allem Literaturübersetzer auch in Zukunft nicht von Maschinen ersetzt werden können, auch wenn die Übersetzungstechnik schon weit fortgeschritten ist.
Auf spannende Weise konnten die Übersetzertage eines zeigen: Es gehört viel dazu, wenn man professionell übersetzen will. Der Arbeit von Übersetzern mehr Wertschätzung entgegenzubringen, das war die Botschaft der Übersetzertage, die Andrew Jenkins, Dozent am IÜD, in einem gelungenen wilhelmischen Reim zusammenfasste: „Wer in Dorfe oder Stadt einen Dolmetschauftrag hat, der vergebe ihn an Profis, weil alles andere doof ist!“
von Sandra Hadenfeldt