4 von 5 rupis: Erwachsen, aber nicht alt
Langsam, ruhig, aber dann mit voller Wucht – so kommt das achte Studioalbum „Damage“ der amerikanischen Rockband Jimmy Eat World daher. Der erste Eindruck ist eher ernüchternd: Ein neues „The Middle“ fehlt dem Album. Zweifellos bleibt Jimmy Eat World sich treu, scheint jedoch kaum neue Akzente zu setzen. Nach dem ersten Mal hören bleiben vielleicht die beiden ersten Songs „Appreciation“ und „Damage“, sowie das eingängige „I Will Steal You Back“ im Gedächtnis. Dennoch ist „Damage“ nicht nur für eingefleischte Fans geeignet: Wer den neuen Liedern Zeit gibt, sich zu entfalten, erfährt die Dynamik, die von Jimmy Eat Worlds leichtem Alternative Rock ausgeht. Melancholisch, aber nicht schwermütig, traurig, aber nicht bedrückend, reifer, aber nicht überholt, so lässt sich das Album am besten beschreiben.
Das erste Lied, „Appreciation“, bildet einen fulminanten Einstieg in „Damage„, der schon nach wenigen Sekunden, spätestens aber nach dem gekonnten Wechsel vom 4/4- in den ¾-Takt zum Refrain überzeugt. Dieser stimmungsvolle Refrain gibt dem Stück seinen Wiedererkennungswert und zeigt auch inhaltlich das Leitthema des Albums auf: „Damage“ ist kein fröhliches Sommeralbum, im Vordergrund stehen Verlust und Resignation. Im gleichnamigen Lied „Damage“ singt Jim Adkins von beschädigten Beziehungen, enttäuschten Träumen, kaputter Liebe und Trennung. Wie fühlt es sich an, wenn die Realität nicht an die Grandeur der eigenen Vorstellungen heranreicht? Zerstören wir dann das bisschen, das uns noch bleibt? Einen Bruch bildet „Book of Love“. Der gitarrenlastige Foxtrott steht im Kontrast zur Wehmut des restlichen Albums. Mit unverschämter Leichtigkeit und nur leicht melancholischen Untertönen singt Adkins von Trennungen, ohne dabei hoffn
ungslos zu wirken. Mit dem einprägsamen „I Will Steal You Back“ zeigt sich Jimmy Eat World schließlich in Bestform. Das Lied lebt von seinem Refrain und der Melodie: Trotz gerade einmal acht Textzeilen Strophe bietet „I Will Steal You Back“ dreieinhalb abwechslungsreiche Minuten in der Manier von „Bleed American“.
Mit „Damage“ ist der Band ein sanftes, zum Teil etwas leises Album gelungen. Man merkt der Band an, dass die Mitglieder mit Mitte 30 andere Sichtweisen haben als auf ihren früheren Alben. Das schlägt sich auch in den Texten nieder. So setzt sich das längste Stück „Please Say No“ damit auseinander, wie es sich anfühlt, wenn sich der Alltag in eine Beziehung eingeschlichen hat. Dabei wirkt das Lied sehr eindringlich und nah. Wenn Jim Adkins um eine letzte Chance bittet, noch einmal von vorne zu beginnen, fragt man sich unwillkürlich, welche Erfahrungen die Band mit diesem Album verarbeiten will. Dennoch büßt die Musik auch für jugendliche Fans nichts an Identifikationspotential ein, Jimmy Eat World ist zwar erwachsener geworden, aber nicht alt.
Lediglich einen Ausgleich zu den gefühlsbetonten Balladen, ein härteres Stück wie „Salt Sweat Sugar“, sucht man vergeblich. Auch das punkigste „No, Never“ wirkt noch sehr gesetzt. „You Were Good“ setzt ganz auf Jim Adkins Stimme vor sanften Gitarrentönen und bildet somit einen konsequenten Abschluss. Mit den Worten „It was good / It was good / Then it was gone“ endet das Album und lässt den Hörer im ersten Moment nachdenklich zurück. Bis man sich entschließt, wieder bei „Appreciation“ anzufangen.
von Janina Schuhmacher