Der Heidelberger NS-Gegner und Mathematiker Emil Julius Gumbel droht, in Vergessenheit zu geraten. Eine Gruppe will das nun ändern
Am 25. August 1933 war der jüdisch-stämmige Mathematiker Emil Julius Gumbel auf der ersten Ausbürgerungsliste des NS-Regimes. Der Grund war sein politisches Engagement, sicherlich aber auch, dass er nach der Nazi-Rassenlehre ein Jude war.
Unter anderem hat er in seinem Werk „Vier Jahre politischer Mord“ nachgewiesen, dass auf linker Seite zwischen 1918 und 1922 von 22 Morden 18 bestraft wurden, auf rechter Seite hingegen blieben von 356 Morden von Rechts 324 ungeahndet. Es folgten drei Verfahren wegen Landesverrats 1922, die 1924 eingestellt wurden. Am 27. Mai 1932 sagte Gumbel, dass eine Kohlrübe ein besseres Denkmal für die Gefallenen des 1. Weltkrieges sei, als eine leicht bekleidete Jungfrau mit einer Siegespalme in der Hand. Im Winter 1917/18 war die Kohlrübe das Hauptnahrungsmittel, als 700.000 Deutsche dem Hungertod zum Opfer fielen. Auf Druck rechter Studenten wurde er daraufhin entlassen. Gumbel begab sich noch im selben Jahr nach Frankreich. 1940 emigrierte er nach Amerika. Er entging so seiner Ermordung, als in seiner Abwesenheit 1933 sein Haus geplündert wurde.
Nach dem Krieg bemühte sich Gumbel vergeblich um eine Stelle in Heidelberg, obwohl er die entsprechende Qualifikation hatte: Von 1930 bis 1932 war er außerplanmäßiger Professor in Heidelberg. So erklagte er sich 1956 die Rente eines Ordinarius. In dem Verfahren überzeugte er den Kultusminister Baden-Württembergs, dass er ohne die NS-Zeit auch berufen worden wäre. Als Wissenschaftler rehabilitiert wurde er erst 25 Jahre nach seinem Tod auf einer Gedenktagung 1991.
An der Universität Heidelberg findet aber jemand, der von Gumbel noch nichts gehört hat, keinen Hinweis auf ihn. Von dem nationalsozialistischem Nobeltreisträger und Begründer der „Arischen Physik“ Philipp Lenard hingegen hängt in der Alten Universität ein Bild. Seine dunkle Vergangenheit wird aber erwähnt. Auf einer Gedenktafel für Heidelberger Wissenschaftler, die von den Nationalsozialisten vertrieben wurden, fehlt Gumbels Name.
Im Januar fragten wir daher beim Rektorat an, ob man 80 Jahre nach seiner Ausbürgerung die Erinnerung an Gumbel beispielsweise durch ein Denkmal bewahren möchte. Damals hieß es, man wolle es nicht von oben vorgeben. Es müsse aus der Mitte der Universität kommen. Auf eine andere Weise würde man Gumbel nicht gerecht werden.
Inzwischen setzt sich eine Gruppe von Studierenden der Fachschaften Philosophie und MathPhys dafür ein: „Gumbel hat in den Räumen des heutigen Philosophischen Seminars Statistik gelehrt, daher möchten wir in der Philosophie und in der Mathematik Hörsäle nach ihm benennen, um die Studierenden auf ihn aufmerksam zu machen“, so Cornelia Domino. „Am 9. Juli hatten wir sehr positive Gespräche mit dem Heidelberger Kulturamt, um für ihn ein Denkmal zu errichten oder eine Plakette an einem historisch relevanten Ort anzubringen“, ergänzt Erkut Ercetin (beide Fachschaft Philosophie). Die Studierenden wollen solche Orte recherchieren. Das Kulturamt wird die formalen Fragen klären und in einem Wettbewerb ausschreiben, wer das Denkmal oder die Plakette anfertigt.
Für die Umbenennung der Hörsäle und der interfakultären Tagung möchten sie nun mit der Universität und den Fakultäten Kontakt aufnehmen. Die Fachschaft MathPhys schlägt zudem eine interfakultäre Tagung vor.
von Ziad-Emanuel Farag