Im „Manna“ in der Plöck kommen Studenten mit Suchtkranken und Bedürftigen ins Gespräch
Conny sitzt an einem der geschnitzten Tische und starrt in ihren Kaffee. Warum sie dreimal in der Woche Gast im Manna ist, hatte ich wissen wollen. „Wo soll ich denn sonst hin?“ meint sie schließlich leise. Später stellt sich heraus, dass die 68-jährige gar nicht Conny heißt, sondern Barbara. Oder Micheline.
Je länger man mit ihr spricht, umso öfter ändert sie Name und Herkunft, kommt mal aus Finnland, mal aus Österreich oder Belgien, erzählt aber jede neu ausgedachte Biografie und andere Geschichten mit voller Überzeugung.Im Manna-Treff in der Plöck sind manche, aber längst nicht alle wie sie. Das Café versteht sich als ein Treffpunkt für Gestrandete und als Anlaufstelle für
Bedürftige in Heidelberg. Einige Gäste waren oder sind alkoholabhängig, manche obdachlos, andere suchen einfach jemanden zum Reden und ein günstiges Frühstück. Der Kaffee kostet hier 30 Cent, genau wie die Brötchen, die von einigen Bäckereien in der Altstadt gespendet werden. „Die Tasse Kaffee sorgt für die Wärme im Magen, die Gespräche für die Wärme im Herzen“, erklärt Andreas Drakopoulos, der im Hof gegenüber einige Gäste mit Kaffee versorgt. Andreas ist 74 und duzt jeden sofort, der gebürtige Grieche leitet einen Deutschkurs im Manna und kommt inzwischen jeden Tag, um in der „Filiale“ im Hof mitzuhelfen. „Jeder bringt sich mit dem ein, was er gut kann, man schlägt es einfach vor. Und es ist eine gute Sache, sein Wissen weiterzugeben“, fügt der pensionierte Technikingenieur hinzu. Neben Andreas engagieren sich über dreißig ehrenamtliche Helfer im Manna, es gibt einen Anfänger-Computerkurs, Sprachkurse und einen Schachkurs, den ein Vereinsspieler anbietet.
Im Café selbst trifft man Szuszana, die an der Kaffeetheke die Gäste begrüßt. Die 25-Jährige studiert in Heidelberg Theologie und hatte im Februar einfach gefragt, ob man helfen kann. Am Anfang sei es schwierig gewesen, erzählt sie, „man hört so viele traurige Geschichten“. Trotzdem kommt sie jedes Mal gerne wieder her.
Am 1. Mai 2005 öffnete das Manna in einer ehemaligen Bäckerei gegenüber der Galeria Kaufhof zum ersten Mal seine Tür, mittlerweile kommen bis zu 70 Gäste am Tag. Da jeder zehnte Heidelberger von Armut bedroht ist, entstand beim Gemeindepfarrer Florian Barth die Idee für den Treff. Der Start gelang dann trotz „Null komma Null Euro“ Kapital, wie Barth selbst sagt; zu Beginn gab es gelegentliche Spenden, von denen Kaffee gekauft wurde, die erste Kasse für das Café besorgte er selbst in einem Ein-Euro-Shop. Der schwierige Anfang brachte es auch mit sich, dass Barth selbst in Hauptstraße und Plöck unterwegs war, um Leute ins Café einzuladen, Gutscheine zu verteilen und seine Idee bekannt zu machen. Im Jahr 2009 schließlich gewährten die Landesstiftung Baden-Württemberg und der Fonds „Diakonische Gemeinde“ erstmals eine größere Geldsumme, die eine Festanstellung und einen Ausbau des Cafés ermöglichten.
Beim Frühstück im Manna spricht man von Barth mit großem Respekt; so oft es geht, kommt auch er auf einen Kaffee und ein Gespräch vorbei. „Das’n feiner Kerl!“ ruft ein Gast mit Sonnenbrille vom Nachbartisch, und alle lachen. Trotz der oftmals schwierigen persönlichen Situation der Gäste ist die Stimmung freundlich, dazu trägt auch die Grundregel „0,0 Promille und keine Gewalt“ bei. Jedoch sind Sucht und ihre Folgen Teil von vielen Gesprächen, die Schicksale sind oft ähnlich. Aber auch Peggy trifft man hier, die nach ihrer Scheidung und der Entlassung aus dem Betrieb Anschluss sucht. Ihre Suche nach Arbeit überbrückt sie mit einem Spanisch- und einem Englischkurs. „Einfach weitermachen“, lautet ihr Fazit, das ohne weiteres neben dem offiziellen Motto des Manna, „Raum für Leib und Seele“, an der Tür geschrieben stehen könnte.
Und wie geht es für das Manna weiter? „Seit März hat die Stadt Heidelberg die Finanzierung für zwei Stellen im Manna übernommen, aber getragen wird es wird natürlich weiter von der ehrenamtlichen Mitarbeit“, berichtet die Leiterin Cornelia Yazdian, nachdem der letzte Gast gegangen ist. Wer das Manna besuchen will, findet an drei Tagen in der Woche eine offene Tür. Coffee-To-Go-Sucher werden allerdings enttäuscht sein, das Prinzip lautet hier: Bleiben und teilnehmen.
von Peter Hachemer