Heidelberg will sich ein Literaturhaus bauen. Die Debatte darum geht nun in eine konkrete Phase. Doch nach wie vor braucht man Geld und einen Ort
Eigentlich ist Heidelberg ein stadtgewordenes Literaturmuseum. Die Universitätsbibliothek, jüngst wieder zu einer der Spitzenbibliotheken Deutschlands gekürt, beherbergt Handschriften von unschätzbarem Wert. Im Palais Boiserée sitzen angesehene und umtriebige Germanisten, in der Weststadt erfolgreiche Verlage wie das „Wunderhorn“, und selbst vom Qualitätsbuchhandel ist bei allen Verfallserscheinungen noch etwas Ansehnliches übrig geblieben.
Wenn man sagt: im DAI geben sich Nobelpreisträger die Klinke in die Hand, ist das allenfalls ein wenig übertrieben. Angesichts dieser Liste – die sich mindestens um die Stichworte Stückemarkt, Stadtbücherei und Literaturtage erweitern lässt – stellt sich die Frage, ob es in Heidelberg eines Literaturhauses bedarf. Oder, positiv gewendet: wo die Lücke ist, die ein Literaturhaus füllen könnte.
Nach den Vorstellungen von Manfred Metzner, dem Wunderhorn-Verleger und Literaturtage-Begründer, könnte ein Literaturhaus all die genannten Stränge zusammenführen, ohne zu einem von ihnen in Konkurrenz zu treten. Er stellt sich eine Kulturstätte vor, die mehr ist als ein bloßes Veranstaltungshaus, vielmehr Kern eines Netzwerkes bilden soll aus Schreibern, Lesern und Kulturschaffenden und darüber hinaus einen Platz bietet, um der literarischen Tradition zu gedenken – etwa in Form eines Museums. Müsste man tatsächlich eine Lücke in der städtischen Kulturlandschaft benennen, dann wäre es diese: Es gibt in der Stadt keinen Ort für die Heidelberger Romantik.
Ein Literaturhaus wäre demnach beides: Ein Haus der literarischen Historienpflege und eine Begegnungsstätte für die Gegenwartsliteratur. Manfred Metzner geht seit zwanzig Jahren mit dieser Idee schwanger und möchte nun endlich gebären. Zusammen mit dem Verein „Literaturhaus Heidelberg“ treibt er die Realisierung der Pläne nun voran. Kürzlich haben auf einem Workshop Vertreter aus Frankfurt und Freiburg, beides Städte mit Vorbildeinrichtungen, über ihre Erfahrungen berichtet. Dass die anschließende Diskussion ihren Schwerpunkt im persönlich gefärbten Schlagabtausch zwischen Metzner und DAI-Chef Jakob Köllhofer kam, fand nicht nur Friederike Reents, die für das Germanistische Seminar am Workshop teilnahm, „unhöflich und in der Sache bedauerlich“.
Die Standortfrage ist noch umstritten
Inzwischen besteht aber wohl wieder die Möglichkeit, konstruktiv über die Konzeption zu sprechen. Nach eigener Auskunft begrüßt Köllhofer, dessen DAI derzeit ein breites eigenes Literaturangebot bereithält, die Idee eines Literaturhauses, plädiert aber für eine innovative Umsetzung. „Ich wünsche mir, dass wir nicht allzu bewahrend die Altstadt Heidelbergs zum Zufluchtsort dieser Idee machen, sondern mit mehr Mut uns in die neuen Entwicklungsflächen der Stadt begeben: Go west!“
Köllhofer spricht damit die Standortsfrage an, die noch immer umstritten ist. Mit seinem Votum für die neu entstehende Bahnstadt wendet er sich gegen die Pläne der Promotoren, die die neue Kulturstätte gerne im Wormser Hof sähen, wo mit dem Harmonie-Lichtspielhaus gerade ein anderer Kulturflecken dahinschmilzt. Dort kostet der Quadratmeter allerdings mehr als 14 Euro – was wiederum den Steuerzahler zumindest herausfordern würde.
Überhaupt haben sich die Befürworter bislang noch nicht auf eine Diskussion um die Finanzierung eingelassen. Über die Grundsatzfrage, ob die Stadt Heidelberg ein Literaturhaus möchte, soll der Gemeinderat 2014 befinden. „Ich bin sicher, dass eine vernünftige Entscheidung getroffen wird“, glaubt Jakob Köllhofer. „Wichtig ist, dass wir uns nicht mit einer Kopie zufrieden geben, sondern eine eigene Idee anbieten.“
Ähnlich sieht das auch die Germanistin Reents: „Ein Literaturhaus kann einem jungen Publikum Literatur auf ganz neue Weise nahebringen.“ Damit das möglich wird, müsse auch rechtzeitig über die Frage der Leitung des Hauses nachgedacht werden. „Es ist durchaus sinnvoll, jemanden von außen zu holen, der über entsprechende Erfahrung bei Konzeption und Umsetzung eines solchen Projekts verfügt und dem es, frei von über Jahren entstandenen Vorlieben und Befindlichkeiten, einzig um die Sache geht: die Vermittlung von Literatur.“
von Kai Gräf