Die Wissenschaftsministerin Theresia Bauer wollte verpflichtende Gebühren für Studierfähigkeitstests in Baden-Württemberg einführen. Diese hätten bis zu 100 Euro betragen. Doch da auch aus der eigenen Partei Kritik aus dem linken Flügel kam, wurde das Vorhaben auf dem Parteitag der Grünen am 9. November in Esslingen gestoppt. Aber welche Motivation steckte hinter diesem Antrag der grünen Ministerin, der für viele Studieninteressierte und Studenten das Studium zu einer neuen, abschreckenden Kostenfrage gemacht hätte? Zu dieser Frage führten der ruprecht ein Gespräch mit Parteiratsmitglied Jörg Rupp (erweiterter Vorstand) von Bündnis90/Die Grünen Baden-Württemberg.
ruprecht: Wieso plante der Grüne Landesverband, verpflichtende Gebühren für Eignungsprüfungen einzuführen?
Jörg Rupp: Der Landesverband forciert das nicht. Das passiert im Ministerium und ein Stückchen weit in der Fraktion. Die Regierung hat sich bereitwillig dem Diktat der Schuldenbremse unterworfen und der Haushaltssanierung. Jedes Ministerium muss eben Geld sparen. Das eine oder andere hätte man sicherlich auch noch verschieben können, schließlich. muss der Haushalt erst ab 2020 ausgeglichen sein. Ich fand diese Studiengebühren durch die Hintertür auch unmöglich.
Was wären aus Ihrer Sicht Alternativen zu diesen Plänen?
Bei der Atomforschung zum Beispiel könnte man Geld sparen. Die wird im KIT in Karlsruhe nach wie vor betrieben und sorgt für viele Kosten. Entsorgungs- und Sicherheitsforschung dort ist zwar notwendig. Ich weiß aber nicht, wie viel Entsorgungsforschung dort betrieben wird. Man müsste schauen, was man da umlenken könnte.
Die Gefahr ist nach dem Parteitag noch nicht gebannt. Die Universitäten können immer noch Bewerbungsgebühren erheben. Was wäre daran aus Ihrer Sicht das Problem?
Die Studienbewerber, die kein wohlbetuchtes Elternhaus haben oder anderweitig Geld haben erfahren dadurch eine massive Einschränkung. Man bewirbt sich an zehn Unis, was bspw. gerade an Musikhochschulen notwendig ist, um eine oder zwei Zusagen zu erhalten. Wenn das vom Geldbeutel abhängt, könnte dies viele abschrecken.
Wieso kam so ein Vorschlag ausgerechnet von einer grün-roten Landesregierung, die doch die Hochschulen für alle unabhängig von ihrer sozialen Herkunft öffnen möchte?
Theresia Bauer war immer für Studiengebühren. Ihr fehlt da das Fingerspitzengefühl. Daher stellte sie den Zusammenhang zu den Gebühren nicht her oder es war ihr egal. Sie nahm die abschreckende Wirkung für die Studienbewerber in Kauf, ohne sich der Problematik bewusst zu sein. Wir haben uns klar gegen Studiengebühren im Parteiprogramm und im Koalitionsvertrag entschieden.
Wollte also die Landesregierung Studieninteressierte vom Studium abschrecken?
Man will die Leute nicht fernhalten. Das ist der Effekt, an den man nicht glaubt. Ich glaube, dass man davon ausgeht, dass man es selbst als Studierender geschafft hätte. Dabei wird aber ignoriert, dass der Studienalltag in den Zeiten von Bachelor Bachelor/Master was anderes ist als früher. Neben dem Studium zu arbeiten ist zum Beispiel viel schwerer geworden.
Wenn es nicht um Abschreckung geht, worum geht es dann?
Leistung und die Verwertbarkeit für die Wirtschaft stehen zu sehr im Vordergrund. Das sieht man auch an der Debatte um die Musikhochschulen: Wenn wir 50 Flötistinnen ausbilden und es anschließend nur zwei Stellen gibt, studiert man doch nicht nur für diese Stellen. Es ist nicht in Ordnung, wenn daraus der Schluss gezogen wird, dass diese Plätze ihr Geld nicht wert sind. Denn dann bewerten wir Lebensentwürfe. Die Frage ist dann nicht: Was willst du tun, sondern, was ist das wert, was du tun möchtest? Das hat nichts mit der Bildungsidee zu tun, die ich im Kopf habe.
Was bedeuten die aktuellen Debatten für Ihre Partei?
Ich habe Angst vor einer schwindenden Glaubwürdigkeit. Ich möchte nicht für eine unglaubwürdige Politik den Kopf hinhalten. Daher war ich mir vor dem Parteitag nicht darüber im Klaren, ob ich im Parteirat bleiben möchte. Gerade die Studierenden, die uns bisher unterstützen, können bei solchen Vorschlägen aus Frust schnell zu Nichtwählern werden. Mit dieser Gebührenfrage, taten wir uns echt keinen Gefallen. Wenn August nicht Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer vorgeschlagen worden wären, wäre das vielleicht nicht so dramatisch gewesen. Es war aber der zweite Vorstoß in wenigen Wochen.
Das Interview führte Ziad-Emanuel Farag.