Caroline Link stellte ihren Film „Exit Marakkech“ vor
„Manchmal ist die Fantasie besser als die Realität“ ist die Absage von Heinrich, einem gefeierten Regisseur an seinen Sohn Ben auf seine Frage hin, ob sie nicht gemeinsam Marrakech erkunden könnten. Daraufhin fährt Heinrich mit seiner abstrakten Auseinandersetzung mit dem Land fort, er liest ein Buch über Marokko am Hotelpool. Ben türmt aus dem Ressort in die Stadt.
Diese Vater-Sohn Beziehung ist Gegenstand von Caroline Links Film „Exit Marrakesh“. Der Vater (Ulrich Tukur) vernachlässigte seinen siebzehnjährigen Sohn (Samuel Schneider) aus erster Ehe viele Jahre lang. „Wenn sie ihre Jungen heranwachsen und die Väter akzeptieren müssen, dass sie überholt werden und die Söhne die Zukunft sind und sie die Vergangenheit, ist das schmerzhaft“ erklärt Caroline Link den Konflikt im Film. „Mir bedeutet die Familie sehr viel und Ben weiß auch, dass ihm was fehlt“, fährt sie fort.
Beim Besuch des Sohnes am Theater seines Vaters zwingt dieser ihn in seine Welt, in der sich Ben nicht finden kann. Er möchte nicht nur Händeschütteln und gut aussehen um dem Ruhm des Vaters zu genügen, sondern raus ins Leben und wie ihm sein Schulleiter in die Sommerferien mitgegeben hat: etwas erleben. Er flieht aus dem Hotel und freundet sich mit der Prostituierten Karima, gespielt von Hafsia Herzi, an.
Karima führt Ben aufs Land zu ihren Eltern, jedoch setzt sie ihn bald vor die Türe, der Hausfrieden wackelt in der traditionellen Familie, da das Mitbringen von Männern die Heirat bedeutet, die modern lebende Karima dies aber nicht plant.
Bens Roadtrip durch Marokko endet mit einem Polizeieinsatz, er wird von seinem Vater auf der Wache abgeholt. Die Chance zur Auseinandersetzung miteinander ergibt sich nachdem beide in der rauen Landschaft Marokkos ihre Komfort-Zonen verlassen haben.
So gnadenlos wie intensiv arbeitet Caroline Link den Generationenkonflikt heraus, mit dem sich viele im Publikum identifizieren dürften. Die Handlung wird durch die Diabetes Erkrankung von Ben intensiviert. Dieser reift im Film, wird seine Zahnspange bei einem Marokkanischen Arzt los und verlässt die Bevormundung seiner Helikopter-Mutter und seines Vaters.
Als Poster könnte man viele Kameraeinstellungen an die Wand hängen, so malerisch zeigt Caroline Link das Land, durch das Sie mit ihrem Mann vor 20 Jahren reiste. 2011 besuchte Sie Marokko nochmals, während dieser Zeit entstand die Idee für den Film.
Die einfachen Bedürfnisse der Menschen und die Gastfreundschaft beeindruckte Caroline Link bei ihrer Reise, deutlich spürt man es im Film, in welchem auch viele Einheimische spielen. „Die jungen Frauen, welche als Prostituierte arbeiteten, mit denen wir zu Mittag aßen waren beleidigt, als ich ihnen Geld geben wollte. Sie meinten: Nein, wir wollen doch, dass du einen guten Film machst.“ erzählt Caroline Link vom Dreh.
Doch auch andere Konflikte thematisiert sie: Die Auseinandersetzung der modernen Karima mit ihrer traditionellen Familie, oder wie Europäer Marrakech aufkaufen und Touristen die den dortigen Fortschritt bedauern: „Warum sollen die Menschen keine Elektrizität haben, kein fließendes Wasser und Plumpsklos und auf Eseln hin und herreiten, nur damit ich schöne Fotos machen kann?“ fragt Caroline Link.
Glücklicherweise verzichtet Caroline Link auf Actionszenen: als Heinrich und Ben mit dem Auto über eine Klippe stürzen, sieht man nur das Auto in der Luft stehen, bevor die Szene abgebrochen wird. Trotzdem wirkt das Ende zu glatt, zu vorhersehbar, Komplikationen welche sich mit Karima ergeben würden, lösen sich von selbst, durch Karimas Rückzug aus der Handlung. Die Figuren wirken stellenweise wie Karikaturen ihrer selbst, trotzdem kann man sich mit jeder Figur identifizieren und ihre Motive nachvollziehen.
Caroline Link hat für das Thema des Filmes ein gutes Tempo gefunden, die Handlung ist gemächlich jedoch niemals langweilig, der Konflikt braucht Zeit zum reifen, wie die Personen im Film und das Publikum, um sich mit ihnen zu identifizieren. Sie hat einen sanften, zurückhaltenden und sehr sehenswerten Film geschaffen.
von Dominik Waibel