Lärmende Studenten sorgten für Aufruhr in Rohrbach – der Sicherheitsdienst nun auch Ein hoher, einst mit Maschendraht gespickter Zaun umgibt rund ein dutzend Wohnkomplexe. Es ist etwa zehn Uhr abends und sehr ruhig. Wenn genauer hingesehen wird, bemerkt man Sicherheitsleute, die zwischen den Wohnblöcken ihre Runden laufen. Ein Außenstehender würde kaum auf die Idee gekommen, dass in der früheren US-Kaserne Holbeinring seit zwei Jahren rund 600 Studenten wohnen. Warum auch, wer erwartet schon einen Sicherheitsdienst im Studentenwohnheim? Dann schon eher feiernde Studenten. Nicht so hier.
Das wirft die Frage auf, wie es zu der Einführung eines Sicherheitsdienstes gekommen ist. Laut Herrn Weyand, Leiter der Wohnheimverwaltung des Studentenwerks Heidelberg, sah sich die Verwaltung im letzten Sommer „in der Pflicht, etwas zu unternehmen“. Gründe waren die steigende Anzahl von Polizeieinsätzen wegen Beschwerden aufgrund von Ruhestörung sowohl von Seiten der Rohrbacher Anwohner, als auch der Studenten selbst. Zudem kamen Schwierigkeiten, die Hausordnung umzusetzen und „anarchistische“ Einstellungen der Wohnheimbewohner dazu.
Im Juni dieses Jahres war es dann soweit: Seitdem sorgt von 18 Uhr abends bis sechs Uhr morgens ein Sicherheitsdienst für die korrekte Umsetzung der Hausordnung und geht gegen Partylärm vor. Das Hausmeisterbüro wird über Nacht zur Einsatzzentrale.
Studenten beschweren sich über eingeschränkte Freiheit
Kurz nach der Einführung kam es abermals zu einer Flut von Beschwerden an das Studentenwerk. Diesmal aus einem anderen Grund. Es gibt eine riesige Grünfläche in der Mitte der Wohnanlage. Sie ist eine Seltenheit für Studentenwohnheime und perfekt, um an Sommerabenden den Tag beim gemeinsamen Grillen ausklingen zu lassen. Allerdings war es den Studenten ab 22 Uhr nicht mehr erlaubt, sich draußen aufzuhalten. Verständlich, dass sich bei schönem Wetter die Begeisterung für solch eine Regel in Grenzen hält. Sogar eine Online-Petition dagegen wurde von den Studenten initiiert.
Inzwischen haben sich Sicherheitsdienst und Wohnheimbewohner aneinander gewöhnt. Heute gibt es „definitiv weniger Beschwerden“, so Weyand. Es sind zwei bis drei Einsätze pro Woche. Die Situation wird vor Ort bei einem Gespräch mit dem Sicherheitsdienst geregelt. Was im Holbeinring passiert, bleibt nun auch im Holbeinring und gelangt selten bis zur Polizei oder der Wohnheimverwaltung. Letztere freut sich über die Entwicklung und kann sich sogar vorstellen, ab nächstem Jahr den Sicherheitsdienst wieder abzuschaffen.
Dennoch scheinen die Studenten mit der aktuellen Situation zufrieden zu sein. Moritz Gönnheimer, Siedlungssprecher, tritt für die studentischen Belange im Holbeinring ein. Er meint, dass der Sicherheitsdienst bezüglich der Lärmbelästigung definitiv etwas verbessert habe. Aber das Gefühl der Gemeinsamkeit zwischen den Studenten gehe verloren. Heute sei der Holbeinring nicht mehr das, was er sich unter einen Studentenwohnheim vorstelle. Naheliegend, dass bei einigen Studenten schnell das ungute Gefühl aufkommt, überwacht zu werden. Von alledem lassen sich die Holbeinringer allerdings nicht beirren und initiieren weiterhin wohnheiminterne Veranstaltungen wie ein Gemeinschaftsgrillen zum Kennenlernen.
Die Studenten müssten es schaffen, sich auch ohne einen externen Ruhedienst zu einigen
Ebenfalls zur Einführung des Sicherheitsdienstes beigetragen hat die Einstellung einiger Studenten, sofort zum Telefon zu greifen, um sich bei der Polizei oder dem Studentenwohnheim zu beschweren, anstatt persönlich für die eigenen Interessen einzutreten. Sollten die Studenten es in Zukunft schaffen, Ruhestörungsprobleme untereinander zu lösen, wäre auch ein Sicherheitsdienst überflüssig. Dazu bräuchte es nur ein wenig Kompromissbereitschaft und Rücksicht auf die Belange anderer. Auf beiden Seiten – der Ruhestörer und der Gestörten.
Ein ähnliches Bild zeigt sich auch im Studentenwohnheim im Neuenheimer Feld. Dort muss der Sicherheitsdienst allerdings zusätzlich dafür sorgen, dass Studenten, die spontan ihre risikofreudige Seite ausleben wollen, die Party nicht auf die Baugerüste an den Wohnheimhäusern verlegen. Die Sonne geht unter, Baugerüste sind ebenfalls um zwei der Häuser im Holbeinring aufgebaut.
Nach den Erfahrungen im Neuenheimer Feld scheint sich hier ein neues Problemfeld aufzutun. Ob Partys auf dem Dach feiern, schnell nachschauen, was der Nachbar im zweiten Stock gerade in seinem Zimmer macht oder Frühstückseier mit Aussicht auf den Rest Heidelbergs genießen, die neuen Baugerüste bieten sich für vieles an. Aber zum Glück gibt es ja einen Sicherheitsdienst, was soll da noch passieren?
Monika Witzenberger