Die FSK ist Geschichte – ab sofort übernimmt der neu gewählte Studierendenrat die Interessenvertretung der Heidelberger Studierenden
Die Universität Heidelberg hat ihre Verfasste Studierendenschaft (VS) zurück. 1977 unter Ministerpräsident Hans Filbinger abgeschafft, um den „linken Sumpf“ an Baden-Württembergs Hochschulen trockenzulegen, wurde sie nun nach 36 Jahren von der Grün-Roten Landesregierung wieder eingeführt.
Die Fachschaftskonferenz (FSK), die sich als Übergangslösung über die Jahre etabliert hatte, löste sich bei ihrer letzten Sitzung am 3. Dezember selbst auf. Sie macht nun den Weg frei für ein demokratisch gewähltes Organ mit Rechtsstatus. Ausgestattet mit dem Mandat der Studierendenschaft kann es deren Interessen gegenüber dem Senat vertreten und sogar einklagen.
Der nun gewählte StuRa ist ein Angebot an alle Studierende, sich zu beteiligen und für eigene Belange einzusetzen. Bisher stößt die neu geschaffene demokratische Vertretung bei den Studierenden jedoch auf geringes Interesse. Das lässt zumindest die Wahlbeteiligung von 13,8 Prozent vermuten. Diese sei vor allem eine Konsequenz jahrzehntelanger Entpolitisierung der Universitäten, meint Henrik Rubner, Spitzenkandidat der Grünen Hochschulgruppe. Das Thema Hochschulpolitik ist wenig populär, der Kreis der Engagierten überschaubar.
Auch war das Thema im Vorfeld wenig präsent. Viele Studierende hätten die bevorstehenden Wahlen wegen der geringen Öffentlichkeitsarbeit nicht wahrgenommen. „Es wurde verpasst, eine positive Wahlatmosphäre zu schaffen“, so Kirsten Pistel von der Arbeitsgruppe Verfasste Studierendenschaft. Verglichen mit anderen Hochschulen in Baden Württemberg sei das Ergebnis jedoch zufriedenstellend, sagt Glenn Bauer, Vertreter der Fachschaft Japanologie. In Tübingen schafften es gerademal 9,5 Prozent der Studierenden an die Urne, in Freiburg waren es 12,1 Prozent.
Dennoch – eine höhere Beteiligung wäre vor allem für ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Fachschafts-und Listenkandidaten wünschenswert gewesen. Bei einer fast utopisch erscheinenden Wahlbeteiligung von mehr als 50 Prozent hätten gleich viele Vertreter von Fachschaften und Listen in den StuRa einziehen können. Erfreulich sei aber, dass nahezu alle angetretenen Listen mit mindestens einem Kandidaten im StuRa vertreten sein werden, meint Georg Wolff, Anwärter für den Ratsvorsitz. Allein der Verein Afrikanischer Studierender (VASUH) schaffte es nicht in den Rat.
Den größten Wahlerfolg verzeichnete die Grüne Hochschulgruppe, deren Vorstellung von einer nachhaltigen und offenen Uni bei den Studierenden großen Anklang fand. Auffällig ist, dass sowohl die Liste Medizin als auch die Fachschaftsinitiative Jura über die Fachschaften hinaus Mandate gewinnen konnten. Im Gegensatz zu anderen Fachschaften sind sie so überproportional vertreten – allerdings repräsentieren sie auch die größten Fakultäten der Universität Heidelberg. Unverhältnismäßige Vorteilnahmen partikularer Interessen sind also kaum zu erwarten. Weiterhin gibt es im neuen StuRa Raum für Humor: Die „Pogo- Anarchistischen Radikal-Demokratischen-Chaos-Studierenden“ sowie „Die LISTE“ (angelehnt an Martin Sonneborns Partei „DIE PARTEI“) stellen je einen Kandidaten im Rat.
Eine deutliche Mehrheit der insgesamt 51 Fachschaften bringt ebenfalls Vertreter ihrer Fächer ein. 13 von ihnen nominierten nicht rechtzeitig einen Kandidaten, sicher nicht zuletzt wegen der Kandidatursfrist, die bereits eine Woche nach Semesterbeginn endete. Zudem lässt die verkürzte Studienzeit im Zuge der Bologna-Reform wenig Raum für Engagement. Ein Großteil der sozial und hochschulpolitisch engagierten Studierenden beendet ihr Studium nicht in Regelzeit. Von dieser aktiven Beteiligung aber lebt eine Studierendenschaft, die ihre Interessen verwirklicht sehen will.
Themen wie die bevorstehenden Verhandlungen zum Semesterticket betreffen alle Studierenden. „Hier muss der StuRa Arbeit machen, die bemerkt wird“, meint Henrik Rubner, Mitglied der größten Gruppe im Rat.
Bevor wichtige Sachthemen angegangen werden können, steht die Frage nach der zukünftigen Arbeitsweise des StuRa auf der Tagesordnung.
Heute, am 10. Dezember treffen die gewählten StuRa-Mitglieder zu ihrer ersten, konstituierenden Sitzung zusammen. Ursprünglich war diese eine Woche früher angesetzt, musste jedoch aufgrund von Verzögerungen verschoben werden. Allein die Auswertung der Wahl zog sich bis zum Wochenende hin, da deutlich weniger Helfer beteiligt waren als erwartet, so das Rekorat. Grund dafür war offenbar ein Kommunikationsproblem zwischen Rektorat und Studierenden. Nach der Auszählung wurden die ausgezählten Stimmen in die entsprechenden Ratssitze umgerechnet. Dies erfolgte nach dem Sainte- Lague-Verfahren, welches seit 2009 bei Bundestagswahlen angewandt wird. Zudem hätten doppelte Kandidaturen für Fachschaften und Listen in den Fächern Jura und Medizin die Auswertung verkompliziert. Lange blieb unklar, wer auf welchem Weg in den StuRa einzieht und wer an seiner Stelle nachrückt. Obwohl die Sitzverteilung bereits entschieden war, konnte daher das Wahlergebnis nicht bekannt gegeben werden, bevor die Mandatsträger namentlich feststanden. Eine Woche nach der Wahl war die Zusammensetzung des StuRas für seine einjährige Legislaturperiode gesetzt. Sollten jedoch Gremien- und StuRa-Wahl zusammengelegt werden, stehen bereits im Juli Neuwahlen an. Ein gemeinsamer Wahltermin könnte den Organisationsaufwand verringern und mehr Studierende an die Urne locken.
Was ein Modell wie der StuRa in den streng hierarchischen Universitätsstrukturen in Zukunft bewirken kann, bleibt abzuwarten. Gelingt es ihm, zu interessieren und zu involvieren, wäre das ein wichtiges Zeichen, dass Teilhabe gewollt ist.
von Charlotte Felbinger und Sina Rauch