4 von 5 rupis: Der Tragödie zweiter Teil
Obwohl das Debüt von Warpaint, „The Fool“, gerade einmal drei Jahre und vier Monate alt ist, habe ich auf Album Nummer Zwei gewartet wie ein Großteil der Rockmusikkritiker und My Bloody Valentine-Fans auf den Nachfolger zu deren Meisterwerk „Loveless“. Als dann „Love Is To Die“ als erste Single auftauchte, kamen ähnliche Zweifel auf. The Fool war perfekt, der neue Song aber erstmal nicht überzeugend. Kann es ein zweites gutes Warpaint-Album geben? Ist die Hoffnung auf etwas so besonderes wie The Fool das Risiko einer Vollkatastrophe wert?
Der Art Rock der vierköpfigen Band aus Los Angeles zieht Einflüsse aus Ambient, Shoegaze und Post-Punk gleichermaßen – eigentlich eine typische Beschreibung des Genres Dream Pop. Und doch stehen Warpaint durch ihre Joy Division-Neo Noir-Stimmung abseits von Beach House und Co. Auf ihrem neuen Album hat sich der modus operandi etwas geändert. Die Gitarre ist weniger präsent, das Album als Ganzes noch mehr von den sphärischen Klängen der Dream Pop-Abteilung geprägt. Warpaint ist an der Oberfläche ruhig und oft ein bisschen zu uniform.
Wenn The Fool das „xx“ des Art-Rock war, ist Warpaint das „Coexist“: eine Ausarbeitung des eigenen Stils, der auf dem Debüt geschaffen wurde. Eine Ausarbeitung, die wie bei den xx nicht ganz an jenen Erstling heranreicht. Ähnlich wie bei Coexist oder „Holy Fire“ gewinnt das Album jedoch mit jedem Hördurchgang mehr Tiefe. Es gibt unerwartete Stimmungswechsel und originelle Harmonien, pulsierende Darkwave-Anleihen, „Go In“ und nicht zuletzt den Math-Rhythmus auf „Keep It Healthy“. Das Drumming von Stella Mozgawa klingt zwar weniger spontan als noch auf The Fool, ist aber immer noch das Grundgerüst und das Beste an der Musik von Warpaint.
Und was durch die Instrumentierung – Bass und Keys statt Post-Punk-Gitarre – und das niedrige Tempo der Songs an Ruhe gewonnen wird, spiegelt sich längst nicht im Songwriting und der Atmosphäre wieder. Warpaint vereinen Licht und Dunkel, ätherischen Gesang und schweren Bass in ihrer Musik. Elektronische Drums gab es schon auf „Bees“, doch auf „Hi“ wirken sie weitaus dunkler und stärker. Die vier Musikerinnen haben erfolgreich den Rock aus ihrem Art Rock genommen.
Warpaint klangen nie fröhlich, doch alles bisherige ist Sonnenschein im Vergleich zu den zwölf neuen Songs. Lieder wie „Baby“ sucht man vergeblich, die Stimmung ist eher mit „Elephants“ auf Sedativa vergleichbar. Warpaint, wie schon The Fool, klingt nach Herzschmerz ohne das Weinerliche. Selbst in seinen frohen Momenten ist das Album noch weit von emotionaler Ausgeglichenheit entfernt. Mit Ausnahme vom Dance-Punk-Verschnitt „Disco//Very“ dient Warpaint dazu, sich an einem grauen Sonntag in seiner Decke und seinen Gedanken zu wälzen.
Mit ihrem zweiten Album hat die Band sich als wandelbar erwiesen. In vielerlei Hinsicht ist Warpaint der logische Nachfolger des Debüts, doch es ist keine einfache Kopie, kein „The Fool 2“. Warpaint wissen, dass sie ihr Meisterwerk nicht toppen können. Stattdessen entwickeln sie sich einfach weiter. Dabei ist der größte Trumpf der Musik auch die größte Schwachstelle: Durch die mystischen, sphärischen Sounds kann Introspektion schnell in Depression umschlagen. Umso besser, dass Sängerin und Gitarristin Theresa Wayman in Interviews angedeutet hat, bald zum ‚Ausrasten‘ zurückkehren zu wollen.
Spielzeit: 51:10
Hören zum: Regen beobachten
Klingt wie: Cocteau Twins, Foals, The xx
Anspieltipps: „Keep It Healthy“, „Feeling Alright“
Das Album erscheint am 17.01.14
von Philipp Fischer