Die frisch renovierte Mannheimer Kunsthalle zeigt Werke von Max Beckmann und Otto Dix
Schön. Das ist das Wort, mit dem man in der Regel Kunstausstellungen beschreiben möchte. Nach einem Besuch der Max Beckmann und Otto Dix Ausstellung in der Kunsthalle Mannheim liegt es einem automatisch auch auf der Zunge, doch wird man es nicht aussprechen. Es passt einfach nicht. Schön? Ein menschlicher Schädel in dem Maden herumkriechen. Nein. Ein Kriegskrüppel, der um Geld bettelt. Auch nicht. Ein Wald mit kaputten Bäumen vor einem roten Sonnenuntergang. Schon eher. Trotzdem ist es nicht die Schönheit oder die Ästhetik in den Werken Beckmanns und Dix’, die die Ausstellung sehenswert macht. Es sind die Geschichten, die ihre Bilder erzählen, die Atmosphäre, die sie hervorrufen, der Zeitgeist, den sie transportieren und die Analogien und Differenzen in den Biographien und Themen der Künstler, die die Ausstellung der Mannheimer Kunsthalle sehenswert machen.
Was sind diese gemeinsamen Geschichten, die die Bilder von Beckmann und Dix erzählen? Beide beschreiben sie die Grausamkeit des Krieges und die harte und zum Teil widersprüchliche Realität der Zwischenkriegsjahre. Sie beschreiben paradoxe Situationen im Stadtleben wie das Aufeinanderprallen der Nachwirkungen des Krieges mit dem ignoranten und verschwenderischen Amüsiergehabe der Reichen. Besonders eindrucksvoll zeigt dies Otto Dix’ „Großstadt“-Triptychon, das leider verschollen ist, von dem die Ausstellung allerdings eine Darstellung in Form einer Leuchtwand zeigt.
Auch ihre eigenen Biographien lassen sich in den Geschichten ihrer Bilder wiederfinden. Der Frontsoldat Dix und der Sanitäter Beckmann zeigen die schockierende Härte des ersten Weltkrieges. Beide verkehren zum Teil in ähnlichen Kreisen und werden von gleichen Förderern geprägt. Dennoch zeigen gerade die Porträts dieser Personen die konzeptionellen Unterschiede der Künstler. Otto Dix legt hier Wert auf ein exaktes – wenn auch teilweise überzeichnetes – äußeres Erscheinungsbild. Max Beckmann malt die Porträts dagegen häufig aus der Erinnerung und aus seiner eigenen Sichtweise. Die Auswirkungen des Nationalsozialismus zeigen sich bei beiden Künstlern, da ihre Werke als „entartet“ gewertet wurden. Beide verlieren ihre Anstellungen und während Beckmann tatsächlich nach Amsterdam emigriert, vollzieht Dix eine „innere Emigration“, indem er seinen Stil und seine Themen anpasst.
Die Ausstellung erweckt nicht den Eindruck einer Gegenüberstellung zweier Künstler, die zufällig zur gleichen Zeit gelebt haben. Vielmehr wird auf allen Ebenen ein ständiges sich Annähern und Entfernen der beiden Maler deutlich. Die Kunsthalle Mannheim zeigt diese Überschneidungen der Künstler, indem sie keine stringente historische Aufteilung der Werke vornimmt, sondern Themenräume schafft. Einer von diesen zeigt beispielsweise verschiedene Werke beider Maler zum Ersten Weltkrieg. Persönlich sind sie sich nie begegnet, aber die Gemeinsamkeiten in ihrer Kunst machen die Ausstellung stimmig und die Unterschiede in ihren Biographien sie interessant.
Sowohl die Anzahl der ausgestellten Gemälde und Zeichnungen als auch die verschiedenen wichtigen biographischen und historischen Hintergründe der Maler tragen dazu bei, dass man ein leichtes Gefühl der Überforderung beim Verlassen der Ausstellung mitnimmt. Es gibt wenige Ausstellungen die einen auf diese Weise beschäftigen und faszinieren. Es ist vielleicht auch diese Überforderung, die zum Wunsch führt, die Ausstellung ein zweites Mal zu besuchen. Und so lässt sich letztlich sagen: Schön? Nebensächlich. Sehenswert? Unbedingt!
von Jan Enders