Im Rahmen ihrer „The-Unkown-Tour“ gab sich die gebürtige Brasilianerin Dominique Dillon de Byington, Künstlername Dillon, im Heidelberger Karlstorbahnhof die Ehre. Bewaffnet mit riesigem Scheinwerfer, Keyboard plus Mikrofon stellte sie ihr neues Album „The Unknown“ vor ohne dabei ältere Stücke aus ihrem Debütalbum zu vernachlässigen.
Ein bisschen Verspätung hat sie im Gepäck, der Stimmung im vollgepackten Saal des Karlstorbahnhofs tut dies kein Abbruch. Als das Licht erwartungsvoll gedimmt wird, ist die allgemeine Vorfreude greifbar. Während das Publikum noch vom großen Scheinwerfer im Rücken der Sängerin und Pianistin Dillon geblendet ist, beginnt ohne größere Einleitung auch schon die erste Nummer.
Es fällt schwer, die Musik Dillons in ein vordefiniertes Genre einzuteilen. Sowohl die instrumentale Untermalung als auch die Stimme, der in Deutschland aufgewachsenen Künstlerin, sind ungewöhnlich, wirken stolz darauf, sich allgemeinen Mainstreamtrends zu entziehen. Auch an diesem Abend entfaltet sich die kratzige, mitunter gebrechlich wirkende Stimme begleitet von elektronischen Beats. Während der Scheinwerfer im Hintergrund verschiedene Helligkeitsstufen und Lichtformen durchläuft, bleibt Dillons Gesicht betont im Schatten und sie selbst zumeist am Keyboard. Ob das nun Schüchternheit, Imagebewusstsein oder die Absicht ausdrückt, das Publikum möge sich allein auf die Musik konzentrieren, bleibt ihr Geheimnis. Allgemein gibt sich die Sängerin wortkarg, selten spricht sie mit den Zuschauern. Die unkommentierten Pausen zwischen den Liedern, ehe der nächste Song typischerweise mit unpassenden elektronischen Störgeräuschen eingeleitet wird, wirken etwas fehl am Platz. Eine geborene Unterhalterin ist sie nicht, will sie aber scheinbar auch nicht sein. Es ist eine weitere Eigenart, die von ihren Anhängern wohlwollend entgegengenommen wird und ein Charakterzug, der zu ihren stark individuellen Liedern passt.
Umso größer ist dann auch die Freude, als sie die Sicherheit hinter ihrem Keyboard verlässt, sich in der Mitte der Bühne positioniert, teilweise mit dem Rücken zum Publikum. Diese fein gestreuten Momente gehören zu den Höhepunkten des Abends. Möglicherweise gerade dadurch, dass sie sich den Blicken des Publikums zum größten Teil entzieht, wird der gemeinsam mit den Besuchern vorgetragene Gesang ihres bekannten „Tip Tapping“ euphorisch aufgenommen. Auf Dillons Kommando stimmt der Saal ein, Textunsicherheiten hört man keine und der Gesang des Publikums wirkt erstaunlich melodisch.
Es sind ihre alten Lieder, die am besten ankommen. Die Sehnsucht nach ihrem Alexander in „You Are My Winter“ und das mittlerweile weltbekannte „Thirteen Thirtyfive“ werden ähnlich überschwänglich gefeiert. Gemäß ihrem Lied „Contact us“ folgen viele Anwesende auch ihrer Drohung „if you don´t dance I don´t sing“. Wer nicht zumindest in kleinen Kreisen auf der Stelle hin- und herschwankt, der hält dennoch seinen Blick starr fixiert auf die Bühne. Es ist eine Eigentümlichkeit und Schrulligkeit, die auf die Fans wirkt.
Das eigentliche Ziel der „The-Unknown-Tour“ ist dann aber doch die Vermarktung des neu ausgekoppelten, gleichnamigen Albums. Die schwermütige Ballade „A Matter of Time“ bleibt am Prägnantesten im Gedächtnis. „You Cover Me“, „Don´t Go“ und weitere vorgetragene Lieder aus ihrem neuesten Werk, wirken weniger eingängig. Das eingefleischte Publikum bleibt überzeugt, begegnet ihnen aber mit Zurückhaltung. Es sind keine Lieder, die man beim ersten Hören greifen kann, die sicher vielen auch nach längerem Hörgenuss nicht verständlich werden. Das neue Album mutet wie ein weiteres Experiment an. Ob es sich auszahlt und ähnlichen Anklang wie ihr Debütalbum „This Silence Kills“ ernten wird, bleibt abzuwarten.
So wie das vom Scheinwerfer inszenierte Licht- und Schattenspiel, so hat auch der Auftritt Dillons am Ende viel Licht aber auch Schatten. Es ist keine Musik für Jedermann und Jedefrau, die im Karlstorbahnhof geboten wurde. Dillons Musik hebt sich provokant vom belanglosen, widerlich anschmiegsamen Popbrei ab, bietet aber auch einige wenige Abfahrten ins Exzentrische. Ob nun altes oder neues Lied, die Stimme der Künstlerin bleibt jedoch einzigartig. Es ist Musik für solche, die gerne Neues hören und sich bei bislang Dagewesenem schnell langweilen.
Arne Schoch