Es gibt Bands mit goldenem Händchen: Durch einen eingängigen Sommerhit-Ohrwurm praktisch über Nacht international bekannt geworden verdienen sie sich anschließend dank geschickter Vermarktung und aufwendig produziertem Easy Listening eine goldene Nase.
Egotronic gehört nicht zu diesen Bands. Ganz im Gegenteil: Bereits seit 2001 ist die Berliner Formation um Frontmann Torsun Burkhardt aktiv, doch einer der wenigen überhaupt auffindbaren Berichte über die Band – aus dem Archiv der TAZ – ist so alt, dass darin Youtube erklärt und Myspace (ja, Myspace!) noch mit Anführungsstrichen geschrieben wird. Dass die Band nie den großen Durchbruch geschafft hat, liegt sicher auch an ihrer klaren politischen Positionierung: Die Band steht der vom Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuften Bewegung der „Antideutschen“ nahe, und das hört man ihrer Musik oft an. Dennoch, beziehungsweise genau deswegen, haben sich Egotronic in den letzten zehn Jahren und mit bereits fünf veröffentlichten Alben in linken und alternativen Kreisen als feste Szenegröße etabliert. Auf ihrem Hamburger Label Audiolith erschien nun am 14. März. ihr sechstes Album „Die Natur ist dein Feind“.
Auf diesem zeigt sich der Sound der Band gewandelt: Hatten Egotronic bisher vor allem Elektropunk produziert, so klingt das neue Album wesentlich analoger: Weniger Elektro, mehr Punk. So beschreibt die Band auf ihrer Webseite ihre programmatische Wende und tatsächlich sucht man harte, tanzbare Electrobretter wie „Raven gegen Deutschland“ auf dem neuen Album darum vergeblich. Stattdessen klingen Songs wie „Edwin Van Der Saar“ trotz schrammeliger Gitarrenriffs fast brav. Ein bisschen wie die Toten Hosen. Und langweilig. Denn so sympathisch die Kritik an der Band „Frei.Wild“ im Song „Die Band der Vollidioten“ auch ist, genau hier liegt das Problem des neuen Albums. Bislang füllte Egotronics Electropunk eine Nische. Mit ihrem Stilwandel begibt sich die Band jedoch in ein neues Metier, das andere, bekanntere Bands wesentlich besser beherrschen. Am interessantesten gestalten sich noch Songs wie „Das Glücksversprechen“, der am ehesten am bisherigen Stil Egotronics anknüpft: Zu treibenden Beats singt sich Torsun den Frust über die leeren Versprechungen der Mehrheitsgesellschaft aus dem Leib. Ansonsten jedoch klingt „Die Natur ist dein Feind“ über weite Strecken wie eine Musik gewordene Midlife-Crisis.
Tatsächlich sind Egotronic nicht mehr die Jüngsten. So wäre es der Band zu wünschen, dass sie in den kommenden Jahren reift- und ihr nicht schlicht die Luft ausgeht. Ob ihr das gelingt, wird auch das nächste Album zeigen.