Am 6. Mai erschien das neueste CHE-Hochschulranking, bei dem 250.000 Studenten die Studienbedingungen ihrer Hochschule bewertet haben. Kann das Ranking als Entscheidungsgrundlage für den Studienort dienen oder gibt es künstlich Vergleichbarkeit vor? Nein, sagt Stephan Lessenich, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und Professor für Soziologie an der Universität Jena.
An der Uni Jena sitzen SoziologInnen und JuristInnen Seite an Seite – jedenfalls räumlich. Verlasse ich dort mein Büro, dann sehe ich wenige Türen weiter ein Plakat hängen, von dem mich mit durchdringendem Blick eine Eule ansieht. „Das CHE-Ranking steht an!“, erfahren die Studierenden, die hier auf die Sprechstunde eines Kollegen warten – und dass es dabei um eine „verdammt ernste“ Sache geht: nämlich um die Platzierung der Jenaer Rechtswissenschaften in jener Rangliste, die – im Zeichen der Eule – regelmäßig vom Gütersloher Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) der Bertelsmann-Stiftung erhoben und im Studienführer veröffentlicht wird.
Die vom CHE durch Vermittlung der Universitätsverwaltung kontaktierten und zur Bewertung ihres Studiengangs aufgeforderten Jenaer KommilitonInnen werden hier ganz unverblümt zu einem strategischen Verhalten aufgerufen, um „ihrem“ Fachbereich beim nächsten Ranking zu „helfen, nach vorne zu kommen“ – „2011 haben wir dabei nur den Rang neun erzielt“. Nun, da sollte doch mehr drin sein, auch im Interesse der Studierenden selbst: „Denn Dein Abschluss ist so angesehen wie Deine Fakultät.“
Wie auch immer man die Wirkung dieser Werbeaktion einschätzen mag: Sie ist beredter Ausdruck jener Wettbewerbslogik, die (unter anderem) mit dem CHE-Ranking an den deutschen Hochschulen Einzug gehalten hat. Gerne reklamiert das CHE öffentlich die „Demokratisierung des Rankings“ für sich, weil es bei ihm, anders als bei weltweiten Universitätsranglisten, maßgeblich die Studierenden selbst sind, die durch ihre Qualitätsurteile die in Gütersloh berechnete Trennung in „gute“ und „schlechte“ Lehrleistungen an deutschen Hochschulen herstellen.
Und man mag es für einen Ausweis gelebter Demokratie halten, wenn die Studierenden die CHE-Befragung zur (vermeintlichen oder tatsächlichen) Wertsteigerung ihrer Studienabschlüsse nutzen – derselben Logik folgen sie ja auch, wenn sie eine aus dem bundesweit inszenierten „Exzellenzwettbewerb“ als Sieger hervorgegangene Universität als Studienort wählen. Nur: Wieviel der Titel „Exzellenzuni“ oder die Positionierung eines Studiengangs in der „Spitzengruppe“ des CHE-Rankings tatsächlich über die Güte von Forschung und Lehre in Heidelberg, Jena oder anderswo aussagen, ist durchaus fraglich.
Und dies keineswegs nur wegen möglicherweise aus Eigeninteresse verzerrter Qualitätsurteile. Auch wenn Studierende nach bestem Wissen und Gewissen an die CHE-Befragung herangehen, stellt sich die Frage nach der Vergleichbarkeit subjektiver Zufriedenheitsurteile von Studierenden an unterschiedlichen „Standorten“ (so die nicht zufällig aus wirtschaftspolitischen Debatten übernommene Bezeichnung für wissenschaftliche Bildungseinrichtungen). Hat zum Beispiel das Urteil von Soziologiestudierenden, die Methodenausbildung an Institut A sei „sehr gut“, eine gewisse (wenngleich in solcher Pauschalität begrenzte) Aussagekraft, so erscheint es zugleich wenig sinnvoll, diesen absoluten Zufriedenheitswert mit jenem von Institut B, an dem das entsprechende studentische Urteil „mittelmäßig“ oder „schlecht“ lautet, in ein Rangverhältnis zu setzen. Denn vielleicht fänden die Studierenden an Institut B die ihnen dort angebotene Methodenlehre ja doch relativ „gut“, wenn sie – wie etwa nach einem Auslandssemester – die „sehr gute“ Lehre an Institut A selbst kennen würden und als Maßstab an ihre Bewertung der Lehre vor Ort anlegen könnten.
Eine solch unmittelbare Vergleichsmöglichkeit haben die Studierenden aber bekanntlich nicht – was unproblematisch wäre, wenn es nur, wie bei hochschulinternen Lehrevaluationen üblich, um die Einschätzung und Verbesserung der lokalen Studien- und Lehrsituation ginge. Doch das CHE-Ranking will mehr – oder vielmehr etwas anderes. Denn letztlich geht es genau darum, die Möglichkeit eindeutig belegbarer Qualitätsdifferenzen zu suggerieren – und als Weg zur Qualitätsverbesserung, wie in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen mit durchaus zweifelhaftem Erfolg üblich, die Parole „mehr Wettbewerb“ auszugeben. So schließt sich dann der Kreis: Das Wettbewerbsinstrument des Rankings verlangt nach einer Intensivierung des Wettbewerbs, den am Ende die Studierenden zu spüren bekommen werden – wie auch immer sie „ihre“ Universität bewerten.