Hamed Abdel-Samad ist Deutsch-Ägypter, studierte Politik in Deutschland und wurde vom Moslembruder zum Islamkritiker. In seinem Buch „Der islamische Faschismus“ übt er grundlegende Islamkritik und benennt erschreckende Parallelen zwischen faschistoidem und islamistischem Gedankengut (siehe „Islamkritik – Keine Phobie“). Dabei arbeitet er heraus, dass diese Schnittmengen nicht in einem bloßen Missbrauch des Islams zu sehen sind. Der Islam hat diese Parallelen von Anfang an. Das Echo auf sein Buch war vielfältig. Zeitungen wie Frankfurter Allgemeine Zeitung oder die Zeit lobten es. Andere Leitmedien wie die Süddeutsche Zeitung kritisierten es. Was Hamed Abdel-Samad selbst über sein Buch denkt, sein Verhältnis zur Religion, die Lage des Islams in Deutschland, erklärte er am 8. Mai im Interview. Zum Abschluss des Gesprächs äußerte sich Hamed-Abdel Samad zur aktuellen Lage in Ägypten.
Herr Abdel-Samad, Ihr Buch wurde aus allen Lagern sowohl gelobt als auch kritisiert. Wie beurteilen Sie es selbst?
Es gibt durch mein Buch eine Debatte. Das muss ein Buch leisten. Mein Buch ist nicht der Koran und enthält keine absoluten Wahrheiten. Es enthält nur meine Analyse und Sicht der Dinge. Man darf dabei das Wort Analyse nicht überhöhen. Der Analytiker kann sich nicht von seinem Menschsein, von seinen Erfahrungen, Begegnungen und seinem Vorwissen lösen.
Sind sie liberaler Muslim, Agnostiker oder Atheist?
Weder noch. Ich definiere mich weder positiv noch negativ über die Religion. Ich bin unter anderem ein Kulturmoslem. Darin bin ich aufgewachsen. Dazu gehören meine Kindheitserinnerungen, meine Erziehung und wie ich mit Menschen spreche. Es gibt viele Aspekte in dieser Kultur, die nach wie vor für mich von Bedeutung sind. Dazu gehören die sozialen und spirituellen Aspekte, die ich kennenlernte, als ich den Sufis näher kam. Jemand der sich als Atheist bezeichnet, meint die endgültige Wahrheit zu kennen. Das kann ich von mir nicht behaupten. Ich bin ein Mensch, der ständig auf der Suche ist, und das reicht.
„Mohammed war kein Faschist“
Was ist für Sie das Grundproblem des Islams?
Der Islam war sehr früh politisch erfolgreich. Er regelt das gesamte gesellschaftliche und politische Leben. Die Lösungen, die Mohammed für viele gesellschaftspolitische Fragestellungen damals gefunden hat, sind kreativ für diese Zeit. Es war damals notwendig und im historischen Kontext nicht bösartig. Frauen haben zum Beispiel teilweise Rechte bekommen. Ich habe niemals gesagt, dass Mohammed ein Faschist ist. Man kann mit den Maßstäben von heute nicht einen Menschen oder ein Buch aus dem 7. Jahrhundert beurteilen. Aber das Problem ist, dass der Koran und der Prophet jetzt im 21. Jahrhundert politische Kontrolle und Macht einfordern. Die Gesetze sollen sich nach ihnen richten. Wenn das geschieht, dann muss man die Maßstäbe von heute ansetzen. Dann kann eben nicht die Rede von Menschenrechten und Gleichberechtigung sein. Mohammed hat 600 Juden hinrichten lassen. Nach heutigen Maßstäben ist das ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die zeitlose Unantastbarkeit des Korans und des Propheten sind das Grundproblem des Islams.
Werden dem Menschen Mohammed im Islam überhaupt noch Fehler zugestanden?
Nein, Mohammed darf noch nicht einmal mehr Mensch sein im Islam. Er wird überhöht. Wer Gotteslästerung betreibt, kann Reue zeigen und ihm wird verziehen. Aber wer den Propheten beleidigt, wird trotz Reue hingerichtet.
Welche Rolle spielt die Erziehung im Islam?
Man sagt den Kindern von klein auf, alles im Koran und was der Prophet gesagt hat, ist das einzig Wahre. Man kann aber nicht alles im Koran ernst nehmen und dann vorbehaltlos gegenüber allen anderen Menschen offen sein. Wenn jemand Schweinefleisch isst, reicht das schon aus, um eine soziale und moralische Mauer zwischen den Menschen aufzubauen. Es gibt viele Muslime, die diese skeptischen Teile einfach neutralisieren und sagen, dass sie sich hier zurechtfinden müssen. Es gibt aber viele, die immer wieder zu diesem Welt- und Menschenbild zurückkehren. Das erleben wir ständig in der Schule. Ich spreche oft an Schulen und sehe, wie gehirngewaschen viele muslimische Kinder sind. Sie können ihre Lehrerinnen nicht akzeptieren, weil sie Frauen oder ungläubig sind. So darf es nicht weitergehen. Man schadet mit dieser Mauer den eigenen Kindern, indem man ihnen dies vermittelt.
Wieso werden dann aber hierzulande liberale Muslime politisch wenig wahrgenommen?
Wenn die konservativen Islamverbände mehrere zehntausend Mitglieder und Anhänger haben und die liberalen 150 bis 300, sind sie für die Politik keine legitime Vertretung. Die Islamverbände sprechen für 15 Prozent bis 25 Prozent. Das ist immer noch nicht die Mehrheit. Aber das ist die größte Minderheit. Und genau darin besteht das Problem: Liberale Muslime möchten keine Politik als Muslime betreiben. Aber die Islamverbände schicken Menschen als Gruppen in die Parteien, um sie zu unterwandern. Die Politiker wollen eigentlich gleichgültig bleiben. Wer sich zuerst organisiert, ist dann direkt ihr Ansprechpartner. Das ist aber falsch.
„Deutschland ist nicht bereit für einen liberalen Islam“
Sie schreiben in Ihrem Buch, dass wegen des Staatskirchenvertrages und dem damit verbundenen Bekenntnisunterricht konservative Islamverbände auch Bekenntnisunterricht einfordern. Sind hier die Bedingungen für die Ausweitung eines liberalen Islams etwa noch gar nicht gegeben?
Deutschland ist im Vergleich zu Dänemark, Skandinavien oder Frankreich für einen liberalen Islam nicht säkular genug. Die Religion und besonders die großen Kirchen spielen hier in der Bildung, im Gesundheitswesen und in den Medien eine zu große Rolle. Das kann nicht sein. Die Islamverbände möchten die gleichen Rechte haben, haben aber nicht die gleiche Expertise. Sie sind nicht wie die großen Kirchen durch die Aufklärung gegangen. Sie wollen Einfluss auf den Islamunterricht haben, obwohl die meisten von ihnen Händler oder Ingenieure, aber keine Islamwissenschaftler sind. Sie wollen Wohlfahrtsverbände aufbauen, obwohl sie kein Geld haben, und möchten es vom Staat. Sie möchten Altersheime für Muslime bauen. So besteht die Gefahr, dass sie die gesamten Muslime im Griff haben. Die Kinder in der Schule und die Großeltern im Altersheim und die Gefängnisinsassen durch Seelsorge. Das vertieft die Islamisierung.
Wie viel Unterstützung erhalten Sie von den liberalen Muslimen?
Sehr viele teilen meine Meinung. Einige von ihnen sagen aber sogar, ich würde ihnen als Islamkritiker das Leben schwer machen. Das kann ich nicht verstehen. Ich erwarte von den liberalen Muslimen mehr Aktivitäten gegen die Salafisten und Islamverbände. Die konservativen Islamverbände dürfen keinen Alleinvertretungsanspruch gegenüber dem Staat kriegen.
„Die deutschen Islamverbände leben von der Kluft zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen“
Der Islamwissenschaftler Mouhannad Khorchide wurde für seinen Vorstoß von den Islamverbänden kritisiert, einen liberalen Islam auf Grundlage der Barmherzigkeit zu etablieren. Mit Blick auf den einzigen Vers, der in 113 von 114 Suren am Anfang steht, ist aber doch das möglich. Er lautet ja: „Im Namen Gottes des Barmherzigen.“
Das Problem der Islamverbände mit Khorchide ist der Kampf um die Deutungshoheit. Sie wollen sie behalten. Das zweite Problem ist, dass Khorchide die Kluft zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen schließen will. Genau von dieser Kluft leben die Islamverbände. Sie wollen eine Parallelgesellschaft ausbilden. Die deutschen Banken betreiben aus ihrer Sicht Zinswucherei, also sollen die Muslime zu den islamischen Banken gehen. Diese Abtrennung ist ihr Geschäft. Khorchide versucht diese Mauer einzureißen, damit die Muslime vorbehaltlos auf Nicht-Muslime zugehen. Das ist die letzte Chance, damit der Islam sich in Europa etablieren kann. Man muss eben auf den strafenden Gott verzichten und sich auf den barmherzigen Gott konzentrieren. Ich verspreche: Ich schreibe kein Wort mehr über den Islam, wenn Khorchide dieses Modell durchgesetzt hat. Dann bin ich überflüssig.
Der Zentralrat der Muslime behauptet in seiner Islamischen Charta, der Islam sei die Religion des Friedens. Zugleich behauptet er auch, der gesamte Koran und die Hadithe seien wortwörtlich wahr, inklusive des Genozid-Aufrufs an Juden, den sie an in Ihrem Buch zitiert haben. Lügt er bewusst?
Er versucht einen Spagat aufrechtzuerhalten. Er möchte auf nichts im Islam verzichten und gleichzeitig möchte der Zentralrat ein paar positive Teile der deutschen Öffentlichkeit so verkaufen, dass er seine Arbeit weiterführen kann. Wir müssen uns am Ende fragen: Was ist uns wichtiger? Frieden, Zusammenleben oder das Einfrieren aller Aspekte der Religion? Wenn einem der Frieden und das Zusammenleben wichtiger sind, dann muss man sich dazu eindeutig bekennen.
„Ich will mir kein Ägypten ohne den Islam vorstellen“
Welche positiven Seiten gibt es am gelebten Islam?
Ich will mir kein Ägypten ohne den Islam vorstellen. Die Religion leistet mindestens einen Beitrag für den sozialen Frieden. Dadurch drehen nicht alle durch und werden nicht Verbrecher. Trotz allem ist die Kriminalität in Ägypten geringer als in Brasilien. Da spielt der Islam eine Rolle. In solche Aspekte des Islams sollte man mehr investieren und sich von anderen lösen.
Wo geht in Ägypten die Reise hin?
Viele Menschen haben in Ägypten gelernt, dass ideologische Konzepte nicht ausreichen, um ein Land aufzubauen und zu reformieren. In zweieinhalb Jahren haben sie zwei Diktaturen gestürzt. Trotzdem gab es keine Demokratie. Sie haben gemerkt, dass sie sich weder von der Freiheit noch von der Scharia ernähren können. Ich hoffe, dass das zu Pragmatismus führt.
Welche Rolle spielt das Militär?
Das Militär wird nicht so leicht auf seine Privilegien verzichten, bis Gegenpole stark genug sind. Wie auch die katholische Kirche in Europa nicht. Erst nachdem die Aufklärung die Kirche in die Knie gezwungen hat, hat sich die Kirche reformiert. Es gab immer diesen Machtkampf zwischen den Islamisten und dem Militär in Ägypten. Es muss also eine dritte Kraft, eine demokratische Mitte geben. Sie hat bisher kaum Einfluss in der breiten Bevölkerung. General as-Sisi muss nun erst einmal etwas für die Wirtschaft und die Menschen tun. Er weiß ganz genau: Ägypten ist das einzige Land auf der Welt, in dem zwei Ex-Präsidenten im Gefängnis sitzen, die vorher extrem mächtig und arrogant waren. Sie wurden erst von den Massen bejubelt und dann von ihnen abgesetzt.
Ist Jordanien für Ägypten ein positives Beispiel? Dort ist der Protest abgeebbt und es gibt Reformen.
Ja, so hat auch Marokko seine Lektion gelernt im arabischen Frühling. Auch wenn die demokratische Opposition noch nicht stark genug ist, um die Macht mit ihm zu teilen, sollte der Herrscher den Weg dahin ebnen. Erst muss in Ägypten eine Zivilgesellschaft stark genug sein, um in einer Demokratie mit der Armee über die Privilegien zu verhandeln. Man kann nicht von heute auf morgen das Militär stürzen. Dann sind morgen die Muslimbrüder wieder an der Macht und noch brutaler als vorher.
Herr Abdel-Samad, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Ziad-Emanuel Farag
„Man kann mit den Maßstäben von heute nicht einen Menschen oder ein Buch aus dem 7. Jahrhundert beurteilen. Aber das Problem ist, dass der Koran und der Prophet jetzt im 21. Jahrhundert politische Kontrolle und Macht einfordern.“ Hamed Abdel Samad“
offene Brief an Hamed Abdel Samad:
Wie ist Islam in 21 Jahrhundert zu verstehen?
Würde Mohammad im 21 Jahrhundert auf die Welt kommen,
wie würde er jetzt den Kuran schreiben.
Wahrscheinlich wird er nicht Schweinefleisch verbieten, sondern die genmanipulierte Lebensmittel.
Die Salafisten und Islamisten machen an unsere Jugend Angebote, was ist unser Angebot?
Unser Angebot an die islamische Jugend sollte ein Hommage an Koran sein.
Wie sollte Islam in der 21. Jahrhundert in Demokratie und Ethik gelebt werden.
Der Islam kann nicht Wort wörtlich in 21 Jahrhundert gelebt werden,
sondern man muss den Islam auf unsere Zeit implementieren.
Herr Abdel-Samed Sie sind in der Lage diesen Wegweiser für tausende islamische Jugendliche in Deutschland sogar auf der ganzen Welt zu schreiben.