Max Webers Geburtstag jährte sich kürzlich zum 150. Mal. Der Soziologe ist eng mit der „Polis der Gelehrten“ verbunden.
Der „Mythos von Heidelberg“ hat seinen Ursprung in der Ziegelhäuser Landstraße 17. Im berühmten „grünen Salon“ des ehrwürdigen Wohnhauses Max Webers kam zwischen 1903 und 1918 der geballte Heidelberger Intellekt zu regelmäßigen Gesprächsrunden, den sogenannten „Jours Fixes“, zusammen. Unter den illustren Gästen waren unter anderem Politiker und Geistesgrößen wie Theodor Heuss, Karl Jaspers und Georg Simmel vertreten.
Wer das Max-Weber-Haus heute besucht, findet das Internationale Studienzentrum der Ruperto Carola vor. Hier erinnern die Namen der Seminarräume an Max und seine Ehefrau Marianne Weber sowie an frühere Bewohner des Hauses.
Doch auch an anderen Orten kann man sich auf Spurensuche begeben. So ist das Soziologische Institut der Universität nach ihm benannt. In den Lehrplänen, Veranstaltungen und Veröffentlichungen des Max-Weber-Instituts spielt der Gelehrte eine zentrale Rolle. Hier wurde außerdem die historisch-kritische Max-Weber-Gesamtausgabe konzipiert und teilweise realisiert. Diese umfasst private Briefe, Hochschulschriften und Teile seines weltberühmten Werks „Wirtschaft und Gesellschaft“ und wird von den inzwischen emeritierten Heidelberger Professoren Rainer Lepsius und Wolfgang Schluchter mitherausgegeben.
Schluchters Nachfolger auf dem Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie mit dem Schwerpunkt Soziologische Theorie, Thomas Schwinn, teilt dessen Begeisterung für Max Weber, den er als „echtes Heidelberger Exzellenzprodukt“ bezeichnet. Tatsächlich war Weber einer der einflussreichsten Denker des Deutschen Kaiserreichs und ist heute der meistgelesene Soziologe. „Es gibt keinen anderen Sozialwissenschaftler, vielleicht sogar Geisteswissenschaftler, der so große internationale Aufmerksamkeit erhalten hat“, meint Schwinn.
Allerdings stand Weber in den Nachkriegsjahren nicht im Fokus der Sozialwissenschaftler. Erst „in den Siebziger Jahren kam dann der Umschlagspunkt – simultan zum Niedergang des Marxismus, dessen analytische Möglichkeiten sich als zu begrenzt erwiesen.“ Er hatte sich gegen Marx gewendet, der den Kapitalismus als universelles Phänomen wahrnahm. Weber hingegen schuf mit seinem monumentalen Werk „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ eine Erklärung für die einzigartige Entwicklung dieses Wirtschaftssystems im Okzident. Auch wenn Weber heute hauptsächlich als Soziologe berühmt ist, war er vielseitig gebildet. Er studierte Jura, Philosophie, Geschichte und Nationalökonomie unter anderem in Heidelberg, wo er Mitglied der Studentenverbindung Allemannia war.
Nach Stationen in Berlin und Freiburg wurde er 1897 Professor in Heidelberg. Nebenher war er politisch engagiert. „Weber hat sich nie in seinem Elfenbeinturm verbarrikadiert, sondern war auch immer an aktuellen Themen interessiert“, erläutert Schwinn. Seine Lehrtätigkeit musste er aufgrund einer Nervenerkrankung schon im Jahre 1899 aufgeben und publizierte fortan als Privatgelehrter.
Depressionen, exzessiver Alkoholkonsum und Medikamentensucht machten ihn zeitweise pflegebedürftig und abhängig von seiner Ehefrau. Doch sie war nicht die einzige Frau in seinem Leben. Er hatte Liebschaften mit Mina Tobler, einer Schweizer Pianistin, und Else Jaffé, der Ehefrau eines Kollegen, mit der auch schon sein Bruder Alfred ein Verhältnis unterhalten hatte. Die drei Frauen fanden sich im selben Altenheim wieder. Sie alle hatten Max Weber überlebt, der selber nur 56 Jahre alt wurde.
Webers Lebensdaten sind nicht an Heidelberg geknüpft. Er wurde in Erfurt geboren und starb in München. Doch sein Leben als Wissenschaftler und Intellektueller fand in Heidelberg statt. Alle Werke, die ihm Weltgeltung verschafft haben, sind hier entstanden. So ist es nur konsequent, dass er seine letzte Ruhestätte auf dem Heidelberger Bergfriedhof gefunden hat – nur zweieinhalb Kilometer Luftlinie von seinem Wohnhaus entfernt.
von Antonia Felber