Am vergangenen Sonntag trat „Ok Kid“ in der Alten Feuerwache in Mannheim auf. Die Gießener Band sorgte mit heißen Beats, hohem Tempo und klugen Texten für gute Stimmung.
Gut einen Monat später als ursprünglich geplant, aber dafür umso energiegeladener, brachte die Progressive-Pop-Band „Ok Kid“ am Sonntagabend die Alte Feuerwache zum Beben. Eingestimmt wurden die Zuhörer von der kölnischen Vorband Vimes, die mit sphärischen, hypnotischen Klängen und einer Mischung aus elektronischer und analoger Musik aufwartete. Da „Ok Kid“ einen Unfall hatte, musste das ursprünglich für Anfang April geplante Konzert auf den 25. Mai verschoben werden.
Dicht an dicht drängt sich das junge Publikum vor der Bühne. Die fiebrig-erwartungsvolle Atmosphäre ist greifbar. Als die ersten Töne von „Graue Stadt ohne Meer“ erklingen und die Band die Bühne betritt, beginnen die Zuhörer zu toben. Der Song ist eine Hommage an die Herkunftsstadt der Band, Gießen, sowie an ihre Wahlheimat, Köln. Scheinbar hässliche Städte, die jedoch durch ihre eigenen, unverwechselbaren und unverzichtbaren Energien pulsieren. Diese Liebeserklärung an eine glanzlose, graue Stadt hätte ebenso gut an Mannheim gerichtet sein können und wird entsprechend mit Begeisterung gefeiert.
Es folgt ein lebendiges, nahezu explosives Konzert. Texte werden geschrien, gebrüllt, zerknüllt, zerrissen, zerbissen, ausgespuckt, und allen Anwesenden mit fetten Beats um die Ohren gehauen. Grandios! Dabei wechseln sich kluge, schnelle Passagen mit eingängigen, zum Mitsingen geeigneten Refrains ab.
Besonders beeindruckt die musikalische Vielfalt. Während sich auf dem Album die Songs stilistisch doch sehr ähneln, werden sie auf der Bühne völlig neu entfaltet. Ob sie nun einfach durch veränderte Tempi neuen Charakter gewinnen (Mehr, Mehr) oder völlig zerstückelt und zerhackt und neu zusammengebaut werden (Einsatz) – Mut zur Veränderung, der sich gelohnt hat.
Die Themen, die Ok Kid in Musik verpackt, sind schon dem Bandnamen zu entnehmen. Es wird ein Bild der Ohnmacht einer orientierungslosen, jungen Generation gezeichnet, die in der Luft hängt und sich vor Verpflichtung und Verantwortung scheut. Alles ist irgendwie okay, man lebt in Luxusproblemen, keiner will verbindlich Position beziehen. Dennoch sucht man rastlos nach einem unbestimmten „Mehr“, nach Intensität und Individualität.
Neben altbekannten Songs des ersten Albums werden auch Einblicke in neue Werke der bald erscheinenden EP „Grundlos Glücklich“ gewährt. „Grundlos Glücklich, Grundlos Sein“ – es klingt vielversprechend.
Es ist ein Abend zum Sich-fallen-lassen, zum Vergessen, zum Rausschreien, zum Frei sein.
Schade nur, dass das überwiegend junge Publikum im Schüleralter sich auf die Details und Vielfalt der Musik nicht einlassen will oder kann. Stattdessen werden in pubertärer Manier inmitten von Songs unrhythmisch Sprechchöre eröffnet, Menschen durch die Gegend geschubst, gequatscht und High-fives verteilt. Immerhin mit Begeisterung. Der Merchandising-Stand muss nach dem großen Ansturm des Abends vermutlich Nachbestellungen aufgeben.
von Christina Deinsberger