Die afrikanische Hochschullandschaft hat Zukunft und das Interesse an Partnerschaften und Austauschprogrammen steigt. Auch in Heidelberg?
Das Infozimmer des Dezernats Internationale Beziehungen der Universität Heidelberg ist die erste Anlaufstelle für Studierende, die Interesse am Auslandsstudium haben. Neugierige finden dort umfangreiche Informationen zu mehr als 450 Austauschprogrammen und Partnerschaften, welche die Uni mit Partnerhochschulen in aller Welt verbinden. In aller Welt? Nein. Denn ein Kontinent fehlt auf der Landkarte der Heidelberger Hochschulkooperationen: Afrika.
„Mit 54 Nationen, Hunderten von Sprachen und einer außerordentlichen ethnischen und biologischen Vielfalt birgt der afrikanische Kontinent eine wahre Fülle an Wissen und Erfahrung.“ So beschreibt es die Webseite von „Go out!“, einem gemeinsamen Programm zur Förderung des akademischen Austauschs vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung. Und weiter: „Ein Auslandsaufenthalt an einer afrikanischen Universität erweitert die eigene Vorstellung von Kultur und Gesellschaft und hilft dabei, die Herausforderungen in einer globalisierten Welt besser zu verstehen.“
In der Tat ist das öffentliche Interesse an Afrika in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Auch die Wahrnehmung des Kontinents scheint sich zu wandeln: Trotz zahlreicher politischer und ethnischer Konflikte, die viele Länder nach wie vor heimsuchen, wird Afrika im Zuge der Globalisierung immer stärker als Partner gesehen. Die positiven politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen relativ stabiler Demokratien wie Botswana oder Ghana geben außerdem zunehmend Anlass zur Hoffnung, dass sich künftig immer mehr Länder aus ihrer postkolonialen Malaise befreien könnten.
Auch im Hochschulsektor machen sich diese Entwicklungen mittlerweile bemerkbar: Einige afrikanische Universitäten zählen zu den besten der Welt. Die südafrikanische University of Cape Town beispielsweise platziert sich im aktuellen Times Higher Education Ranking auf Rang 126 und damit vor der Universität Münster oder dem Karlsruher KIT. Die ebenfalls südafrikanische University of Witwatersrand rangiert gemeinsam mit TU Darmstadt und Uni Würzburg zwischen den Rängen 225 bis 250.
Entsprechend wird das wissenschaftliche Potenzial afrikanischer Universitäten hierzulande wahrgenommen: Im Rahmen des Programms „Welcome to Africa“ fördert der DAAD den Austausch von Studenten und Wissenschaftlern sowie die Einrichtung von Forschungskooperationen zwischen deutschen und afrikanischen Universitäten. Derzeit beinhaltet das Programm elf Projekte deutscher Hochschulen mit afrikanischen Partnern, darunter Projekte in den Bereichen Chemie, Pädagogik oder Computerlinguistik. Im Rahmen seiner Initiative „African Excellence“ fördert der DAAD überdies fünf Fachzentren in Ghana, Tansania, Namibia, Südafrika und der Demokratischen Republik Kongo. In diesen Zentren, die sich unter anderem der Rechts- und Finanzwissenschaften widmen, soll eine künftige afrikanische Führungselite ausgebildet werden.
Laut Joachim Gerke, Leiter des Dezernats Internationale Beziehungen der Uni Heidelberg, zeichnet sich hier ein Trend ab. Oftmals seien neue Kooperationsprogramme mit staatlicher Unterstützung Vorboten einer intensiven Zusammenarbeit. Habe der Schwerpunkt akademischen Austauschs traditionell eher in Europa und dem angelsächsischen Raum gelegen, hätte sich das Interesse in den letzten Jahren zusehends in Richtung Asien und Lateinamerika verschoben. Über den dortigen Boom sei Afrika auch bei den Studierenden ein wenig ins Hintertreffen geraten. Doch mittlerweile scheine das Interesse an Afrika wieder zu erwachen.
Auch die Universität Heidelberg sei auf Fachebene durchaus bereits an einigen gemeinsamen Projekten mit afrikanischen Einrichtungen beteiligt. So bestünden unter anderem in der Ägyptologie und der Islamwissenschaft, aber auch der Pharmazie und der Tropenmedizin, einzelne Kontakte zwischen Wissenschaftlern.
Insbesondere das Institut für Public Health kooperiere intensiv mit afrikanischen Partnern. Dieses sei am Aufbau eines Studiengangs in Public Health an der Universität Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos, beteiligt und unterhalte in Nouna, ebenfalls in Burkina Faso, ein Forschungszentrum. Weiterhin bestehe ein Austausch in Public Health und medizinischer Lehre mit der Universität Gondar in Äthiopien. Von derartigen Programmen profitieren beide Seiten gleichermaßen.
Umso erstaunlicher erscheint es, dass die Universität Heidelberg bislang keine Austauschprogramme mit afrikanischen Hochschulen unterhält. Auf die Frage nach dem Warum verweist Gerke auf zwei Faktoren: Einerseits müsse darauf geachtet werden, dass die akademische Qualität der Gasthochschule den deutschen Standards vergleichbar sei, damit dortige Leistungen auch angerechnet werden könnten. Andererseits trage die Universität eine Verantwortung für die Sicherheit ihrer Studierenden, sodass auch eine gewisse politische Stabilität in den Partnerländern gewährleistet sein müsse.
So war beispielsweise eine Kooperation mit der German University Cairo geplant, die jedoch in der Folge des arabischen Frühlings zunächst verschoben wurde. Derzeit sei man vor allem in Südafrika auf Partnersuche, so zum Beispiel in Kapstadt und in Stellenbosch. Auch in Nordafrika gebe es Möglichkeiten zur Kooperation. Allerdings entwickelten sich Austauschprogramme oftmals langfristig aus Forschungskooperationen. Trotz zunehmendem studentischen Interesse könnte es also durchaus noch eine Weile dauern, bis die ersten Heidelberger Gaststudenten für ein Auslandssemester nach Afrika gehen.
Nichtsdestotrotz gibt es auch jetzt schon Möglichkeiten, im Rahmen des Studiums ein afrikanisches Land kennen zu lernen. Mediziner können ihr Praktisches Jahr in Afrika leisten. Für Entschlossene besteht außerdem die Möglichkeit einer Bewerbung auf ein Promos-Stipendium, welche die Universität aus Mitteln des DAAD vergibt. Diese fördern Studienaufenthalte und selbst organisierte Praktika, beispielsweise in öffentlichen Institutionen oder NGOs, weltweit. Und auch eine Bafög-Förderung für selbstorganisierte Auslandssemester in Afrika ist möglich. Letztlich gilt also: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Ein Studium sollte nicht nur auf das Erlangen von Fachkenntnis abzielen, sondern auch persönliches Wachstum ermöglichen. Das bedeutet auch, die eigenen Grenzen auszutesten und zu erweitern, die eigenen Vorstellungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu revidieren und die Lücken auf der eigenen geistigen Landkarte zu füllen. Insofern kann ein Auslandssemester in Afrika eine wichtige Erfahrung darstellen. Für die Zukunft bleibt daher zu hoffen, dass die Kooperationen und Partnerschaften der Universität Heidelberg weiter ausgebaut werden und neue Räume für interkulturelle Begegnungen geschaffen werden. Denn Afrika ist zu groß und zu vielfältig, um vergessen zu werden.
von Paul Eckartz