Die zukünftige Finanzierung von Universitäten und Fachhochschulen ist ungewiss: Eine Nachfolgeregelung des Solidarpakts steht aus.
„Schluss mit dem Gelabere, wir wollen endlich Taten sehen!“, ruft Bernhard Eitel in den Hof der Neuen Universität. Gut 2000 Universitätsangehörige sind dem Aufruf des Rektors gefolgt: Laut klatschend und pfeifend protestieren sie am 21. Mai für eine bessere Finanzierung der Universitäten. Zuvor machten Eitel und die anderen Rektoratsmitglieder in Vorlesungen auf die immer prekärer werdende finanzielle Lage der Uni Heidelberg aufmerksam. Die Rektoren der neun baden-württembergischen Universitäten hatten zu einem landesweiten „Aktionstag“ aufgerufen. Das Motto: „Weiter sparen heißt schließen – Universitäten in Not“. So geizt auch Eitel nicht mit dramatischen Bildern: „Die Universitäten bluten aus und wenn nichts Nennenswertes mehr kommt, dann werden sie ab nächstem Jahr peu à peu geschrottet.“
Der Aktionstag richtete sich unmittelbar an die baden-württembergische Landesregierung. Vertreten durch das Landesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) verhandelt sie derzeit mit der Landesrektorenkonferenz (LRK) über die Inhalte eines neuen Solidarpakts. Bei diesem handelt es sich um einen Vertrag zwischen dem Land Baden-Württemberg und dessen Hochschulen, der die finanzielle Grundausstattung aller Hochschulen regelt. Der aktuell laufende Solidarpakt II endet am 31. Dezember dieses Jahres. Im vergangenen Oktober begannen offiziell die Verhandlungen über den Solidarpakt III. Seine Laufzeit soll sich von 2015 bis 2020 erstrecken.
Es ist vor allem der bisherige Verhandlungsprozess, über den sich Bernhard Eitel so sehr echauffiert: „Seit über einem Jahr drängt die Landesrektorenkonferenz, in Gespräche einzutreten. Bis Frühjahr ging es überhaupt nicht voran“, so der Rektor im ruprecht-Interview. Bis heute gebe es keine Zahlen, doch der Solidarpakt laufe in sechs Monaten aus. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) hält die Aufregung dagegen für übertrieben: „Wir haben die Gespräche im Oktober 2013 mit dem Ziel begonnen, sie bis zum Sommer 2014 in den Eckpunkten abzuschließen. Die Details müssen bis Jahresende geregelt sein.“ Auf unsere Nachfrage versichert sie: „Die Grundfinanzierung der Hochschulen muss substantiell verbessert werden“. Mit dem neuen Pakt will die seit Jahren auseinanderlaufende „Scherenbewegung“ zwischen Grundausstattung und steigenden Studentenzahlen schließen – „Das ist unsere größte Herausforderung“. Doch konkrete Auskunft über Maßnahmen und Zahlen gibt die Ministerin nicht.
Es sind gerade diese ungenauen Aussagen, die Eitel als „Gelaber“ abtut. Um für die weiteren Verhandlungen gewappnet zu sein, haben die Landesrektoren einen Katalog mit acht Forderungen aufgestellt. Ihnen geht es dabei vor allem um eine Erhöhung der Grundfinanzierung, die seit 1998 nicht angehoben wurde. Weitere Forderungen sind die Auflösung des Sanierungsstaus im Hochschulbau oder die Finanzierung der steigenden Personalkosten.
Die finanzielle Lage der Universität könnte sich zudem verschärfen, wenn laufende Bundesprogramme in den nächsten Jahren nicht weitergeführt werden: So endet 2015 der Wissenschaftspakt oder 2017 die Exzellenzinitiative. Daher richtet Theresia Bauer den Blick auch nach Berlin: „Wir werden unserer Verantwortung nachkommen. Das Gleiche fordern wir aber auch vom Bund.“ Die Ministerin geht davon aus, dass sie mit den Hochschulen einen guten Solidarpakt abschließen werde, „der keinen Anlass für dramatische Einschnitte bei Personal oder Fächern“ liefern wird.
Das heißt aber auch, dass es unabhängig von den Solidarpakt-Verhandlungen zwangsläufig zu Einsparungen an den Universitäten kommen wird. Wie ist jedoch die Lage vor Ort an der Uni Heidelberg? Was wird auf die Fächer und Institute in den nächsten Jahren zukommen?
In den letzten Wochen haben im Zuge der Solidarpakt-III-Verhandlungen besonders die Medizin-Studenten lautstark auf sich aufmerksam gemacht. Nach einer großen Demonstration in Stuttgart nahmen sie als einzige Fachschaft aktiv am Aktionstag der Uni Heidelberg teil.
Verglichen mit anderen Fakultäten hat die Medizin in Heidelberg ein wesentlich größeres Budget. Allerdings hat sie weit höhere Ausgaben. Zusätzlich zu Lehre und Forschung werden Kliniken zur praktischen Ausbildung unterhalten. Darin liegt der größte Kostenpunkt. Daher befürchtet man in der Medizin den Abbau von Studienplätzen. „Wir brauchen mehr Ärzte in Deutschland, können diese aber nicht ausbilden, weil es kein Geld für mehr Studienplätze gibt“, sagt Özden Doğan von der Fachschaft Medizin. „Jegliche Einsparungen in der Medizin, bedeuten eine Einsparung an der Gesundheit der Bevölkerung.“ Die Medizinstudenten seien vor ihrem Abschluss „am Wohl unserer zukünftigen Patienten interessiert“, deshalb, sagt Doğan, setze man sich lautstark für eine gute Lehre in der Medizin ein.
In ganz anderen Dimensionen bewegt man sich dagegen in der Japanologie. „Wir sind keineswegs ein Orchideenfach“, stellt Glenn Bauer von der Fachschaft klar. In der Japanologie sind in den letzten Jahren die Studierendenzahlen um das Doppelte gestiegen. „Doch statt bei uns die Mittel dem anzupassen, wurde fröhlich runtergekürzt.“ So gebe es nur noch eine unbefristete, eine befristete Professur und fünf weitere Dozenten – das bei 450 Menschen, die in irgendeiner Form Japanologie studieren. Bald laufe die befristete Professur aus, dann könne man den „Lehrbetrieb nicht mehr aufrechterhalten“. Zudem herrsche in der Japanologie ein großes Platzproblem: Die Sprachkurse könnten nur in der Neuen Uni abgehalten werden, da es zu viele Studenten gebe. Hauptverantwortlich für diese Lage sei unter anderem das Rektorat selbst. „Der Rektor hat ein ganz klares Programm: Er fördert bestimmte Fächer, die ihm wichtig sind – Stichwort Exzellenz – die anderen haben halt Pech.“ Am Aktionstag hat die Fachschaft deshalb auch nicht teilgenommen: „Wir können nicht mit einem Rektor auf die Straße gehen, der uns unsere ganzen Probleme eingebrockt hat.“
Die finanzielle Lage in vielen Fächern ist also bereits alarmierend. Diesen Eindruck bestätigt der Vorsitzende der Studierendenschaft, Georg Wolff. Erste Fächer wurden faktisch geschlossen, wie etwa Mittellatein, andere können ihren Lehrbetrieb nur über Zweitmittel am Leben halten. Doch auch diese laufen irgendwann aus. „Die Lage ist alles andere als rosig.“ Dabei ist das Ziel des StuRa und des Rektorats das Gleiche: Auch Georg Wolff fordert mehr Geld vom Land im Zuge der Solidarpakt-Verhandlungen. Prinzipiell stoßen Rektorat und Studenten also in die gleiche Richtung, in der Ausgestaltung gibt es aber noch Differenzen. Trotzdem hält er ein geschlosseneres Auftreten innerhalb der Universität für möglich: „Wir müssen den Studenten klar machen, was es bedeutet, wenn wir jetzt nicht versuchen Druck zu machen. Sonst merkt man den Ernst der Lage erst, wenn das eigene Fach geschlossen wird.“
von Michael Graupner und Christina Deinsberger