Glenn Greenwald hat die Enthüllungen Edward Snowdens publiziert. Sein neues Buch „Die Globale Überwachung“ behandelt den NSA-Skandal und rüttelt auf.
„Wird das digitale Zeitalter die Befreiung des Individuums und politische Freiheiten bringen, die das Internet in einzigartiger Weise realisieren kann? Oder wird es ein System omnipräsenter Überwachung und Kontrolle etablieren, das sich nicht einmal die schlimmsten Tyrannen der Vergangenheit hätten träumen lassen? Im Augenblick stehen uns beide Wege offen. Unser Handeln wird darüber bestimmen, wo wir am Ende landen.“ Diese Fragen stellt Glenn Greenwald in seinem neuen Buch „Die globale Überwachung“. Das Buch bietet zwar wenig neue Informationen, jedoch gibt es einen kompakten und gut lesbaren Überblick der Enthüllungen von Edward Snowden. Greenwald fasst die Ereignisse des NSA-Skandals zusammen und zieht seine Schlüsse aus den Enthüllungen. Der Leser ist erschrocken, erzürnt und fassungslos. Greenwald hält den Kampf um die Privatsphäre für beinahe verloren.
Im ersten Kapitel, „Kontaktaufnahme“, beschreibt er, wie Edward Snowden ihn und die Dokumentarfilmerin Laura Poitras aufforderte, nach Hongkong zu kommen. Snowden wollte, dass seine Enthüllungen journalistisch aufgearbeitet werden. Im Kapitel „Zehn Tage Hongkong“ beschreibt Greenwald, wie die Treffen stattfanden und gibt persönliche Einsichten in Snowdens Inneres: „Was mit mir geschehen wird, das macht mir keine Angst. Ich habe akzeptiert, dass ich wahrscheinlich nicht mehr so wie bisher werde weiterleben können. Ich habe meinen Frieden damit geschlossen – ich weiß, dass es das Richtige ist“, zitiert Greenwald Snowden. Er beschreibt ihn als einen rationalen, gewissenhaften Patrioten. Snowden konnte es als Mitarbeiter der NSA nicht ertragen, an was er arbeitete und geheim halten musste.
„Ich konnte in Echtzeit beobachten, wie Drohnen potenzielle Zielpersonen überwachten, um sie gegebenenfalls zu töten. Man konnte ganze Dörfer sehen und was jeder Einzelne dort tat. Ich sah, wie NSA die Internet-Aktivitäten von Menschen ausspähte, noch während sie auf der Tastatur tippen. Mir wurde bewusst, wie massiv die Überwachungsmethoden der USA die Privatsphäre verletzen. Ich erkannte das wahre Ausmaß dieses Systems. Und fast niemand wusste, was da alles geschah“, sagte Snowden. „Ich begriff, dass sie ein System aufbauten mit dem Ziel, jegliche Privatsphäre abzuschaffen, weltweit. So dass niemand mehr elektronisch kommunizieren konnte, ohne dass die NSA diese Kommunikation sammelte, speicherte und analysierte.“ Snowden war sich bewusst, dass die amerikanische Regierung ihn mit allen Mitteln verfolgen würde. Im Kapitel „Alles Sammeln“ strukturiert Greenwald die Enthüllungen. Das meiste war vorher schon bekannt. Er zitiert Experten, um die Situation zu bewerten, beispielsweise beim Thema Metadaten: „Stellen wir uns einmal Folgendes vor: Eine junge Frau ruft einen Gynäkologen an, gleich darauf ihre Mutter, dann einen Mann, mit dem sie während der vergangenen Monate häufiger nach 23:00 Uhr telefoniert hat; als nächstes eine Familienberatung, die auch Abtreibungen durchführt. Daraus lässt sich eine schlüssige Geschichte herleiten, die sich so deutlich aus dem abhören eines einzelnen Telefonats nicht ergeben würde“, erklärte der Informatikprofessor Edward Felten von der Princeton University.
Durch Greenwalds Buch wird jedem Leser klarer, wie weitreichend die Überwachung durch die Geheimdienste geht, er belegt es mit zahlreichen Beispielen: „Die NSA fängt regelmäßig Router, Server und andere Netzwerkgeräte ab, bevor sie die USA verlassen und zu den internationalen Kunden transportiert werden. Der Geheimdienst baut unsichtbare technische Überwachungsinstrumentarien ein, verpackt Geräte mit neuen Herstellersiegel und bringt sie wieder auf den Weg.“ Im Kapitel „Die Gefahren der Massenüberwachung“ versucht Greenwald, Schlüsse aus den Enthüllungen zu ziehen. Er betrachtet die Folgen der Massenüberwachung, und führt auch Studien an, etwa eine Studie des PEN, der internationalen Schriftstellervereinigung. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass 24 Prozent der Schriftsteller bewusst bestimmte Themen am Telefon oder in E-Mails vermeidet, aus Sorge, überwacht zu werden. Greenwald führt weiter aus, dass die Geheimdienste es nicht bei einer passiven Rolle belassen: „Eine andere Folie [des britischen Geheimdienstes GCHQ] schildert die taktischen Maßnahmen, um eine Zielpersonen zu diskreditieren. Dazu zählen »ihr Foto in sozialen Netzwerken verändern«, »einen Blog schreiben indem man sich als eines ihrer Opfer ausgibt«, und »E-Mails/ SMS Nachrichten an ihre Kollegen, Nachbarn, Freunde, etc. schreiben.«“
Im letzten Kapitel des Buches, „Die vierte Gewalt“, greift Greenwald andere Medien an. Diese seien zu eng mit dem Staat verflochten und gefährdeten den unabhängigen und kritischen Journalismus. Weiterhin verurteilt er die britische und amerikanische Regierung für ihr undemokratisches Verhalten. Beispielsweise wollte der britische Geheimdienst GCHQ die Festplatten mit Dokumenten Edward Snowdens in der Redaktion des Guardian beschlagnahmen. Die Geheimdienstmitarbeiter und die Redakteure einigten sich dann, die Festplatten zu zerstören.
„Die globale Überwachung“ von Glenn Greenwald ist ein einfach zu lesendes, spannendes Buch, das den größten Skandal der letzten Jahre gut zusammenfasst und bewertet. Der Leser wird, von den Ereignissen gefesselt, das Buch in einem durchlesen. Es ist durch seine Sachlichkeit bestechend kraftvoll. Es könnte eines der schockierendsten Bücher des Jahres sein.
[box type=“shadow“ ]Glenn Greenwald, „Die globale Überwachung“, Droemer Knaur, 368 Seiten, 19,99 Euro.[/box]
von Dominik Waibel