Die ehemalige ruprecht-Redakteurin Steffi Fetz recherchiert im Auftrag ihrer Leser. Ein Gespräch über ihr Projekt Crowdspondent und die Zukunft des Journalismus.
Im Journalismus stehen die Zeichen auf Umbruch. Die klassischen Printmedien werden zunehmend vom Online-Journalismus verdrängt. Doch auch der ist mittlerweile ein hart umkämpftes Feld. Wer hier mithalten will, muss durch innovative Formate überzeugen; auch Probleme bei der Finanzierung gilt es zu lösen. Das Geschäftsmodell des „Crowdfunding“, bei dem sich Rezipienten selbst aktiv als Kleinaktionäre an Projekten beteiligen, ist in letzter Zeit für Nachwuchsjournalisten attraktiv geworden. Eine von ihnen ist Steffi Fetz. Die ehemalige ruprecht-Redakteurin und ihre Mitstreiterin Lisa Altmaier haben das Projekt „Crowdspondent“ ins Leben gerufen. Das Besondere daran: Die Leser bestimmen die Themen selbst, über die berichtet werden sollen.
Steffi, zunächst ein Blick zurück: Wie hast du deine Zeit beim ruprecht in Erinnerung?
Ich bin direkt in meinem ersten Semester – im Wintersemeser 2007/08 – durch einen Workshop vom Ehemaligenverein Doppelkeks zum ruprecht gekommen. Irgendjemand hat mich direkt am nächsten Tag mit auf die Redaktionskonferenz geschleppt und danach waren meine Montage meist verplant. Eigentlich war ich während meines kompletten Studiums in Heidelberg Teil der Redaktion – selbst während dem Auslandssemester in Chile hab ich was geschrieben. Weltweit ist immer noch eine meiner Lieblingsseiten. Besonders spannend fand ich beim ruprecht die Zeit der Studentenproteste und die Recherchen rund um den V-Mann Simon Brenner, weil wir da das Gefühl hatten, unsere Arbeit ist wichtig und relevant. Und was mir sehr gut in Erinnerung geblieben ist: Wir haben das Ding immer als Team produziert.
Wie ging es dann anschließend für dich weiter?
Ich bin danach in München auf die Deutsche Journalistenschule gegangen, habe meinen Master an der LMU und Praktika bei Zeit Online und vydy.tv gemacht (wo ich mittlerweile auch arbeite). Zusammen mit Lisa Altmeier, die ich von der Journalistenschule kenne, habe ich das Projekt Crowdspondent gegründet. Letztes Jahr waren wir drei Monate als persönliche Reporter der Crowd in Brasilien unterwegs. Die Crowd hat die Themen vorgegeben, wir haben recherchiert und berichtet. Dieses Jahr geht’s für uns durch Deutschland.
Was steckt hinter der Idee und dem Namen „Crowdspondent“?
Crowdspondent setzt sich zusammen aus „Crowd“ und „Korrespondent“, das heißt, Lisa und ich sind als persönliche Reporter der Meute unterwegs. Die Themen geben nicht wir, die Agenturen oder irgendwelche Chefredakteure vor. Die Themen kommen aus der Crowd. Sie kann uns bei der Recherche begleiten, Fragen stellen, kritisieren – ist also immer mit dabei.
Im letzten Jahr wart ihr also in Brasilien. Was führte euch gerade dorthin?
Wir wollten raus und journalistisch was ausprobieren, bevor wir mit der Ausbildung an der Journalistenschule fertig sind. Vor zwei Jahren saßen wir vor einer Weltkarte und haben uns überlegt, welches Land wir spannend finden. Die Wahl fiel relativ schnell auf Brasilien, weil sich dort sehr viel verändert – und das nicht nur wegen der beiden Großereignisse Fußball-WM und Olympia.
Wie fiel die Resonanz auf euren ersten Aufruf an die Crowd aus? Konntet ihr alle Vorschläge bearbeiten?
Puh, nein – das waren viel zu viele! Wir hatten allein innerhalb der ersten zwei Wochen schon über 50 Themenvorschläge. Das hat uns schon überrascht. Wir hatten ja zur Sicherheit auch noch eigene Themen mit im Gepäck, die wir dann überhaupt nicht gebraucht haben. Unser Plan B, mit Caipirinha an der Copacabana zu liegen, falls uns kein einziger Auftrag erreicht, war dann auch ganz schnell vergessen.
Das wird ja mit der Zeit auch langweilig. Über was habt ihr stattdessen berichtet?
Die Themen der Crowd waren total bunt gemischt: Sie wollte wissen, was die Hintergründe der Straßenproteste rund um den Confed-Cup sind, warum es in Brasilien das zweitgrößte Oktoberfest der Welt gibt, ob Lehrer in Brasilien wirklich so ein schlechter Beruf ist oder auch wie sich die Favelas vor der WM verändern. Über Letzteres haben wir dann auch einen Film gemacht.
In diesem Frühjahr habt ihr nun ein richtiges Crowdfunding-Projekt gestartet. Was ist der Unterschied zum letzten Jahr?
Letztes Jahr hat die Crowd keine Kohle, sondern Ideen und Aufträge gegeben, uns aber immer wieder darauf angesprochen, wie sie uns auch finanziell unterstützen können. Da war es irgendwie naheliegend und der nächste logische Schritt, Crowdfunding zu machen.
Was genau habt ihr mit Crowdspondent in den nächsten Wochen und Monaten vor?
Wir sind als persönliche Reporter in Deutschland unterwegs – aber was genau passieren wird, wissen wir selbst noch nicht. An welche Orte oder zu welchen Menschen uns die Crowd schickt, welche Themen wir beackern. Also, falls die ruprecht-Leser selbst Ideen haben, sich über irgendetwas tierisch aufregen oder eine Geschichte kennen, die unbedingt erzählt werden sollte – her damit!
Dieses Jahr bleibt ihr in Deutschland. Warum?
Für mich fühlt sich das nicht nach Bleiben an, sondern eher nach „Wir machen uns auf nach Deutschland“. Für uns beide, und ich glaube auch für viele Leute in unserem Alter, sind viele Ecken in Deutschland absolut unbekannt. Und es gibt auch hier Themen, die untergehen – einige sind auch schon bei uns eingetrudelt.
Könnt ihr mit Crowdspondent euer Leben finanzieren?
Nein, das absolut nicht. Letztes Jahr hatten wir ein Stipendium vom Vocer Innovation Media Lab mehr als 6000 Euro und haben nebenbei noch Texte an klassische Medien verkauft. Das Geld ging in Brasilien hauptsächlich für Flug- und Bustickets, Unterkunft und Technik drauf. Durch das Crowdfunding haben wir für dieses Jahr etwas mehr als 5000 Euro gesammelt. Davon wollen wir die Fahrtkosten bezahlen, ein Schnittprogramm und Mikros kaufen – damit unsere Filme eine bessere Qualität haben. Leben können wir von Crowdspondent also noch nicht.
Wer ist eigentlich diese ominöse Crowd? Stehen nicht in der Mehrzahl sowieso Journalisten dahinter?
In der Crowd sind natürlich auch Journalisten, weil viele unserer Freunde auch Journalisten sind – und das ist ja überhaupt nichts Schlechtes, weil sie unser Projekt weiterverbreiten. Wir haben aber auch viele Follower und Fans, die aus ganz anderen Bereichen kommen: Junge und Alte, welche, die nicht zehn Zeitungen im Abo haben und solche, die durch uns zum ersten Mal von Crowdfunding gehört haben.
Crowdfunding-Projekte im Journalismusbereich gibt es ja einige. Sind sie die Rettung des viel kritisierten Online-Journalismus?
Online-Journalismus muss nicht gerettet werden. Wir müssen nur ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Journalismus auch Geld kostet. Dafür ist Crowdfunding eine Möglichkeit, weil Journalisten offenlegen, was sie für eine gute Recherche, ein Projekt oder eine Geschichte brauchen.
In den letzten Monaten und Jahren gibt es immer wieder Hiobsbotschaften aus dem Journalismus, Zeitungen mussten eingestellt, Redaktionen zusammengelegt werden. Zudem hört man ständig von den prekären Lebensverhältnissen, denen gerade freie Mitarbeiter ausgesetzt sind. Lohnt es sich überhaupt noch, diesen steinigen Weg auf sich zunehmen?
So steinig empfinde ich den Weg gar nicht. Klar, Redaktionen werden eingestampft. Dafür entsteht gerade aber auch viel Neues im Journalismus. Und ich nehme mal an, dass ich in keinem anderen Job so viel Spaß bei der Arbeit hätte und gleichzeitig auch das Gefühl, was mit gesellschaftlicher Bedeutung zu tun.
Das Gespräch führte Michael Graupner