Nach wie vor unterstützt ein Großteil der russischen Bevölkerung das System Putin. Warum ist seine Beliebtheit ungebrochen? Eine Spurensuche in Sankt Petersburg
„Je älter ich werde, desto eher merke ich, dass Russland seinen eigenen Weg finden muss“, sagt mir mein Sankt Petersburger Tandem-Partner, als wir zusammen in dem europäisch-modern anmutenden Café sitzen. Auf meine Rückfrage, wie dieser russische Weg denn aussähe, antwortet er nur: „So wie es momentan läuft.“
Nikita studiert deutsche Kultur an der Philosophischen Fakultät der Staatlichen Universität Sankt Petersburg. Er ist ein besonderer Typ mit seinem Backenbart und der Brille. Im vergangenen Jahr verbrachte er in Heidelberg sein Auslandssemester. Trotz aller Studiertheit und Reiseerfahrung unterstützt er das System Putin, ebenso wie ein Großteil der russischen Bevölkerung.
Ein Grund für Putins Beliebtheit dürften die Medien sein. Die Zeitungen, die ich mir morgens kostenlos vor der Metro oder in der Universität greife, begeistern sich täglich für die gestiegene Beliebtheit Wladimir W. Putins. Egal ob Annektion der Krim oder Sezessionsbewegungen im Osten der Ukraine – Fernsehen und Zeitungen kennen nur eine Wahrheit und die entspricht meist dem Handeln ihres Präsidenten. Weitgehend unabhängige Blätter gibt es zwar auch, sie sind allerdings um ein Vielfaches teurer als die regimetreuen Zeitungen.
Die wichtigste Rolle spielt allerdings immer noch das Fernsehen: Rund 90 Prozent der Menschen erreicht das Medium jede Woche. Mein Tandem-Partner sieht hier aber keine Probleme. „Unsere Medien sind frei. Es gibt ja auch kritische Stimmen!“, sagt Nikita, der zurückgelehnt in seinem Sessel sitzt. „Kennst Du zum Beispiel den Sender Doschd?“. Ja, ich hatte von ihm gehört. Zu dem Zeitpunkt hatten ihn die drei größten Kabelnetzbetreiber Russlands allerdings wieder aus dem Angebot genommen, sodass er nur noch über das Internet zu empfangen ist. Seine Hörerschaft und Recherchemittel hat das wohl kaum vergrößert.
Kein Wunder, dass die russische Bevölkerung ihr Militär feiert, wie zum Beispiel am „Tag des Sieges“ über Nazi-Deutschland. Ich stehe in eine der hinteren Reihen gezwängt, während die Russen um mich herum die vorbeifahrenden Raketen bejubeln.
Doch ein Teil der gebildeten Elite, ist durchaus kritisch gegenüber Putin eingestellt. In einem der Uni-Hörsäle sitze ich mit vier Studenten in einem Kurs zu gesellschaftlichen Konflikten Russlands. In Hemd und Anzug blickt der Professor auf sein Tablet und referiert über russische Konfliktlösungsmechanismen. Die beruhen nicht auf allgemeinen Regeln, sondern hauptsächlich auf Interpretation. Das ist ein Grund, warum Gerichte in Russland so mächtig sind. Am Ende der Stunde fragt einer der Studenten, wann sich das denn ändern würde. „Wenn ein anderer kommt, der sich gegen Putin durchsetzen kann“, sagt der Professor schulterzuckend.
von Franziska Brozio
Eine Umfrage unter Petersburger Studenten zu den deutsch-russischen Beziehungen findet ihr hier.
Ich sehe in Deutschland allerdings auch viel weniger anarchische, als „regimetreue Zeitungen“. Sind unsere Medien demnach auch alle gleichgeschaltet? Ist es so schwer zu begreifen, dass Putin einfach gut in der Gesellschaft ankommt, weil sie sich offenbar gut durch ihn repräsentiert fühlt? Putin ist authentisch. Das gefällt Menschen.
Dass man deinen Artikel leicht ad absurdum führen kann, spricht nicht unbedingt für ihn:
„Nach wie vor unterstützt ein Großteil der deutschen Bevölkerung das System Merkel. Warum ist ihre Beliebtheit ungebrochen? Eine Spurensuche (…)
Ein Grund für Merkels Beliebtheit dürften die Medien sein. Die Zeitungen, die ich mir morgens kostenlos vor der Straßenbahn oder in der Universität greife, begeistern sich täglich über die gestiegene Beliebtheit Angela Merkels. Egal ob TTIP oder Unterstützung antidemokratischer Kräfte in der Ukraine – Fernsehen und Zeitungen kennen nur eine Wahrheit, und die entspricht meist dem Handeln ihrer Kanzlerin. Weitgehend unabhängige Blätter gibt es zwar auch, erscheinen aber in einer viel geringeren Auflage als regimetreue Zeitungen. (…) usw.“
q.e.d. ?