Im Mai 2013 wurde nach mehr als 30 Jahren die Verfasste Studierendenschaft in Baden-Württemberg wieder eingeführt. Eine Bilanz
„36 Jahre staatlich verordneter Sprachlosigkeit“ haben ein Ende, verkündet die Präambel der Satzung der Verfassten Studierendenschaft (VS). Im Mai 2013 konstituierte sie sich als Vertretung der Interessen der Studierenden. Der Satzungstext spielt auf die 1977 unter Ministerpräsident Hans Filbinger beschlossene Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft an.
Nach der Konstitution im Mai 2013 hatte der StuRa im ersten Jahr seines Bestehens vor allem mit administrativen Vorgängen zu tun, sowie mit kleineren und größeren Startschwierigkeiten zu kämpfen. Zunächst ging es darum, die Wahl des Studierendenrates (StuRa) für November zu organisieren. Für viel Furore bei den Studierenden selbst sorgte die Neuerung in der studentischen Interessenvertretung nicht. Lediglich knapp 14 Prozent aller Wahlberechtigten fanden den Weg zu den Urnen, um ihre Vertreter zu wählen.
Dabei soll der StuRa ihren Belangen Gehör verschaffen, etwa wenn es um Prüfungsordnungen geht. Auch ein Jahr später scheint der StuRa noch nicht gänzlich im Bewusstsein der Studierenden angekommen zu sein, dabei erarbeiten die Mandatsträger sogar politische Positionen im Namen der gesamten Studierendenschaft. Oder möglicherweise doch nur im Namen der 14 Prozent, die ihn gewählt haben? Darüber lässt sich streiten. Aber zu wichtigen Themen, wie beispielsweise dem Asylrecht, oder der gewaltsamen Räumung des Majdan in Kiew Anfang des Jahres, suggerieren die Pressemitteilungen des StuRas ein geschlossenes Bild von knapp 30.000 Studierenden.
36 Jahre staatlich verordneter Sprachlosigkeit haben ein Ende
Die Aufgaben und Wirkungsweise der VS sind vielen Studierenden nicht bekannt. Sie selbst geht davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich die wiedereingeführte VS auch in den Köpfen der Studierenden etabliert hat. „Demokratische Prozesse brauchen Zeit“, blickt die Referatskonferenz, das exekutive Organ der VS, auf die erste Legislaturperiode zurück. Das ist sicherlich zutreffend, im Fall des StuRas brauchen sie aber oft zu viel Zeit. Effizient sind die Arbeitsabläufe meistens nicht.
Da der Rat nur bei Anwesenheit von 50 Prozent der Mitglieder beschlussfähig ist, zog sich schon manche Sitzung bis tief in die Nacht. Angeblich nutzen einige Gruppen diese Regelung aus, um Beschlüsse bewusst aufzuschieben, und nehmen nicht an den Sitzungen teil, wie einige Fachschaftsvertreter zu berichten wissen. Außerdem tagt der StuRa nur alle zwei Wochen – Beschlüsse und Anträge müssen jedoch zwei Lesungen durchlaufen, bevor über sie abgestimmt wird. Gerade wenn akuter Handlungsbedarf besteht, wie derzeit zu einer Petition gegen die geplante Umstrukturierung der Qualitätssicherungsmittel, ist die Wirkmächtigkeit des Rates begrenzt. In einem solchen Fall muss ein Eilantrag gestellt werden.
Auch die Finanzen des StuRa sorgten im letzten Jahr immer wieder für Diskussionen. Jeder Studierende zahlt mit seinem Semesterbeitrag 7,50 Euro an die VS. Allein durch diese Beiträge kommt die VS auf mehr als 260.000 Euro. Hinzu kommen Erträge aus Veranstaltungen oder Spenden. Gut 40 Prozent des Etats gehen an die Fachschaften, die davon unter anderem Ersti-Veranstaltungen finanzieren. Allerdings wendet die VS ebenfalls 40 Prozent für die schlichte Selbstverwaltung auf. Seit Kurzem beschäftigt sie sogar zwei Sekretärinnen, die Ordnung in den Wust aus Rechnungen, Anträgen und Papieren bringen sollen. „Zu Zeiten der Fachschaftskonferenz verlief vieles informeller. Das hat sich nun geändert“, erklärt Glenn Bauer, Außenreferent des StuRas. Durch ihre Unterstützung ermöglichen sie es der VS, sich stärker auf die inhaltliche Arbeit zu konzentrieren.
Des Weiteren gewährleisten sie eine gewisse Kontinuität in den Abläufen. Studierende, die organisatorische Aufgaben ehrenamtlich übernehmen, geben diese zum Ende ihrer Zeit an der Uni wieder ab – ihr Wissen geht somit verloren. Die Anstellung gelernter Kräfte, die sich mit Verwaltungsangelegenheiten wie Buchhaltung auskennen, rechtfertigt die VS mit der so geschaffenen Rechtssicherheit. Für etwaige Fehler könnten die Beteiligten haftbar gemacht werden. Auch aus Zeitgründen ist es den meisten Studierenden einfach nicht möglich, tief genug in die Materie einzusteigen.
Wir hätten nicht geglaubt, dass wir innerhalb einer Legislaturperide so weit kommen
Die VS hat generell mit Personalmangel zu kämpfen. Ein Grund, weshalb viele Studierende sich scheuen, Teil der VS zu werden, ist der enorme Zeitaufwand. „Die meisten sehen die Uni eher als Dienstleister, deren Angebot sie für die Zeit ihres Studiums in Anspruch nehmen. Darüber hinaus ist das Engagement eher gering“, erklärt Glenn Bauer. Zum einen liegt das an den Strukturen, die durch die Bologna-Reform geschaffen wurden. Ein weiteres Problem kommt aber nicht aus Brüssel, sondern aus dem Direktorat der Ruperto Carola: Die Uni lässt nicht zu, dass hochschulpolitische Ämter, wie ein StuRa- Mandat, für Studienzeitverlängerungen anerkannt werden. Auch in anderen Feldern scheint das Rektorat eher begrenzt Interesse an einem kommunikativen Verhältnis zur VS und zum StuRa zu haben, so sehen es zumindest die VS-Vertreter.
„Bei keiner der bisherigen StuRa-Sitzungen war ein Rektoratsmitglied anwesend – trotz wiederholter Einladung“, erklärt Kirsten Pistel, Gremienreferentin des StuRa. Auf der Jubiläumsfeier der Uni am 18. Oktober bedachte Rektor Eitel die VS und ihre Arbeit nur am Rande. Er bezeichnete sie als „wichtige Veränderung“, die Zusammenarbeit mit ihr spiele sich auf „allen Gremienebenen weiter ein“.
Die Arbeitsatmosphäre innerhalb der VS empfinden die Mitglieder der Referatskonferenz hingegen als gut und produktiv. „Wir hätten nicht geglaubt, dass wir innerhalb einer Legislaturperiode so weit kommen“, erklärt deren Vorsitzende, Katharina Peters. Es seien die kleinen Dinge, die man erreicht habe, die zeigen, dass man auf dem richtigen Weg sei.
Vielleicht sind diese Errungenschaften, wie einzelne neue Drucker in manchen Instituten, aber zu gering, um die VS im Bewusstsein der Studierenden als ihr Sprachrohr zu verankern. Lob kommt paradoxerweise vor allen Dingen von außerhalb, nämlich von anderen Hochschulen in Baden Württemberg. Wie Glenn Bauer zu berichten weiß, sind viele andere Universitäten noch hauptsächlich damit beschäftigt, die Strukturen für zielführende Arbeit zu schaffen. In Heidelberg hingegen werde bereits erheblich mehr inhaltliche Arbeit geleistet.
Vom 25. bis zum 27. November können die Studierenden zum zweiten Mal den StuRa wählen. Die wichtigsten Themen im kommenden Jahr werden die anstehende Lehramtsreform und der Kampf um die Qualitätssicherungsmittel werden, so Kirsten Pistel. Geplant ist auch eine unentgeldliche Rechtsberatung für die Studierenden. Vielleicht kann es die VS damit schaffen, die Aufmerksamkeit der Heidelberger Studis auf sich zu lenken.
von Hannah Kapfenberger
„Da der Rat nur bei Anwesenheit von 50 Prozent der Mitglieder beschlussfähig ist, zog sich schon manche Sitzung bis tief in die Nacht.“
Der Satz ergibt keinen Sinn. Wäre die Beschlussfähigkeit, wie suggeriert, oft in Gefahr, so würden die Sitzungen ja früher enden, da sie oft nicht mehr beschlussfähig wären. Wäre das Gegenteil der Fall (also lange Sitzungen) dann wäre die Beschlussfähigkeit scheinbar kein Problem. Die logische Konnektion des Satzes ist also in jedem Falle verkehrt.
Ansonsten handelt es sich aber um einen guten Artikel. Schön, dass sich der ruprecht nach längerem Mal wieder mit dem StuRa beschäftigt! Ich hoffe ihr berichtet auch über den Wahlkampf und die StuRa-Wahlen, Kandidierenden und Programme – zumindest online. Denn die Wahlbeteiligung hat ja auch was mit den Engagement in der studentischen Öffentlichkeit – also bspw. euch – zu tun!