Eine studentische Initiative fordert die Uni zum Abzug ihrer Gelder aus klimaschädlichen Anlagen auf. Das Rektorat lehnt dies bislang ab.
Wenn es falsch ist, das Klima zu zerstören, dann ist es ebenso abzulehnen, von dieser Zerstörung wirtschaftlich zu profitieren. Ausgehend von diesem Gedanken hat sich zum Ende des vergangenen Sommersemesters die studentische Initiative Fossil Free Heidelberg gegründet, die das Ziel verfolgt, die Universität Heidelberg zu einer umweltfreundlichen Investition ihrer öffentlichen Mittel zu bewegen. Die Gruppe ist Teil des globalen Fossil Free-Netzwerks, das von der jungen Umweltschutzorganisation 350.org gegründet wurde und Kampagnen aus verschiedenen Ländern Hilfestellung bietet.
„Ich habe mich entschlossen, vor Ort aktiv zu werden, weil ich gemerkt habe, dass man den Klimaschutz nicht denen überlassen kann, die nur darüber reden.“, sagt Chris, ein Gründungsmitglied. Die Gruppe verstehe sich nicht als kapitalismuskritisch. Vielmehr wolle die Kampagne im Rahmen der bestehenden Wirtschaftsordnung umweltschonenderen Investitionskonzepten zu mehr Bedeutung verhelfen.
Ziel der hiesigen Kampagne ist es, die Universität Heidelberg zu einer Selbstverpflichtung zu „klimafreundlichem Finanz- und Anlagemanagement“ zu bewegen. Dies soll sowohl für das der Universität zustehende Vermögen als auch für das Kapital ihrer 40 selbstständigen Stiftungen gelten. Weiter fordert die Fossil Free-Kampagne, dass die Universität zukünftig keine Drittmittel von Unternehmen bezieht, welche ihr Geld mit umweltschädlichen Tätigkeiten erwirtschaften. Bisher lehnte die Universität Heidelberg eine Selbstverpflichtung und die Kooperation mit Fossil Free Heidelberg jedoch ab.
Nach ihrer Gründung ging es den Heidelberger Fossil Free-Aktivisten in einem ersten Schritt darum, mit den Verantwortlichen der Universität Kontakt aufzunehmen, um Informationen über die derzeitigen Anlageformen zu gewinnen. Nach einem ersten, durchaus positiven Gespräch mit den Leitern der Abteilungen für Stiftung und Vermögen und Marketing im Februar geriet die Kommunikation jedoch ins Stocken. Termine wurden verschoben, die Anfragen als zu unkonkret abgelehnt. „Unter welcher Voraussetzung kann sich die Uni Heidelberg vorstellen, die Fossil-Free-Kampagne zu unterstützen?“ – Selbst auf diese Kompromissbereitschaft signalisierende Frage der Aktivisten ging die Universität bislang nicht ein.
Dass die Fossil Free-Gruppe auf das Wohlwollen der Universität angewiesen ist, liegt auch daran, dass es in Baden-Württemberg – anders als in elf anderen Bundesländern – bislang kein Informationsfreiheitsgesetz gibt. Auf Grundlage eines solchen Gesetzes kann jedermann Zugang zu amtlich gespeicherten Informationen verlangen. Ohne diesen Rechtsanspruch sind die Möglichkeiten zur Informationsgewinnung eingeschränkt. „Wir haben keinen genauen Einblick“, bedauert Lisa-Marie Zoller.
Kai Hock von der Energiegenossenschaft Heidelberg hat ein mögliches Szenario skizziert, um dem Problem zu begegnen. Es wäre denkbar, „den Fossil Free-Kampagnen einen neutralen, zur Verschwiegenheit verpflichteten Intermediär zur Verfügung zu stellen“. Die Rolle dieses Vermittlers könnte von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft übernommen werden, welche anhand eines von Fossil Free aufgestellten Kriterienkatalogs die mit der Universität verbundenen Institutionen prüft. Dabei würde Kapital in einem abschließenden Gutachten ausschließlich im Hinblick auf Investitionen in fossile Energien beurteilt. Der Vorteil dieser Herangehensweise sei, dass genaue Zahlen und die Geldanlagen betreffende Details nicht direkt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würden. Dadurch wäre für die Universität die Hemmschwelle, sich einer Prüfung zu unterziehen und Transparenz herzustellen, etwas niedriger gesetzt. „Auf diese Weise könnte das Dilemma zwischen berechtigtem Informationsinteresse einerseits und mit völliger Transparenz einhergehenden Befürchtungen andererseits gelöst werden“, erklärt Hock, der selbst nicht Teil der Heidelberger Fossil Free-Gruppe ist. Nachteile seien allerdings die hohen Kosten und die Tatsache, dass die lokale Gruppe allein dieses umfangreiche Verfahren schwer umsetzen könne.
Dass die Fossil-Free-Kampagnen durchaus schnelle und große Erfolge erzielen können, zeigte unlängst die Entscheidung des Senats der University of Glasgow. Als erste europäische Institution hat sie Divestment angekündigt. 18 Millionen Pfund hat die Universität in der Vergangenheit in Kohle-, Gas- und Erdölgewinnung und -verarbeitung investiert. Nach dem nun verabschiedeten Fünfjahresplan sollen die Investitionen geprüft, abgezogen und die Gelder zukünftig in erneuerbaren Energien angelegt werden. Daniel Hektor, Heidelberger Student, hat sich während seines Auslandsaufenthaltes in Glasgow für die Bewegung engagiert. „Die Studenten in Glasgow haben recht viel Einfluss auf die Universität“, begeistert sich Daniel. Zwar sei auch die Glasgow University Climate Action Society (GUCA) dort zunächst nicht richtig ernstgenommen werden. Durch einen 100-seitigen Divestment-Brief mit umfassendem Finanzierungsplan konnten die Senatsmitglieder allerdings überzeugt werden. Ein weiterer Meilenstein war kürzlich die Ankündigung des Rockefeller Brothers Fund, ihre Gelder künftig fossil free anzulegen: Damit hat sich eine 860 Millionen schwere Stiftung der Energiewende verschrieben, deren Vermögen noch dazu einst in der Erdölindustrie gründete.
„Man sieht einfach, dass es funktioniert“, beschreibt Lisa-Marie von Fossil Free Heidelberg ihre Motivation. „Jede Woche wird ein neuer Erfolg gefeiert.“ Vor diesem Hintergrund will die Heidelberger Gruppe ihre Bemühungen nicht aufgeben, sondern den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf die Öffentlichkeitsarbeit verlegen. Durch erhöhte Aufmerksamkeit im Uni-Alltag soll der Druck auf das Rektorat erhöht werden. Dazu sammeln die Fossil Free-Mitglieder Unterschriften für eine Petition, die die Dringlichkeit des Anliegens und die breite Unterstützung für das Projekt verdeutlichen sollen. Lisa-Marie erklärt: „Viele Leute wissen zwar, was grüne Energie ist; sie wissen aber nicht, was ‚grünes Geld’ ist.“
[box type=“info“ align=“aligncenter“ ]Fossil-Free-Bewegung
Der englische Begriff Divestment bezeichnet als Gegenteil einer Investition diesen Abzug von Geldern. Die Fossil Free-Gruppen zielen auf eine solche Umschichtung der Vermögensmassen von lokalen öffentlichen Einrichtungen wie Kirchen, Universitäten und Kommunen ab. Dadurch sollen die Institutionen ihren Beitrag zur Stärkung erneuerbarer Energiequellen leisten und die Vorbildrolle einnehmen, die ihnen bei der Verwaltung von dem Gemeinwohl gewidmeten Geldern zukommt. In Deutschland haben sich bereits in acht Städten Fossil-Free-Initiativen gebildet.[/box]
von Margarete Over und Vicky Otto