Leserbrief zum Interview mit Jörg Baberowski aus der Ausgabe 152 („Finnlandisieren wäre die Lösung“):
Prof. Baberowski sagt in dem Interview: „Die Krim wird bei Russland bleiben, und die Bewohner der Krim wollen auch gar nichts anderes.“ Das stimmt nicht. Ich war 2012 und 2013 auf der Krim und habe mehrere Wochen in einer kleinen Sprachschule Russisch gelernt. Ich habe viele Gespräche mit den russischsprachigen Lehrkräften geführt und war auch 2014 mit ihnen per E-Mail in Kontakt. Sie lieben die russische Sprache und Literatur, aber sie wollten definitiv nicht, dass die Krim ein Teil Russlands wird. Die Leiterin der Sprachschule und ihre ganze Familie haben im Internet und auf der Straße entschieden dagegen protestiert. Die Abstimmung auf der Krim wurde durchgeführt, nachdem russische Panzer und russische Soldaten dort eingedrungen waren. Neutrale Wahlbeobachter gab es nicht. Wir wissen also nicht, wie viele Leute ohne Angst und Druck dafür gestimmt hätten, dass die Krim zu Russland gehört. Eine der Lehrerinnen in der Schule war Krim-Tatarin. Ihre ganze Familie wurde in der Stalinzeit nach Usbekistan deportiert. Alle Krimtataren wurden aus der Krim nach Sibirien, Usbekistan oder in andere Teile der Sowjetunion verschleppt. Viele sind später zurückgekehrt, um auf der Krim in der Ukraine zu leben. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass sie freiwillig und ohne Druck für den Anschluss an Russland gestimmt haben.
Gabriele Meier, Slavisches Institut
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