Eigentlich hatte man das Ergebnis aus Paris bereits am Sonntag auf einem Festakt bekannt geben wollen; Dann aber erfuhr man es doch erst am Montag morgen. Schade eigentlich, denn tatsächlich hätte man einen Grund zum Feiern gehabt: Seit dem 1. Dezember 2014 trägt Heidelberg den Titel einer UNESCO-Weltliteraturstadt. Was aber bedeutet das für die Stadt? Und was wird sich nun ändern?
Seit 2005 gibt es das von der UNESCO ins Leben gerufene „Creative Cities Network“. Es soll vor allem dazu dienen, jene Städte miteinander zu vernetzen, die einer der ausgewählten Kategorien angehören. Insgesamt gibt es davon sieben: Film, Musik, Design, Volkskunst bzw. Handwerk, Gastronomie, Medienkunst und eben Literatur. Die Entscheidung trifft ein Gremium aus internen und externen Experten – im Bereich Literatur ist letzteres die internationale Autorenvereinigung PEN. Bewertet werden bestimmte Faktoren, teils eher vage formulierte wie etwa die literarische Tradition, aber auch messbare Größen wie etwa die Anzahl an Verlagen, Literaturhäusern und Bibliotheken im Verhältnis zur Einwohnerzahl. In allen diesen Bereichen steht Heidelberg gut da: So ist die Verlagsdichte mit je 1,3 Verlagen pro 10.000 Einwohner überdurchschnittlich hoch. Auf diese Dinge hat man in der 173 Seiten umfassenden, künstlerisch anspruchsvoll gestalteten Bewerbungsmappe hingewiesen und damit offenbar die Jury überzeugt.
Obwohl Heidelbergs Kulturbürgermeister Joachim Gerner wie auch die baden-württembergische Kultur- und Wissenschaftsministerin Theresia Bauer bereits im Vorfeld einen „vorsichtigen Optimismus“ verkündeten, war das Ergebnis keineswegs sicher. Zumal Heidelberg mit der UNESCO bisher eigentlich keine guten Erfahrungen gemacht hat: Bereits zweimal, 2005 und 2007, hatte man sich erfolglos um die Anerkennung als Weltkulturerbe beworben. Dass man sich nun gegen seine Mitbewerber, etwa das ukrainische Lwiw (Lemberg), durchsetzte und fortan als international anerkannte Literaturstadt gilt, wird deshalb wohl auch als eine Art moralische Genugtuung angesehen.
Den Titel einer „UNESCO City of Literature“ (der bereits 2004 geschaffen wurde) tragen bereits Melbourne, Iowa City, Dublin, Reykjavik und Krakau; Heidelberg ist der jüngste Neuzugang. Auch Mannheim und Hannover schafften es ins Netzwerk der „Creative Cities“, beide in der Kategorie Musik. Die Anzahl deutscher Städte erhöht sich damit schlagartig auf vier, während bis dahin lediglich Berlin den Titel einer „Stadt des Designs“ trug.
Preis- oder Fördergelder vonseiten der UNESCO sind nicht mit der Auszeichnung verbunden. Allerdings wurden, wie das städtische Kulturamt mitteilt, „vorsorglich Mittel für die Bezuschussung von Heidelberger Projekten“ für das Netzwerk „in den Entwurf des Doppelhaushalts der Stadt Heidelberg 2016/2017“ vorgeschlagen. Über ihre Bewilligung aber muss erst noch entschieden werden. Darüber hinaus will man sich um weitere Fördergelder bei Land und Bund bemühen.
Auf jeden Fall verheißt der Titel einen Zuwachs an Prestige, der möglicherweise auch dem Tourismus zugute kommen könnte. „Der Titel UNESCO City of Literature lenkt mit Sicherheit den Blick kulturell interessierter Menschen als aller Welt nach Heidelberg.“, heißt es vonseiten des Kulturamts. „Eine konkrete Auswirkung auf die Anzahl der Touristen in Heidelberg wäre jedoch nur mit konkreten Maßnahmen zu erzielen.“ Dabei könnte es sich etwa um eine „Hilfestellung für Touristen in der Form einer App oder eines literarischen Stadtplans“ handeln.
Zugleich sind mit dem Preis auch gewisse Auflagen verbunden, etwa die Zusammenarbeit mit Entwicklungs- und Schwellenländern oder die Durchführung von Pilotprojekten. Auch die Zusammenarbeit mit anderen Literaturstädten gehört dazu. So plant das Kulturamt, wie es dort heißt, etwa gemeinsam mit der Musikstadt Mannheim eine Kooperation mit den „Creative Cities“ Edinburgh (Literatur) und Glasgow (Musik). „Diese beiden schottischen Städte im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland liegen in einer Entfernung von nur 75 km voneinander ebenfalls relativ dicht beieinander“ und bieten, heißt es, dank derselben Kombination „inhaltlich ähnliche Voraussetzungen wie Mannheim und Heidelberg.“
Auch innerhalb Heidelbergs könnte sich einiges verändern: Geplant sind etwa „die Vernetzung der hier tätigen Schriftsteller/innen, Verleger/innen, Buchhändler/innen, Antiquar/innen und Übersetzer/innen“, um die Literaturprogramme in der Stadt „zu bündeln und auf einer gemeinsamen Internet-Plattform zu veröffentlichen.“ Außerdem sollen in Arbeitsgruppen, in Zusammenarbeit „mit Kunstproduzierenden prinzipiell aller Sparten, den Geistes- und Naturwissenschaften“, ab 2015 unter anderem „interdisziplinäre Projekte mit Bezug zum Thema ´Text – Sprache – Philosophie´“ ins Leben gerufen werden. Um das zu koordinieren, braucht es Personal, und so wird auch das im Kulturamt sitzende Literaturbüro „personell ausgebaut“, wozu es ohne die Preisvergabe sicher nicht so schnell gekommen wäre.
Zunächst kann man sich ganz dem verdienten Gefühl des Erfolges hingeben. Mit der Entscheidung gehört Heidelberg nun auch offiziell zum Kreis der Literaturstädte, denen man sich schon vorher zugehörig fühlte. Nun gilt es, dem Titel gerecht zu werden und sich noch stärker um sein literarisches Erbe sowie um dessen Gegenwart und Zukunft zu kümmern.
von Michael Abschlag