Ab Januar 2015 gilt der Mindestlohn für Praktikanten. Schwindende Praktikumsplätze könnten eine Folge sein.
Mit dem Gesetzentwurf von Juli 2014 setzt die Große Koalition unter Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles ein weiteres Ziel des Koalitionsvertrags um: Auch Praktikanten bekommen nun den Mindestlohn von 8,50 Euro. Ab Januar 2015 sollen Praktika wie eine Arbeitsstelle vergütet werden; eine diskutierte Sonderregelung für Studenten und Azubis blieb aus. Aus Sicht der Politik naht damit das Ende der viel beschworenen „Generation Praktikum“.
Die These von gut ausgebildeten, jungen Absolventen, die in Firmen als günstige Arbeitskraft ohne feste Anstellung in Dauerpraktika aufgerieben werden, trifft meist nicht zu. Joachim Förster, Justiziar der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar, bewertet die Situation kritisch: „Praktika sind und waren ein sinnvoller Teil der Ausbildung. Die in den Medien vertretene These der ,Generation Praktikum‘ wurde in Studien nicht bestätigt.“ Laut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung waren 2011 rund 40 Prozent der Praktika nach Studienabschluss unbezahlt und gingen über einen Zeitraum von durchschnittlich fünf Monaten. Nach dem Studium absolvierten aber gerade einmal 28 Prozent überhaupt ein Praktikum, ein Großteil davon aus den Geistes- und Sozialwissenschaften. Gerade für Studenten dieser Fachrichtungen könnte es in Zukunft schwer werden, ein längeres Praktikum zu absolvieren.
Der Mindestlohn soll zwar für Praktika gelten, es gibt jedoch Schlupflöcher: Praktika von bis zu drei Monaten sind von der Regelung ausgenommen, wenn sie der Berufsorientierung dienen oder laut Studienordnung verpflichtend sind. Während die meisten natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge Pflichtpraktika vorsehen, steht dies bei Germanisten oder Philosophen oft nicht im Ausbildungsplan.
Einige Fakultäten in Heidelberg erwägen nun scheinbar, Pflichtpraktika in ihre Studienordnungen zu integrieren. Denn durch den Mindestlohn ist eine Reduzierung der Praktikumsstellen zu befürchten. Für Unternehmen könnte die verpflichtende Bezahlung von Praktikanten einen erheblichen Kostenfaktor darstellen. Laut einer Umfrage der Agentur „Index“ wollen zahlreiche Unternehmen im kommenden Jahr auf freiwillige Praktika verzichten.
Auch der Career Service der Universität spürt schon die Veränderungen: „Nach mündlicher Aussage von Vertretern der regionalen Wirtschaft werden die meisten Unternehmen nur noch Praktika anbieten, die kürzer als drei Monate sind“, sagt Petra Lehmann, Mitarbeiterin beim Career Service. Zu sehen sei dies schon an den veränderten Unternehmensangeboten in der universitätseigenen Praktikumsbörse. Dies sei auch ganz unabhängig von der Größe der Unternehmen, so Lehmann weiter.
Auch die BASF bestätigt auf Anfrage unserer Zeitung die Verkürzung der Praktikumsdauer aufgrund des Mindestlohngesetzes: „Als Reaktion auf die Gesetzesänderung wurde der Umgang mit freiwilligen Praktika angepasst – diese sind künftig auf drei Monate begrenzt.“ Auf die Vergabe der Praktika werde die Regelung aber keinen Einfluss haben. Jedoch spricht sich die BASF für die Verankerung der Pflichtpraktika in den Studienordnungen aus: „Studienbegleitende Praktika sind gerade bei der ersten Jobsuche ausschlaggebend. Daher wäre es im Sinne der Studierenden hilfreich, Praxiserfahrung als verpflichtenden Bestandteil des Studiums vorzusehen.“
Sonderregelungen für den Mindestlohn gibt es nur in Bereichen, in denen der Lohn aktuell schon weit unter 8,50 Euro liegt. In diesen kleinen Branchen wie bei Erntehelfern oder Zeitungsausträgern absolvieren Studenten aber selten ein Praktikum. Gerade kleinere Betriebe, vor allem in der Medien- und Kreativbranche, die viel mit Praktikanten arbeiten, werden sich eine Bezahlung nach dem Mindestlohn nicht leisten können und wollen.
Aufgrund von Einwänden aus der Wirtschaft wurde die anfangs getroffene Vereinbarung von sechs Wochen, als Zeit, in der kein Mindestlohn gezahlt werden muss, im abschließenden Gesetzentwurf auf drei Monate erhöht. In den Medien häufig genannte Befürchtungen, dass nun längere Praktika zum Sammeln von Kompetenzen wegfielen, wurde somit entgegengewirkt. Ob mit der Änderung ein Ansturm auf die Pflichtpraktikumsplätze ausbrechen wird, bleibt abzuwarten. Praktikumsplätze werden wohl weiterhin angeboten, nur in einer kürzeren Zeitspanne und vorwiegend für Pflichtpraktika.
Die neue Mindestlohnregelung trifft damit jedoch vor allem die Studenten, die sie eigentlich unterstützen sollte. Interessierte Absolventen, die sich orientieren oder einen Einstieg in den Beruf finden wollen, könnten in Zukunft weniger Chancen auf einen Praktikumsplatz haben; ebenso engagierte Studenten, die während des Studiums umfangreichere Erfahrungen sammeln wollen. Auf der anderen Seite hofft Petra Lehmann vom Career Service auf mehr Fairness: „Kürzere Praktikumszeiten könnten jedoch dazu beitragen, dass Studenten nicht mehr als günstige Arbeitskräfte ausgenutzt werden“.
Abzuwarten bleibt generell, wie sich die Mindestlohnregelung auswirken wird, da der Gesetzentwurf noch nicht juristisch interpretiert wurde. Eine gesetzliche Definition der „Berufsorientierung“ liegt bis jetzt ebenso wenig vor wie konkrete Zahlen zum Angebot an Praktikumsplätzen.
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Was der Mindestlohn für Praktika bedeutet
Generell gilt: Alle Praktika, die länger als drei Monate dauern, müssen ab dem ersten Tag mit dem Mindestlohn vergütet werden. Ist die Praktikumszeit kürzer als zwölf Wochen, wird kein Mindestlohn gezahlt. Ausgenommen davon sind Praktika, die nicht innerhalb eines Studiums oder einer Ausbildung absolviert werden und bei denen der Praktikant schon eine Berufsausbildung oder einen Studienabschluss hat. Dort muss, unabhängig von der Länge, ab dem ersten Tag der Mindestlohn gezahlt werden.
Hat in jeglichem Fall vorher schon ein Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestanden, muss der Mindestlohn gezahlt werden, solange es sich um ein freiwilliges Praktikum handelt. Abschlussarbeiten sind vom Mindestlohn ausgenommen, solange sie in der Studienordnung verpflichtend vorgeschrieben sind.
Die Zahlung des Mindestlohns ab 2015 ist aber abhängig vom Beginn des Praktikums, nicht vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Wenn ein Vertrag über ein Praktikum von mehr als drei Monaten noch in diesem Jahr geschlossen wurde, muss ab dem ersten Januar 2015 der Mindestlohn gezahlt werden. Wurde ein Praktikum beispielsweise am ersten Oktober 2014 begonnen und geht bis zum 15. Januar 2015, fällt die Zeit ab 2015 unter die neue Regelung.
Besonders wichtig ist es daher, auf einen Praktikumsvertrag zu bestehen; in diesem kann dann auch explizit zwischen einem mindestlohnfreien und mindestlohnpflichtigen Praktikum unterschieden werden. Explizite Vorgaben des Gesetzgebers zu bestimmten Fragen sind jedoch noch offen und werden sich erst mit der Zeit an Einzelfällen juristisch festigen.
Genaue Informationen zur Anwendung des Mindestlohns gibt im Praktikumsportal der Industrie- und Handelskammer.[/box]
von Laura Heyer
Was für ein tendenziöser Bericht. Es kommt nur Kritik am MIndestlohn, die Perspektive der umsonst schuftenden Landzeitpraktikant*innen kommt nicht vor. Und Studien werden einseitig wiedergegeben. Mies! Mit dem Artikel auf der gleichen Seite der mit „Obwohl Jura-Prof XY das Gesetz scheiße findet ist es doch wichtig“ schießt ihr dann vollkommen den Vogel ab.
Seit wann polemisiert der ruprecht gegen gerechte Bezahlung? Früher habt ihr mal investigativ auf die miese Bezahlung in den Mensen hingewiesen und damit wirklich etwas bewegt. Das war gut. Die Seite 7 der Dezemberausgabe ist peinlich.