Die Fachschaft Medizin distanziert sich von der Zuwendung des StuRa an die „Rote Hilfe“. Sie befürchtet eine politisch motivierte Verwendung studentischer Mittel.
Wie politisch darf eine Studierendenvertretung sein? Schon in der Entscheidung, ob ein Studierendenparlament oder ein Studierendenrat die Heidelberger Studenten vertreten solle, war dies die zentrale Frage. Auch die Entscheidung für den StuRa und die Beteiligung aller (politisch neutralen) Fachschaften an der Studierendenvertretung konnte die Frage aber nicht lösen. Dass die Diskussion längst nicht abgeschlossen ist, zeigt eine aktuelle Stellungnahme der Fachschaft Medizin. Diese distanziert sich von einer Spende in Höhe von 100 Euro, die der StuRa im Zusammenhang mit seiner Solidaritätserklärung mit dem „Justizopfer“ Josef S. an die Organisation „Rote Hilfe“ betätigt hat.
Mehrere Fachschaften haben sich der Fachschaft Medizin inzwischen angeschlossen. Angeführt wird, dass die „Rote Hilfe“ eine linksextreme Vereinigung sei, die verfassungsrechtlich überwacht werde. Die Spende widerspräche daher der Verpflichtung des StuRa, eine „eindeutig neutrale sowie alle studentischen Gruppen umfassende Haltung einzunehmen“, argumentiert die Fachschaft Medizin.
Der Rückblick zeigt: Der StuRa hatte in seiner 18. Sitzung am 22. Juli per Änderungsantrag mit 17 zu 2 Stimmen entschieden, neben einer Solidaritätserklärung mit dem Justizopfer Josef S. auch der „Roten Hilfe“ eine Spende zukommen zu lassen. Der Jenaer Student Josef S. hatte sich der Demonstration angeschlossen, die im Januar dieses Jahres gegen den Wiener Akademikerball protestierte, eine Veranstaltung von Rechtsradikalen, Rechten und Burschenschaften.
Obwohl sich im Prozess viele Indizienbeweise gegenüber dem Studenten Josef S. als falsch erwiesen hatten, Zeugenaussagen widersprüchlich waren und entlastende Beweise vorlagen, wurde der Student wegen schwerer Sachbeschädigung, Landfriedensbruch und versuchter schwerer Körperverletzung verurteilt.
Der StuRa moniert in seiner Solidaritätserklärung, dass dies den „wichtigsten Grundpfeiler des modernen Rechtsstaates, die Unschuldsvermutung (…) ad absurdum geführt“ habe. Viele sehen in dem Jenaer Studenten der Materialwissenschaften, der vom Bürgermeister mit dem Preis für Zivilcourage ausgezeichnet wurde, ein Opfer der österreichischen Justiz. Der StuRa erklärte seine Solidarität, weil für ihn „Antifaschismus und die Ausübung des Demonstrationsrechts kein Verbrechen“ seien, und die Prozessführung vielmehr einem „politischen Schauprozess“ geglichen habe, der an dem Studenten Josef S. „ein Exempel statuiert“ habe.
Zur Begründung der zusätzlichen Spende an die „Rote Hilfe“ hieß es, „man solle Josef S. nicht nur Solidarität bekunden“. Widersprüche gegen diesen Vorschlag blieben im weiteren Verlauf der umstrittenen StuRa-Sitzung aus. Alle folgenden Änderungsanträge bezogen sich vielmehr auf Wortlautänderungen der Solidaritätserklärung. Aus dem Protokoll der Sitzung geht abschließend hervor: „Die Überweisung (an die „Rote Hilfe“) kann noch am Freitag durchgeführt werden“.
Die „Rote Hilfe“ setzt sich zum Ziel, dass „Jede und Jeder, die sich am Kampf beteiligen, dies (im) Bewusstsein tun können (soll), dass sie auch hinterher, wenn sie Strafverfahren bekommen, nicht alleine dastehen“. Ihrer Internetseite ist zu entnehmen, dass sich dieser „Kampf“ der „Roten Hilfe“ gegen einen „Zweck der staatlichen Verfolgung (…), durch exemplarische Strafen Abschreckungen zu bewirken“ wendet. Joscha Dünkelberg, Sprecher der Fachschaft Medizin, erklärt: „Wir wollen nicht die Solidaritätserklärung zu Josef S. zurücknehmen, gegenüber der Spende sehen wir aber keine andere Möglichkeit, als uns davon zu distanzieren“.
Dass die Spende nicht verhindert werden konnte, habe auch an der geringen Anwesenheit von Stimmberechtigten gelegen. Da die Sitzung in den Semesterferien stattfand, waren insgesamt nur 19 Stimmberechtigte anwesend, darunter ein Mediziner. Zudem hätte einer Spende aber schon die politische Missbilligung der Organisation entgegenstehen müssen. Weiterhin „muss jede Aufwendung studentischer Mittel für die Verfasste Studierendenschaft einen Mehrwert einbringen“, erklärt die Fachschaft Medizin. Joscha meint: „Diesen Mehrwert für die Studierenden kann ich in der Spendenaktion nicht sehen“.
von Johanna Mitzschke