In der Altstadt eröffnet der Veranstaltungsraum „artes liberales universitas“.
Wie ein Querulant sieht er nicht aus. Exzentrisch, intellektuell, belesen, vielleicht wie ein Mensch, dem die Seiten kluger Bücher schon auf die Haut gedruckt sind. Aber man kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass er sogleich aufspringt und in der Hauptstraße randaliert. Das meint er wohl auch nicht, wenn Clemens Bellut davon spricht, dass er Streit suche. Der Buchhändler, der eigentlich Philologe und Philosoph ist, hat sich nun eigens für dieses Ansinnen einen Raum erschaffen: die „artes liberales universitas“, die im Sommer 2014 in die Ingrimstraße/Ecke Mittelbadgasse einzog. Mit Verlaub, aber hat es gerade in der Universitätsstadt Heidelberg eben daran gemangelt?
Clemens Bellut ist sich sicher: das hat es. Diese Universitätsstadt hat an einem Raum fehlen lassen, der gleichsam auch Freiraum sein kann; nämlich frei von Verzweckung, wirtschaftlicher Nötigung, Zugangsschranken, Zertifizierungszwang und Hierarchie. Das alles lockt verheißungsvoll und ruft jetzt zumindest zu einem wortgewordenen Besuch: da wurde man aus dem kreischenden Gedränge des Rathausplatzes in die Ingrimstraße gespült. Ein Antiquariat, die orange-Bar, das kleine Café Pannonica – nicht die schlechtesten Nachbarn hat die „universitas“. Was hier passieren soll, erklärt der Buchhändler etwas vage: es soll sich in einer „gemeinsamen Praxis der Hervorbringung“ geübt werden.
Im Moment tragen genau diesem Ziel eine Reihe von Kolloquien, Lesekreisen, Musikveranstaltungen und Vorträgen Rechnung. Von unregelmäßig öffentlich bis regelmäßig in festen Kreisen kann hier alles stattfinden – sofern es sich aus einer „selbst hervorgebrachten Fragestellung“ gebiert. Die Idee lässt Utopisten-Augen glänzen und doch seien ein Quäntchen Welt und die Frage nach dem Geld gewagt. Finanziert wird das Projekt nämlich zunächst aus den Ressourcen einer sich erschöpfenden Gründungsfinanzierung, die sich nun zusätzlich an Spenden und Zuwendungen von Unterstützern nährt. Außerdem sind die Räume auch für zahlende Privatpersonen und Unternehmen wie SAP, das Literaturhaus und das Amt für Kreativwirtschaft zu mieten.
Für sein Geld und vor allem für seine Gedanken sind dem Nutzer einige Quadratmeter, eine Flasche Wein und reichlich Worte in stuckgerahmte Aussicht gestellt. Eine kleine Wandnotiz gibt es auch noch: Die stammt von der Portugiesin Ana Jacinto Nunes, der die universitas in den letzten Monaten zum Atelier auf Zeit geworden ist.
So sieht also der Streit aus, dem die universitas nun eine eigene Arena gebaut hat: ein Raum, in dem kluge Menschen kluge Dinge sagen, in dem es immer gut riecht – nach Holz und Wein und Buchseiten – und in dem sich Gespräch ereignen soll. Es bleibt ganz und gar nicht zu wünschen, dass dabei letztendlich doch nur gegen den eigenen Schatten geboxt wird.
von Hannah Miethner