Der australische Fingerstyle-Gitarrist gab in Heidelberg eines seiner jährlich 300 Konzerte.
Wenn jedes Publikum die Vorstellung kriegt, die es verdient, sofern man Curt Goetz Glauben schenken mag, dann war es wohl ein sehr elitärer Kreis, der sich am Abend des 27. November in der Stadthalle zusammengefunden hatte. Vielleicht waren es aber auch nur die außerordentlichen musikalischen Fähigkeiten des australischen Fingerstyle-Gitarristen Tommy Emanuels, die den Gitarrenfans einen Abend bescherten, an den sie sich noch lange erinnern werden.
Der mittlerweile 59-jährige Tommy Emanuel ist neben Angus Young (AC/DC) wohl der hierzulande bekannteste australische Gitarrist. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Saitenarbeitern besteht bereits darin, dass Tommy Emanuel allein auf der Bühne steht. Schließt man die Augen, mag man das nicht so recht glauben wollen. Der Musiker spielt mit einer einzigen Gitarre nämlich vierstimmig: Melodiestimme, Begleitstimme, Basslinie und Percussion. Hier zeigt sich, dass Tommy Emanuel nicht nur Gitarrist, sondern auch ein aus einer Musikerfamilie stammender Schlagzeuger und Bassist ist.
Tommy Emanuel hat das Trommeln auf seinem Gitarrenkorpus dermaßen perfektioniert, dass man meint, er habe in den Korpus seines Instruments einen Cajón verbaut. Nach unseren Recherchen ist das jedoch nicht der Fall. Die Vielfalt der Trommelklänge entsteht lediglich durch die verschiedenen Mikrofone, die an unterschiedlichen Stellen im Gitarrenkorpus verlegt sind. Durch die geschickt platzierten Percussion-Elemente ruft er beim Publikum immer wieder einen Zwischenapplaus hervor, der von lächelndem Kopfschütteln begleitet wird, das kapitulierend ausdrückt: Wie schaffst du es nur, mich immer wieder zu verblüffen? Es ist doch nur eine Gitarre, Mann!
In der Tat ist Emanuels verblüffende Spielweise etwas ganz Besonderes. Er erreicht dies durch technische Tricks, einnehmende Mimik und immer wieder durch die gut dosierten Percussion-Elemente, die er allesamt auf seiner Gitarre umsetzt. Rund zwei Stunden stand der Musiker auf der Bühne und präsentierte in seiner einzigartigen Manier überwiegend rein akustische Stücke. Allerdings könnte man sich diese auch sehr gut als modern produzierte Popsongs vorstellen; so bringen die Melodien regelmäßig ausreichend Potenzial für Radio-Airplay mit. Gelegentlich kommt er diesem Wunsch auch nach, indem er eine fünfte Stimme hinzufügt und seine Stücke gesanglich begleitet. Auf der aktuellen Tour liegt der Schwerpunkt der Gesangselemente allerdings bei dem australischen Gast-Sänger Rick Price, der für den Auftritt in Heidelberg zwar offiziell gar nicht gebucht war, aber dennoch dem Publikum eindrucksvoll zwei Lieder vortrug.
Tommy Emanuel präsentierte sich nicht nur als brillanter Gitarrist, sondern auch als Meister der Unterhaltung. Es gelingt ihm mit seinem Gitarrenspiel, das Publikum zum Lachen zu bringen. Dabei darf auch die mit Spannung erwartete Gitarrenstunde nicht fehlen: Auf dem Stundenplan stand an diesem Abend der Umgang mit Flageolett-Tönen. So erklärte er dem Publikum noch kurz, wie er den Klang des zuvor gespielten „Somewhere Over the Rainbow“ erreicht hatte. Wie Jünger ihrem Religionsstifter folgte das Publikum aufmerksam seinen Ausführungen, die über das Niveau allgemeiner Tipps hinausgingen.
Im Vorprogramm präsentierte der Mannheimer Musiker Adax Dörsam nicht nur warm und harmonisch klingende akustische Stücke, sondern mit einer türkischen Saz und einer Harfencister auch außergewöhnliche Saiteninstrumente. Der Berufsmusiker hat schon mit Größen wie Xavier Naidoo, Rolf Zuckowski oder den Flippers zusammengearbeitet und über die Erlebnisse aus dieser Zeit das Buch „Saitenweise biografische Notizen“ veröffentlicht. Der Abend wurde schließlich mit einer Autogrammstunde beider Musiker abgerundet, bei der nicht wenige Gitarren zu sogenannten „Tommy Emanuel Signatured“-Modellen aufstiegen. Der charismatische und warmherzige Tommy Emanuel hat kürzlich ein Weihnachtsalbum veröffentlicht und ist noch bis Ende Januar in Europa auf Tournee zu sehen.
von Malte Krohn