„Big Data – Ende der Grundrechte?“ Eine Podiumsdiskussion im DAI mit Referenten aus Politik und Wirtschaf.
[dropcap]A[/dropcap]chtung: Bitte lesen Sie die folgenden Bedingungen aufmerksam durch, bevor sie dieses Computerprogramm nutzen. Mit der Verwendung des Programms erklären sie sich mit diesen Nutzungsbedingungen einverstanden. Was folgt ist ein 20 Seiten langer Text, bei dem in der Mitte der Satz folgt: „Es werden eventuell personenbezogene Daten von Ihnen erhoben.“ Hätten Sie bis zu dieser Stelle die allgemeinen Geschäftsbedingungen gelesen oder bereits nach zwei Sekunden auf „Ich habe die AGBs gelesen und stimme zu“ geklickt?
Falls Sie ersteres getan hätten, dann gehören Sie zu dem kleinen Kreis von Personen, die sich ernsthaft damit beschäftigen, was mit ihren Daten passiert. Der Großteil der Menschen tut es nicht. Bei der Podiumsdiskussion im DAI meldeten sich zu der Frage, wer denn die AGBs wirklich lesen würde, nur vier von knapp 60 Personen. „Sie haben teilweise einen zwar sehr direkten Zugang zur Informationstechnik, aber einen erschreckend geringen Kenntnisstand über das, was im Hintergrund abläuft“, sagt Peter Schaar, ehemaliger Bundesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit. Daten werden auch zunehmend heimlich erhoben und für völlig andere Zwecke verwendet. Der sogenannte „Grundsatz der Zweckbindung“ wird bewusst umgangen. „Wenn ich Daten aus verschiedenen Quellen in eine Datenbank werfe und dann für einen ganz anderen Zweck miteinander in Verbindung setze, dann ist das nur mit Einwilligung des Betroffenen zulässig. Die wird aber häufig nicht eingeholt“, sagt Gerold Hübner, Chief Product Security Officer von SAP.
Um die eigene Privatsphäre und die eigenen Daten zu schützen, reicht es nicht aus die Kamera am Laptop abzukleben. Völlige Sicherheit gibt es nicht, aber man kann mit ein paar Klicks die Angriffsfläche für den Datenklau reduzieren. „Ein Internet-Browser ist umso sicherer, je besser er gewartet wird. Das heißt, wenn man seine Updates einspielt und ihn sicher konfiguriert“, meint Hübner. Beispielsweise kann man Cookies von Dritten und Werbeanbietern unterdrücken lassen. Cookies sammeln Daten über das Surfverhalten. Insbesondere die Werbebranche ist an diesen Daten sehr interessiert. Werbeunternehmen verwandeln diese Daten in Profile und verkaufen sie an die Wirtschaft. „Letztlich werden die Daten über mehrere Schritte konvertiert und zu Dollars und Euros gemacht und das macht dann sogenannte kostenlose Angebote möglich“, sagt Peter Schaar.
Damit erklärt sich, weshalb vieles im Internet kostenlos zugänglich ist. Man bezahlt nicht mit Geld, sondern mit Daten. Je mehr Daten, desto besser, denken sich heutzutage nicht nur Google und Co., sondern ganze Wirtschaftszweige. Die Erhebung und Verarbeitung von Daten ist die Währung der Zukunft. Generali, einer der größten europäischen Versicherungskonzerne, prüft mit dem sogenannten „Kreditscoring“ die Bonität seiner Kunden. Informationen über Wohnort, Beruf oder regelmäßiges Einkommen entscheiden über die Kreditwürdigkeit jedes Einzelnen. Das Unternehmen geht jetzt noch einen Schritt weiter. Es beschenkt seine Kunden mit Angeboten und Prämien, wenn sie sich nachweislich gesund verhalten.
Generali macht das sicherlich nicht aus aufopfernder Nächstenliebe – gesunde Menschen sind für Versicherungen einfach rentabler. Eine App von Generali dokumentiert das Ernährungsverhalten, misst sportliche Aktivitäten oder zählt wie viele Schritte man gegangen ist. Umgekehrt bedeutet das, dass diejenigen, die ihre Privatsphäre wahren und daran nicht teilnehmen, drauf zahlen.
Schließen „Scorewerte“ also irgendwann ganze Bevölkerungsgruppen aus? „Wenn man 10.000 Schritte machen soll, um nachzuweisen, dass man sich gesund verhält, dann frage ich mich, wie das zum Beispiel ein Rollstuhlfahrer sieht“, sagt Peter Schaar. Es geht um die Frage, wer zu welchen Konditionen einen Kredit bekommt. Erhält der weite Strecken zurücklegende Briefträger bessere Konditionen als die sitzende Sekretärin, obwohl sie sich nichts zu Schulden kommen lassen und bisher jeden Kredit zurückgezahlt hat?
„Wir erleben jetzt gerade, dass diese Währung der Daten eine neue Dimension erreicht“, sagt Schaar. „Big Data“ kann jedoch auch von positivem Nutzen sein. Es lassen sich Staus vorhersagen und vermeiden oder Krankheiten können frühzeitig erkannt und behandelt werden. Die Bedrohung der Privatsphäre ist in Zeiten von „Big Data“ allerdings größer geworden. Deshalb wird der Schutz der Privatsphäre umso wichtiger. Eine Gesellschaft wird ihrer Grundrechte beraubt, wenn Unternehmen alles über uns wissen.
von Niklas Feil