Der Karlstorbahnhof ist eine der beliebtesten Kulturstätten der Region. Schon seit Langem kämpft er mit Platzproblemen. Eine wegweisende Entscheidung steht an.
[dropcap]A[/dropcap]uf der Titelseite des ersten Kalle, des neuen Magazins des Karlstorbahnhofs, prangt die elliptische Frage „Auf dem Gleis nach Süden?“ Diese Frage ist keine rhetorische, denn seit einiger Zeit steht dem Karlstorbahnhof ein Umzug oder ein Umbau des aktuellen Gebäudes bevor. Sollte sich keine Lösung finden, droht womöglich sogar die Schließung der Kulturstätte. Dass es den Karlstorbahnhof irgendwann nicht mehr geben wird, halten die Beteiligten jedoch glücklicherweise für unwahrscheinlich. Knapp 20 Jahre, nachdem er seine Pforten als Veranstaltungsort neu öffnete, heißt es nun: Entscheidungen fällen für seine Zukunft.
Der Hintergrund der aktuellen Debatte um das Fortbestehen des alten Bahnhofsgebäudes in der Altstadt ist ein doppeltes Platzproblem, das im Grunde schon seit Beginn des Betriebs besteht und den Karlstorbahnhof innen und außen an seine Grenzen bringt: Das Gebäude „Am Karlstor 1“ beherbergt neben einem Programmkino und dem Konzertsaal mit Foyer noch den kleineren Klub K sowie ein Theater unter dem Dach. Da der Lärmschutz im Gebäude unzureichend ist, können in Kino und Theater keine Veranstaltungen gleichzeitig mit solchen im Saal abgehalten werden. Aus diesem Grund finden viele Konzerte erst ab 21:30 Uhr statt – für Berufstätige unter der Woche eine ungünstige Zeit. Nach dem Umbau, für den das Team des Karlstorbahnhofs momentan ausgiebig wirbt, sollen Veranstaltungen im Saal schon ab 20 Uhr stattfinden können und Kino und Theater nicht mehr beeinflussen. Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Verringerung der Sitzplatzkapazität durch die Europäische Versammlungsstättenordnung vor drei Jahren. Momentan dürfen an bestuhlten Veranstaltungen nur 220 Personen teilnehmen. Grund dafür sind neue Bestimmungen, die nach dem Unglück bei der Love Parade in Düsseldorf erlassen wurden. Mit den bestuhlten Veranstaltungen wird normalerweise das meiste Geld eingenommen, mit dem weniger gut besuchte Veranstaltungen ausgeglichen werden, zum Beispiel Lesungen oder die Konzerte von relativ unbekannten Bands beim jährlichen Prêt à écouter Festival. Durch die Reduzierung der Sitzplatzkapazität sind auch jene Veranstaltungen meist nicht mehr rentabel, wodurch der Verein Kulturhaus Karlstorbahnhof e. V. nun finanziell neue Wege finden muss, das Kulturprogramm des Karlstors aufrecht zu erhalten.
Der Notausgang aus dem Klub K über die Feuertreppe musste vor Kurzem schon einmal umgebaut werden, die Tür war nach den neuen Bestimmungen nicht breit genug. Es handelte sich jedoch um eine tragende Säule, die das Ganze nochmal kostspieliger machte – kleinere Maßnahmen wie diese kommen zum allgemeinen Platzproblem dazu und stellen den Karlstorbahnhof vor die eingangs erwähnte Frage: Umbau oder Umzug? Ein Umbau würde sich als schwierig gestalten. Eingegrenzt von Bahngleisen, der Schlierbacher Landstraße, dem namensgebenden Tor und einem Parkplatz, der dem Betreiber des benachbarten Kiosks gehört, gibt es kaum Möglichkeiten, das Gebäude zu erweitern. Es steht außerdem unter Denkmalschutz, was die Kosten für die Umbauarbeiten deutlich in die Höhe treibt. Folglich müsste auch die Stadt, der das Gebäude gehört und die sich daher an den Kosten eines Umbaus beteiligen muss, mehr Gelder für den Erhalt des Karlstorbahnhofs bereitstellen. Geld ist, in Heidelberg wie in ganz Baden-Württemberg, allerdings knapp, sodass für die Bewilligung der Gelder ein Ausnahmeantrag gestellt werden müsste.
Zur Debatte steht daher auch ein Umzug des Karlstorbahnhofs auf die Konversionsflächen in der Südstadt, genauer gesagt in die ehemaligen Stallungen in den Campbell Barracks. Der Umzug wäre zwar auch mit Kosten verbunden – statt 11 Mio. Euro für den Umbau des Gebäudes in der Altstadt werden die Renovierungskosten in der Südstadt auf knapp unter 9 Mio. Euro geschätzt. Doch eine Neuerfindung des Karlstorbahnhofs auf den Konversionsflächen bietet auch viel Potenzial. Zum Einen können die Kosten für den Verein verringert werden, indem die Stadt Landeszuschüsse beantragt. Außerdem hätte das Team um Geschäftsführerin Ingrid Wolschin auf dem Barackengelände 400 Quadratmeter mehr zur Verfügung, wie die Rhein-Neckar_Zeitung berichtet. Wolschin äußerte sich der Zeitung gegenüber positiv zu der Umzugsidee. Dem entgegen stehen der Verlust der Anbindung an den überregionalen Verkehr und die Gefahr, dass der Karlstorbahnhof den Teil seines Charmes verliert, den er dem besonderen Ort zu verdanken hat.
Parallel zu den Diskussionen um einen möglichen Ortswechsel hat der Verein des Karlstorbahnhofs eine Petition gestartet, die das Thema in den Gemeinderat bringen soll. Unter dem Titel „Offen bleiben – die Initiative für den neuen Karlstorbahnhof“ werden derzeit Unterschriften gesammelt, die das Interesse der Bevölkerung am Kulturhaus bezeugen sollen, ein Signal der Bürger an den Gemeinderat. Es werden 1800 Unterschriften aus der Region Heidelberg benötigt, damit die Plattform Openpetition die Inititative unterstützt. Bei Redaktionsschluss liegt die Gesamtzahl der Unterstützer knapp unter 1800, von denen etwa die Hälfte aus der Region Heidelberg kommt.
Dass es so viele Unterzeichner aus anderen Städten gibt zeigt, welche Bedeutung der Karlstorbahnhof auch überregional besitzt. Der Bekanntheitsradius beträgt 100 Kilometer in alle Richtungen, bisweilen kommen sogar Besucher aus Belgien oder Frank-
reich für ein Konzert in Heidelberg. Zu den prominentesten Unterstützern gehören der Schriftsteller Wladimir Kaminer, Musiker und DJs wie David Moufang, Thomas Meinecke und die norwegische Jazz-Sängerin Rebekka Bakken. Die Petition läuft noch bis zum 19. Februar. Ob der Umbau realisiert werden kann oder doch ein Umzug ansteht, ist dabei zweitrangig. Hauptsache, der Karlstorbahnhof bleibt auch in Zukunft offen und das Kulturangebot Heidelbergs wird aufrecht erhalten.
von Philipp Fischer