Queer-Studies, Queer Festival, Queerpolitik – Der „Queer“-Begriff ist inzwischen in aller Munde. Was genau hat es damit auf sich und wie „queer“ ist Heidelberg?
Ein großer schlanker Mann mit roter Lockenperücke, sexy Dienstmädchenoutfit und schwarzen Lackpumps stöckelt durch die Gegend. Es handelt sich eindeutig um Magenta, das schräge Hausmädchen aus dem Kultmusical „The Rocky Horror Picture Show“ – nur mit schöneren Beinen. Was man auf den ersten Blick für den Austragungsort eines Travestiewettbewerbs halten könnte, ist ein ganz normaler Abend bei der UnheilBar, der Institution für queeres Feiern in Heidelberg. Vielfältig, bunt und unkonventionell – diesen Leitgedanken haben sich die Veranstalter auf ihre Fahne geschrieben und organisieren die Partyreihe jedes Mal unter einem anderen Motto in der Wieblinger Villa oder im Häll in Kirchheim. „Das Besondere an der UnheilBar ist, dass sie jedem offensteht und nicht nur für die schwul-lesbische Community gedacht ist“, erklärt Johann König, einer der Organisatoren. „Wir wollen unseren Gästen in erster Linie ein unkommerzielles, queeres Partytreiben ermöglichen“.
Unkommerziell bedeutet: Freier Eintritt, günstige Getränke und ehrenamtliche Mithilfe in jeder Hinsicht – vom Aufbau über die DJs bis zur Barschicht. Ein Merkmal, mit dem die UnheilBar heraussticht und sich dadurch von der zweiten queeren Party in Heidelberg unterscheidet – der monatlich stattfindenden QMassaka im Karlstorbahnhof, der auch das jährliche Queer Festival im Frühjahr ausrichtet.
Doch nicht nur queeres Partyvolk wird in Heidelberg fündig. Wer sich hochschulpolitisch mit queeren Themen auseinandersetzen möchte, dem bieten sich mehrere Möglichkeiten. Im Februar 2014 wurde an der Universität das Queerreferat eingerichtet. Es ist eines von bisher drei autonomen Referaten, die dem StuRa angegliedert sind und eine beratende Funktion einnehmen. Vorrangiges Ziel ist es, Benachteiligungen unterschiedlicher Art an der Hochschule entgegenzuwirken. Das Queerreferat versteht sich darüber hinaus als direkten Ansprechpartner für die Studierenden in allen Belangen des queeren Lebens und bietet auch Hilfe für ganz persönliche Anliegen. „Wer beispielsweise Probleme mit seinem Coming Out hat, dem bieten wir einen vertrauensvollen und diskreten Rahmen, um darüber zu sprechen“, erklärt David Lenz, eines der Mitglieder. „Zudem liefern wir regelmäßig Informationen über queere Angebote und sind zudem selbst als Organisatoren tätig.“ Eine Anlaufstelle bieten auch zwei weitere politische Hochschulgruppen. Der Arbeitskreis Gender setzt sich vor allem wissenschaftlich-theoretisch mit Themen des Bereichs der Gender Studies auseinander. Die Gruppe QueerCampus rückt hingegen den persönlichen Austausch und das gesellige Miteinander in den Fokus ihres alle zwei Wochen stattfindenden Stammtischs. Das geringste queere Potential lässt sich von Seiten der Stadt erkennen. Eine Vorreiterrolle nimmt Heidelberg eher bei den Themen „Gleichstellung von Frauen und Männern“ und „Integration“ ein, denen die Stadt bereits zwei Aktionspläne gewidmet hat. Seit April 2014 arbeitet das Amt für Chancengleichheit nun an einem dritten Aktionsplan mit dem Titel „Offen für Vielfalt und Chancengleichheit – Ansporn für alle“. In vier Fokusgruppen wurde bisher unter Experten- und Bürgerbeteiligung über zukünftige Maßnahmen diskutiert. Die Gruppe „Alltagsdiskriminierung“ bietet hierbei zwar den Rahmen, sich auch mit dem Thema unterschiedlicher sexueller Orientierungen und deren Akzeptanz zu befassen. Aber eine separate Auseinandersetzung mit queeren Inhalten gibt es seitens der Stadt bisher nicht, sodass hier offensichtlich Nachholbedarf besteht. „Was in Heidelberg leider noch nicht besonders ausgeprägt ist, ist die Sichtbarkeit von queerem Leben“, bemerkt David Lenz. „Die Angebote und Gruppen, die bereits existieren, werden deshalb leider oft nicht wahrgenommen und es entsteht der Eindruck, so etwas wie queeres Leben gäbe es in Heidelberg nicht“.
Wie gut ist Heidelbergs queere Szene nun aufgestellt? Wer jedes Wochenende queer feiern möchte, dem bleibt der Gang nach Mannheim nicht erspart. Bei den zwei großen Kultpartys für „gays & friends“, der Himbeerparty und der Heaven, kann Heidelberg nicht mithalten. Ähnliches gilt im Vergleich mit der regen Mannheimer Kneipenszene – hier hat Heidelberg einzig das „Ricky‘s“ vorzuweisen. Wer aber Lust auf alternativ angehauchtes Feiern in familiärer Atmosphäre hat, der ist in Heidelberg bestens aufgehoben und hat zudem die Möglichkeit, sich hochschulpolitisch zu engagieren.
Wer sich näher über das Thema Geschlechterbilder und -normen informieren möchte, dem seien die „Aktionstage für geschlechtliche und sexuelle Selbstbestimmung“ empfohlen. Vom 7. bis zum 14. Dezember finden unter dem Motto „gesellschaft-macht-geschlecht“ jeden Tag mehrere Vorträge in der Pädagogischen Hochschule Heidelberg statt.
von Manon Lorenz
[box type=“shadow“ ]Was heißt eigentlich „queer“?
Im Englischen weist die Bezeichnung eine eindeutig negative Begriffsgeschichte auf, indem sie vor allem als Schimpfwort für Homosexuelle verwendet wurde. Die Übersetzung mit „eigenartig“ oder „sonderbar“ verweist zudem auf die vermeintliche Abnormität des damit Bezeichneten. Inzwischen wird der Begriff benutzt, um das Denken in den Geschlechterkategorien „Mann“ und „Frau“ sowie die damit einhergehenden sexuellen Identitäten „homo“ und „hetero“ aufzusprengen. Auch Trans- und Intersexualität werden hier berücksichtigt. Queer ist somit ein Sammelbegriff für alles, was im traditionellen, heteronormativen Denken vernachnlässigt wird. [/box]