Wissenschaftsministerin Theresia Bauer sprach mit uns über den Hochschulfinanzierungsvertrag.
Der neue Hochschulfinanzierungsvertrag (HoFV) ist unterzeichnet, es soll deutlich mehr Geld für die Universitäten im Land geben. Wie werden die Studenten von dem Vertrag profitieren?
Die Studierenden werden unmittelbar und spürbar profitieren: Die verlässlichen Grundfinanzierungsaufwüchse ermöglichen es, zusätzliche Professorinnen und Professoren einzustellen und mit verlässlichen Beschäftigungsperspektiven qualifiziertes wissenschaftliches Personal zu gewinnen. Das wird sich unmittelbar auf die Qualität der Betreuung auswirken. Zudem sichert der Vertrag, dass auch in Zukunft so viele Studierende wie bisher eine Studiengelegenheit bekommen. Denn wir sind überzeugt: Während der Laufzeit des HoFV werden weder der Bedarf noch die Nachfrage an guten Studienplätzen zurückgehen. Schließlich wird sich auch die bauliche Substanz der Hochschulen verbessern, weil wir die Baumittel um insgesamt 600 Millionen Euro bis 2020 aufstocken.
Bei genauerem Hinschauen stellt man aber fest, dass ein Großteil der Mittel lediglich umverteilt wird. Wie können Sie dann behauptet, dass es sich bei dem Vertrag um einen „Meilenstein“ handelt?
Noch besser als genaueres Hinsehen ist das ganz genaue Hinsehen – ich empfehle, den Vertrag im Original zu lesen, statt sich auf falsches Hörensagen zu verlassen. Der HoFV ist eindeutig: Wir erhöhen die Grundfinanzierung um 2,2 Milliarden Euro. Die Hälfte dieses Betrags, also rund 1,1 Milliarden Euro ist frisches – also zusätzliches – Geld, die andere Hälfte wird durch Umschichtung finanziert. Hinzu kommen zusätzliche Baumittel in Höhe von 100 Millionen Euro pro Jahr, also insgesamt weitere 600 Millionen Euro. Insgesamt investieren wir damit über die Laufzeit des Vertrags 1,7 Milliarden Euro frische Landesmittel in die Hochschulen.
Nach 18 Jahren eingefrorener – und damit real zurückgehender – Grundfinanzierung unserer Hochschulen durch die alten Solidarpakte finde ich schon, dass wir damit einen Meilenstein zugunsten der Hochschulen, der dort Beschäftigten und der Studierenden gesetzt haben. Gerade auch im bundesweiten Vergleich. So selbstbewusst können und sollten wir sein, das hat mit Unbescheidenheit nichts zu tun.
Sie wollen landesweit 100 Millionen zusätzlich für den Hochschulbau zur Verfügung stellen. Dabei hat allein die Universität Heidelberg schon einen Sanierungsstau von 500 Millionen Euro. Da wirken die 100 Millionen doch nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein …
Insgesamt werden bis 2020 in Baden-Württemberg über 1,9 Millarden Euro in den Hochschulbau fließen. Die jetzt vereinbarten zusätzlichen 100 Millionen Euro pro Jahr in den Jahren 2015 bis 2020 kommen ja zu den bislang pro Jahr vorgehaltenen Mitteln in Höhe von rund 220 Millionen Euro hinzu. Als Tropfen auf den heißen Stein würde ich eine solche Erhöhung der jährlichen Mittel um gut 50 Prozent nicht bezeichnen. Wahr ist aber auch: Selbst mit diesen Summen werden wir den enormen Sanierungsstau, der sich über viele Jahre an den Hochschulen Baden-Württembergs aufgebaut hat, nicht komplett bis 2020 auflösen können. Aber wir haben kräftige Schritte zum Abtrag vereinbart.
Sie erhoffen durch den Vertrag mehr unbefristete Stellen an den Universitäten schaffen zu können. Wie soll das gelingen?
Zur Grundfinanzierungserhöhung gehört, den Hochschulen die Möglichkeit zu geben, zusätzliche Stellen in der Grundfinanzierung auszuweisen. Über die gesamte Laufzeit des Vertrags werden das bis zu 3800 Stellen sein. Wenn die Finanzierung einer Stelle dauerhaft gesichert ist, können es die Hochschulen leichter verantworten, langfristige oder unbefristete Verträge abzuschließen. Ich bin zuversichtlich, dass die Hochschulen die neuen Sicherheiten nutzen werden, mit attraktiven Verträgen die besten Nachwuchskräfte für die Wissenschaft zu gewinnen.
Die Studenten im Land sind nicht so glücklich mit dem Vertrag: Sie können zukünftig über deutlich weniger Qualitätssicherungsmitteln (QSM) mitbestimmen. Warum beschneiden Sie derart die studentische Mitbestimmung?
Die „Einvernehmensregel“ zwischen Studierenden und Hochschulen hat in der Praxis nicht so funktioniert, wie geplant. Vielerorts gab es Streit und Blockaden, Mittel wurden nicht abgerufen oder gar wir als Wissenschaftsministerium zu Hilfe gerufen. Das war der eine Grund. Wir wollen aber auch weg von der kurzatmigen Projekt- und Programmfinanzierung, zu der eben auch die Qualitätssicherungsmittel gehören, die jedes Jahr neu vergeben werden. Denn gute Hochschulen bestehen vor allem auch aus gutem Personal. Und gutes Personal gewinnen die Hochschulen, wenn sie langfristige Perspektiven bieten können statt Halbjahresverträge. Deshalb werden wir die Qualitätssicherungsmittel aufteilen und die Verantwortlichkeit klar ordnen: Der Grundfinanzierungsteil wird dauerhaft von den Hochschulen über die regulären Gremien vergeben. Für den Studierendenteil haben die Studierenden künftig ein Vorschlagsrecht. Das Ziel bleibt das gleiche: die Sicherung der Qualität der Lehre!
Studenten befürchten nun eine Verschlechterung der Lehre, geringere Öffnungszeiten der Bibliotheken und dass dringende Baumaßnahmen an Instituten ausbleiben. Was entgegnen Sie dem?
Eine Verschlechterung von Studium und Lehre wird es mit Sicherheit nicht geben. Die in die Grundfinanzierung überführten QSM sind ja für die Lehre nicht verloren. Und hinzu kommen die zusätzlichen 1,7 Milliarden Euro, die ebenfalls frei verwendbar sind. Ich bin überzeugt, dass auch sie zur Verbesserung von Studium und Lehre beitragen. Sicherlich wird es hier und dort anfangs etwas ruckeln, weil die Hochschulen in der Tat rechtzeitig planen müssen, wie bewährte Maßnahmen aus den Grundmitteln zu finanzieren sind. In der Übergangsphase können aber auch noch die vorhandenen Reste von etwa 75 Mio. € eingesetzt werden.
Sie haben kürzlich in der RNZ gesagt, dass 75 Millionen Euro der QSM im letzten Jahr gar nicht abgerufen wurden. Oftmals liegt das aber an Blockaden oder Unklarheiten, wofür die Mittel verwendet werden sollen. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, die Verwendung der QSM klarer zu fassen und eventuell gewisse „Schlichtungsmechanismen“ zu entwickeln, statt 88 Prozent der Mittel in die Grundfinanzierung zu überführen?
Schon in der Vergangenheit war das QSM-Verfahren sehr aufwändig. Aus der Perspektive der Hochschule sind die QSM so etwas wie ein Parallelhaushalt, der zusätzlich zu dem normalen Haushalt und der dortigen Gremienbeteiligung bewältigt und mit diesem abgestimmt werden muss. Das ist kaum zu vermitteln. Zumal es sich bei den QSM ja nicht mehr um Gebühren der Studierenden handelt, sondern um allgemeine Steuergelder.
Es sind aber nicht nur die Blockaden, weshalb wir die QSM zum großen Teil in die Grundfinanzierung integrieren wollen. Genauso wichtig ist es, ich sagte es gerade schon, von der kurzatmigen Programm- und Projektfinanzierung wegzukommen und von den Restriktionen, dauerhafte Stellen auszuweisen. Ich denke, mit dem HoFV weisen wir hier einen guten und gangbaren Weg für die Interessen aller Beteiligten auf.
Das Gespräch führte Michael Graupner