Seit 20 Jahren streitet Heidelberg über einen Neckartunnel. Nun startet OB Würzner einen neuen Versuch. Teil 3 unserer Serie „Heidelberg unter der Erde“.
„Keine Angst – ich habe bislang beinahe jedes von mir angepackte Projekt auch geschafft.“ Vollmundig war Eckart Würzner im Jahre 2006 in seine erste Amtszeit als Heidelberger Oberbürgermeister gestartet. Die Rede war von einem, wie er es einmal nannte, Heidelberger „Jahrhundertprojekt“ – dem Neckartunnel.
Heidelberg und der Neckar: In natürlicher Harmonie könnten beide die romantische Provinz verkörpern. Wären da nicht diese leidigen Touristenbusse und Odenwaldfahrer, die das schöne Panorama zerstören. So scheint es ein nachvollziehbarer Gedanke: Weg mit dem Verkehr von der lauten Bundesstraße 37, lasst uns stattdessen in vollem Einklang mit dem Neckar leben! „Stadt am Fluss“ heißt dieses Projekt, und seine Geschichte ist ein Paradestück verzagter Heidelberger Lokalpolitik.
Erstmals setzte es die CDU-Gemeinderatsfraktion Anfang der 90er Jahre auf die Tagesordnung. Aber erst Würzner schrieb sich die „Stadt am Fluss“ im OB-Wahlkampf 2006 in sein Programm. Nach der Wahl schien die Lage günstig: Eine Gemeinderatsmehrheit unterstützte ihn, die dann 2008 auch einen Beschluss für das Projekt herbeiführte. Ein Architektenwettbewerb wurde ausgelobt, Bürger beteiligten sich und die Stadt suchte nach Geldgebern.
Anfang 2009 war es so weit: Ein Heidelberger Architektenbüro gewann die Ausschreibung, geplant war, den Durchgangsverkehr von der Theodor-Heuss-Brücke bis zum Karlstor unterirdisch verlaufen zu lassen. Über der Erde sollte es eine Flaniermeile mit Cafés und Terrassen geben. Mit großzügiger Förderung durch Bund und Land wurden die Kosten auf 180 Millionen Euro veranschlagt. Geplante Fertigstellung: 2018. Doch das Jahr 2009 sah bereits dunkle Wolken über den Neckar aufziehen: bei der Gemeinderatswahl verloren die bürgerlichen Parteien ihre Mehrheit, ein Jahr später meldete das Regierungspräsidium in Karlsruhe Bedenken an, der Tunnel sei zu teuer. Im Frühjahr 2011 stellte die neu gewählte grün-rote Landesregierung die finanzielle Beteiligung des Landes ein. Das Heidelberger Jahrhundertprojekt war gescheitert.
So war es lange ruhig geworden um die „Stadt am Fluss“, bis Eckart Würzner es erneut im letztjährigen OB-Wahlkampf aufnahm. Wenige Monate nach der Wahl ist er davon nicht abgerückt: „Ich halte ‚Stadt am Fluss‘ für eine essentielle Stadtentwicklungsmaßnahme, den Neckar für Alt und Jung wieder stärker erleb- und erfahrbar zu machen“, teilt er dem ruprecht mit. Eine komplette Untertunnelung sei vom Tisch, möglicherweise könne aber „ein nicht ganz so langer Tunnel tatsächlich eine Lösung“ sein. Konkreter will er noch nicht werden. Denn auch der OB hat dazugelernt: „Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger nach ihren Ideen befragen.“
Mit dem Einvernehmen der Heidelberger Bürger hätte Würzner einen Partner mehr auf seiner Seite. Denn im Gemeinderat stößt sein Vorschlag auf wenig Gegenliebe: Die Grünen lehnen, wie auch schon vor Jahren, einen Tunnel ab, auch in einer verkürzten Variante. Ihr Verkehrsexperte Christoph Rothfuß sieht die Zeit gekommen, „kleine Lösungen“ anzugehen, wie alternative Querungsmöglichkeiten der B37 oder ein Tempolimit. Die SPD möchte die Stadt zwar auch an den Fluss holen und die Uferzonen zwischen Alter Brücke und Neuenheimer Feld „zu einer durchgehenden Promenade ausbauen“. Aber alles ganz ohne Tunnel. Allein die Fraktion „Die Heidelberger“ zählt zu den treuen Tunnel-Freunden. Fraktionsvorsitzender Wolfgang Lachenauer macht aber deutlich: „Eine Neuauflage kann eigentlich nur die alten Pläne wieder aufnehmen, ein verkürzter Tunnel ist nicht sinnvoll.“ Die CDU-Fraktion reagierte nicht auf eine Anfrage; sucht sie etwa noch nach Alternativen unterhalb des Schlosses?
Dass Wolfgang Gallfuß, eine Wiederauflage des Tunnels ablehnt, war zu erwarten. Schließlich gründete er 2009 die „Bürgerinitiative KnUT – Stadt am Fluss ohne Tunnel“ mit. Für ihn ist der Tunnel mehr ein städtebauliches Projekt mit hohem Stadtmarketingwert, als weniger ein Projekt mit einem Effekt zur Verkehrsreduzierung. Das Konzept „Stadt am Fluss light“, ohne Tunnel, dafür mit besseren Zugänglichkeit des Neckars könne er sich vorstellen, wenn damit kein weiterer „Rummelplatz“ zum Nachteil der Altstadtbevölkerung entstehe. „Wenn der OB ein schlüssiges Konzept vorlegt, hätte da niemand was dagegen,“ so Gallfuß.
Damit könnte es nun schneller gehen als gedacht: Nach den Haushaltsberatungen im Frühjahr will Würzner mit den Bürgern in einen „intensiven Dialog“ treten.
Von Michael Graupner
[box type=“shadow“ ]Hier geht es zu Teil eins („Auf der Suche nach dem Altstadttunnel“) und Teil zwei („Vergessener Schaufensterbummel“) der Serie.[/box]