Der Heidelberger Frühling ist beendet, zum Abschluss einer Reihe hervorragender Pianisten kam jedoch noch einmal ein großer Name in die Heidelberger Stadthalle. Rafał Blechacz ist bekannt für sein herausragendes Chopin-Spiel. Am Freitagabend versuchte er sich auch an Bach und Beethoven.
Dass Rafał Blechacz in der Welt von Frédéric Chopin zuhause ist, belegt seine Vita eindrucksvoll. Vor zehn Jahren hatte der polnische Pianist beim bedeutsamen Warschauer Klavierwettbewerb neben dem ersten Preis auch alle Spezialpreise des Wettbewerbs abgeräumt. Den jungen Polen adelnd, verzichtete die Jury zudem auf die sonst obligatorische Vergabe eines zweiten Preises. Sein CD-Debüt gab Blechacz folgerichtig mit den 24 Preludes des polnischen Komponisten. Nun spielte er im Rahmen des Heidelberger Frühlings in der Stadthalle. Gassenhauer von Bach, Beethoven und – natürlich – Chopin.
Bereits nach wenigen Augenblicken von Bachs Italienischem Konzert ist klar, wo die Reise hinführt. Großzügiger Pedalgebrauch, schleifende Triller, weicher Anschlag und stufenlose Dynamik verleihen dem Concerto nach italienischem Gusto einen romantischen, gar französischen Anstrich, welcher den Titel ad absurdum führt. Kontrapunktische Linien in der linken Hand werden bei Blechacz zu verschwommenen, vom Pedal unterlegten Girlanden. Das Andante nimmt Blechacz maximal weich, als hätte er ein Nocturne von Chopin im Kopf. Dass der Klassiker für Soloklavier im zweiten Teil von Bachs Klavierübung, in welche das Werk eingegliedert ist, dabei einer französischen Ouvertüre gegenübersteht, verleitet zum Schmunzeln. Blechacz italienischer Gusto ist wohl französischer als die so bezeichnete Ouvertüre an sich.
Auch Beethovens Klaviersonate Nr. 8, die den Beinamen Pathétique trägt und einen Klassiker der Klavierliteratur darstellt, verleiht der 30-jährige Pole einen romantischen Anstrich. Zwar ist der Bruch aufgrund der geringeren zeitlichen Nähe zur Romantik weniger scharf, ein Mehr an klarer Kante hätte jedoch auch der dramatischen c-Moll-Sonate gut getan. Bereits in der langsamen Einleitung reizt Blechacz das Tempo aus, das feurige Thema nimmt er weniger pathetisch, denn romantisch. Im Schlussrondo längt er Fermaten, verschleppt Auftakte. Kurzum: Er spielt so, wie man es von einem der wohl besten Chopin-Interpreten erwartet. Nur passt dieser gefühlsbetonte Anstrich eben nicht schematisch auf alle anderen.
Nach der Pause ist Blechacz endlich zuhause, steht der zweite Teil ganz im Zeichen von Chopin. An seinem Spiel verändert Blechacz dabei nichts, warum auch – war es doch von vorherein auf die Welt des berühmten polnischen Klavierkomponisten ausgelegt. Der Unterschied der Wirkung könnte größer dennoch kaum sein. Zu Chopins eher unscheinbarem Nocturne op. 62 passt das weiche Spiel bereits hervorragend. Die Sternstunde des Abends stellen jedoch die drei Walzer op. 64 dar, in denen der Pole zu Höchstform aufläuft. Die kristallklaren Linien im Diskant des cis-Moll-Walzers legen offen, was die Jury vor zehn Jahren zu einer derartigen Lobeshymne verleitete. Nach den differenziert vorgetragenen Mazurken op. 56 bildet die kontrastierend donnernde und in sich gekehrte fis-Moll-Polonaise den Abschluss des Abends. Blechacz zeigt hier noch einmal sein ganzes Können und löst zurecht Begeisterungsstürme beim Publikum aus, welches in der Pause noch eher skeptisch dreinblickend auf Teil 2 des Abends gewartet hatte. So entlässt das Publikum Blechacz erst nach zwei Zugaben – ohne Chopin im Programmheft wohl kaum denkbar.
von Jesper Klein