Im März 1945 nähern sich die Amerikaner Heidelberg. Sie fordern den Abzug der Soldaten. Für die Verhandler beginnt ein Wettlauf mit der Zeit.
Sechs Mann ziehen in dieser Märznacht auf der mondbeschienenen Landstraße Richtung Heidelberg, mitten durch das Niemandsland zwischen den Fronten; Sechs Mann mit einer Nachricht, von der das Schicksal der Stadt abhängen wird. Bis zum Morgen muss sie überbracht werden. Nicht viel Zeit, um eine Stadt zu retten.
Es ist der März 1945, und Hitlers Reich kollabiert an allen Fronten. Im Westen sind schon Anfang des Monats die Amerikaner über den Rhein gestoßen. Sie sind von Norden vorgerückt, haben zugleich den Neckar überquert und Heidelberg eingeschlossen.
In der Stadt herrscht völliges Chaos: Heidelberg ist ein einziges Lazarett, überfüllt mit Verwundeten. Von einigen Störfeuern und Bombenabwürfen (etwa auf den Zoo) abgesehen, ist Heidelberg bisher verschont worden. Die Amerikaner wollen die Stadt am Neckar zu ihrem Stützpunkt machen. Neben romantischer Begeisterung dürfte auch die Geografie ausschlaggebend sein: Heidelbergs Lage im Neckartal macht eine Bombardierung schwierig.
Doch am Gründonnerstag, den 29. März, richten sich die Amerikaner per Telegramm an die Stadt: Die gerade eingetroffenen Soldaten sollen bis zum Abend die Stadt verlassen, andernfalls werde sie zerstört. Oberbürgermeister Neinhaus nimmt über eine private Leitung (die Telefonverbindung der Postämter funktioniert nicht mehr) Kontakt zu ihnen auf. Vereinbart wird ein Treffen mit einer Delegation auf der Landstraße nach Dossenheim.
Es ist nicht Neinhaus‘ einziges Problem: Ein Pionierführer der Wehrmacht hat die Sprengung sämtlicher Brücken befohlen. Bereits am Vortag wurde die Hindenburgbrücke gesprengt (die Hauptversorgungsroute der Chirurgie), nun sollen die Friedrichsbrücke und die Alte Brücke gesprengt werden.
Während Neinhaus zum Divisionsstab fährt, um über das Schicksal der Alten Brücke zu verhandeln, brechen die Parlamentäre mit Verspätung auf: Achelis, Leiter der medizinischen Fakultät, zwei Oberstärzte, Leutnant Brüggemann und ein Priester als Dolmetscher. Auch ein Fahrer ist dabei.
Im amerikanischen Divisionsquartier verhandeln die Männer über die kampflose Übergabe der Stadt. Ein Trick soll es möglich machen, den Führerbefehl von der Verteidigung bis zuletzt zu umgehen: Um die Lazarette werden demilitarisierte Schutzzonen errichtet, die sich überschneiden – und so die gesamte Innenstadt abdecken.
„Sollte morgen nur ein amerikanischer Soldat erschossen werden“, machen die Verhandlungspartner klar, „so werden wir eure Stadt erbarmungslos vernichten.“
Die Parlamentäre kehren zurück. Plötzlich aber geraten sie unter deutsches Feuer. Die Amerikaner, die sie bereits hinter den Linien wähnen, feuern zurück. Mehrere Männer werden verletzt, kämpfen sich aber weiter.
Als sie den Neckar erreichen, erwartet sie eine böse Überraschung. Während Neinhaus noch verhandelte, haben die Pioniere bereits die Brücken gesprengt. Hastig brechen sie einen Bootsschuppen auf, nehmen zwei Boote, rudern über den Neckar. Doch bevor die Truppen abziehen können, brauchen sie noch genaue Pläne. Die finden sich im Rathaus – und das ist abgeschlossen. Durch die Wohnung des Hausmeisters gelangen sie schließlich doch ins Innere. Die Division kann abziehen.
In den Morgenstunden des Karfreitag rudern die ersten GIs auf Booten über den Neckar. Am Nachmittag folgen von Mannheim aus Panzerverbände. Aus den Häusern hängen weiße Fahnen. Die Amerikaner halten ihr Versprechen – die Stadt wird geschont. Und zum Sitz ihres Hauptquartiers.
von Michael Abschlag