Purple Planet: Andockstation für alle, die sich für feministische Gesellschaftskritik interessieren, aber bisher „vereinzelt ihre Bahnen durchs All zogen“.
Die Eine oder der Andere kennt es vielleicht: das nahe der touristisch geprägten Steingasse liegende Café Gegendruck. Die Suche nach besagtem Café ist nicht einfach, so unscheinbar liegt es zwischen den Wohnhäusern der Fischergasse versteckt. Aber ein offen stehendes Fenster, hinter dem ein großes, lila Banner mit der Aufschrift „Purple Planet – feministische Kneipe in Heidelberg“ prangt, zeigt dann doch, dass wir richtig sind. Denn die heutige Veranstaltung im Café Gegendruck wird veranstaltet vom Purple Planet.
Gegründet wurde er vor einem Jahr und organisiert seitdem jeden letzen Freitag des Monats einen Vortrag oder Film zum Thema Feminismus mit anschließendem Kneipenabend. Die heutige Veranstaltung trägt den provokanten Titel „Männer in Not? Maskulinistische Antworten auf Privilegienverluste“. Zum Thema Maskulinismus hat die Rednerin des Abends Nina Bust-Bartels, selbst ehemalige Theologie-, Mathe- und Politikwissenschaftsstudentin, ein Feature für den Radiosender SWR 2 erstellt (Transskript der Sendung).
Durch einen normalen Hauseingang gelangen wir ins Café Gegendruck. Eine zusammengewürfelte Sofa-Ecke, politische Flugblätter und Plakate überall an der Wänden, eine etwas deplatzierte Disko-Kugel, provisorische Lichtinstallationen an der Decke und eine hinter einer Bretterwand angelegte Küche, welche nach der Getränkekarte zu schließen die Bar darstellt, erzeugen zusammen ein stark links-politisches, alternatives Flair. Andere Veranstaltungen wie Antifa-Treffen, A-Kneipe der Libertären Gruppe und Vorträge zu Themen wie Tierrechtsbewegung verstärken diesen Eindruck.
Zurück zum heutigen Abend: Nach und nach füllt sich der Raum bis eine halbe Stunde nach dem offiziellen Beginn alle Plätze besetzt sind. Zuerst will Nina alles etwas „kreisiger“ machen, um Dialog und Diskussion zu fördern, was nach vielem Umherrücken zu einem etwas provisorischen Stuhlkreis führt.
Ein handschriftliches, schmuckloses Plakat stellt die Punkte des Abends vor: Von „Was sind Maskulinisten überhaupt“, über „Wo stehen Maskulinisten politisch“ bis zu „Wie agieren Maskulinisten“, verspricht der Vortrag eher wie die Definition einer komplett neuen politischen Subgruppe zu werden.
Tatsächlich aber fängt alles mit den Erfahrungen der Besucher des heutigen Abends an. Nach einem ersten zögerlichen Beitrag erzählen fast alle Teilnehmer von meist unangenehmen, diskriminierenden Begegnungen mit Menschen, die sie für Maskulinisten halten. Nicht alle davon sind es laut Ninas Definition, was sich schon daher schwierig gestaltet, weil der Begriff Maskulinist nicht allgemein anerkannt ist.
Maskulinismus ist keine komplett neue Strömung, sondern eher ein Phänomen, das es seit der Entstehung des Feminismus gibt. Bisherige Kennzeichen war das Pochen auf die traditionelle Rollenverteilung der Geschlechter und die Kampfansage an den Feminismus. „Neu jedoch ist eine Opferideologie, die die Männer als Opfer einer von Frauen dominierten Welt sehe“, sagt Nina. In der Diskussion immer wieder angeführte Beispiele sind das aktuelle Scheidungsrecht, das Frauen öfter die gemeinsamen Kinder zuspricht.
Politisch ist der Maskulinismus nicht eindeutig zu verorten. Dennoch finden sich gehäuft Anknüpfungspunkte zum liberalen, konservativen, aber auch rechten Spektrum. Hinrich Rosenbruck, Sozialwissenschaftler an der Universität Marburg, der von Nina für das Feature interviewt wurde, zieht sogar strukturelle Parallelen zum Antisemitismus. In beiden Fällen werde ein übermächtiger Gegner konstruiert, gegen den keine Chance bestehe, obwohl man sich selbst als überlegene Gruppe fühle.
Hauptplattform für die Verbreitung von maskulinistischen Gedankengut sei laut Nina das Internet. Ganze Hasstiraden finden sich in gut besuchten Blogs wie „Wieviel Gleichberechtigung verträgt Deutschland“ oder „Genderama“. Zwar sind Maskulinisten keine zentral organisierte Gruppe, sondern eher Einzelpersonen, die antifeministische Einstellungen vertreten. Trotzdem versuchen Einzelne auf konservative Medien, wie zum Beispiel auf die Zeitschrift Focus, Einfluss zu nehmen.
Nach einer lebhaften Diskussion schließt Nina ihren dialogisch gehaltenen Vortrag mit dem etwas missionarischen Aufruf, auf die Gefahr, die vom Maskulinismus ausgeht, aufmerksam zu machen und Freunde mit ähnlich maskulinistischem Gedankengut vom Gegenteil zu überzeugen.
von Monika Witzenberger