Die Halle ist wieder da. Wie lange noch?
Ungewissheit – dieses Gefühl kennen die Macher der Halle 02 nur allzu gut. Jahrelang hangelte man sich von Mietvertrag zu Mietvertrag. Auch war zunächst unklar, ob sich die Stadt Heidelberg für eine Sanierung der Güterhallen entscheiden würde, die ihr seit 2011 gehören. Ende 2012 kam endlich das Ja zum Umbau, im Sommer 2013 erhielten die Betreiber einen langfristigen Mietvertrag über zehn Jahre: Die Bauarbeiten konnten beginnen.
Vor Kurzem aber wurde bekannt, dass sich die Halle mit starken Liquiditätsproblemen konfrontiert sieht, wenn nicht der Kulturzuschuss für 2016 vorgezogen wird. Jetzt liegt es an der Stadtverwaltung, über die Zukunft des Kult-Klubs zu entscheiden.
Bereits die Sanierungsphase gestaltete sich alles andere als einfach, schließlich erfolgte sie bei laufendem Betrieb. Ein Brand am Dach des ehemaligen Zollamtes blieb zwar ohne große Folgen, dennoch verzögerten sich die Baumaßnahmen. Mit der Fertigstellung des Umbaus wird im Spätsommer gerechnet. Trotzdem eröffneten die Betreiber Ende März ihre neue alte Halle 02. Grund genug zu fragen: Was ist fertig und was noch nicht?
Ortstermin. Felix Grädler, Geschäftsführer der Halle, führt durch die Räumlichkeiten. Im Foyer befindet sich die Garderobe – nüchtern, zweckmäßig, passend zum robusten Charme der Güterhallen. Rechts liegt der große Saal mit zwei Bars und Platz für bis zu 1200 Personen. Nach links geht es in den Club, das Herzstück der neuen Halle. Zahlreiche Sitzgelegenheiten verleihen dem Club Lounge-Charakter. Das brandneue Funktion-One-Soundsystem sorgt für eine brillante Akustik, während die LED-Lichtanlage und die Videowand visuell Akzente setzen.
Will die Halle nun plötzlich mit Klubs in Weltstädten wie Berlin oder New York mithalten? „Nein“, versichert Grädler. „Uns geht es vielmehr darum, dem Publikum beste Klangqualität zu liefern und damit Künstler auf uns aufmerksam zu machen.“ In Zeiten, in denen Musik nicht gekauft, sondern gestreamt wird, seien DJs, Bands und Musiker finanziell auf Konzerte und Auftritte angewiesen. Da sie aber die gleiche Gage bekämen, „egal, ob in Frankfurt, Stuttgart oder Göppingen“, sei es wichtig, dass man insbesondere etablierten Künstlern „on top“ etwas biete.
So ist die erhöhte Bühne im Saal mit der neuesten Technik und absenkbaren Trägern für die Beleuchtung ausgestattet. Im noch unfertigen Backstage-Bereich wird es zudem eine Küche nur für die Musiker und Künstler geben. Spätestens jetzt ist klar: Hier hat man sich Gedanken gemacht, um den Kreativen beste Bedingungen für ihre Kunst zu schaffen. Die Baugerüste an der Außenfassade bezeugen hingegen, dass noch längst nicht alles fertig ist. In den kommenden Wochen und Monaten sollen der „Kiosk im Zollhofgarten“ sowie ein Restaurant im vordersten Teil der Güterhallen folgen.
Man merkt sofort, dass die Halle ihrem eigenen Anspruch gerecht werden will, mehr zu sein als nur ein Klub mit kommerziellem Programm. Sie experimentiert mit ständig neuen Veranstaltungsformaten – beste Beispiele sind die elektronische Reihe „Heart Beats“ oder „Neon“ –, bietet Newcomern und Musikern aus der Region eine Plattform und möchte sich daneben als soziokulturelles Zentrum der Bahnstadt etablieren.
Das ist auch ganz im Sinne der Stadtverwaltung, die 4,5 Millionen Euro in die Sanierung der Güterhallen investiert hat. Das Geld fließt in die Wärmedämmung, Energieeffizienz- und Lärmschutzmaßnahmen. Die Betreiber selbst brachten 2,7 Millionen Euro auf, um das Interieur nach ihren Vorstellungen zu gestalten und die Räume mit modernster Bühnen-, Licht- und Tontechnik aufzurüsten.
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Gegenwind schlägt der Halle 02 nun wegen des 75.000-Euro-Zuschusses entgegen, den sie von der Stadt für ihren Kulturauftrag erhält. Dass sich die Umsätze durch die Verzögerung der Bauarbeiten jedoch nahezu halbieren würden, war nicht vorherzusehen. Als Lösung haben die Betreiber beantragt, den Zuschuss für 2016 vorzuziehen, um nicht in die Insolvenz zu geraten. Sofort ätzten die Kritiker: „Was hat die Halle 02 mit Kultur zu tun?“
Mit diesem Vorwurf muss sich Felix Grädler wieder einmal auseinandersetzen. Er schüttelt den Kopf: „Natürlich finden in der Halle auch kommerzielle Veranstaltungen statt, wie die 90er Party oder Firmen-Events. Mit diesen Erlösen subventionieren wir dann aber beispielsweise Auftritte junger Bands und DJs oder Kooperationsveranstaltungen mit dem DAI und dem Heideberger Frühling.“ Ob es mit der Halle überhaupt weitergeht, darüber hat indes die Stadtverwaltung zu entscheiden.
Rathaus Heidelberg am Mittwoch, 29. April, 18:45 Uhr: In wenigen Momenten stimmen die Stadträte über Tagesordnungspunkt 18 „Kulturhalle Bahnstadt: Erhöhung des institutionellen Zuschusses in 2015 um einmalig 75.000 Euro auf insgesamt 150.000 Euro“ ab. Missmanagement wird den Betreibern vorgeworfen, das Kulturkonzept der Halle scheint nicht alle Stadträte zu überzeugen.
Überhaupt herrscht Uneinigkeit in der Frage, was unter Kultur zu verstehen sei. Letztlich räumt die Stadt ihre Mitverantwortung am finanziellen Engpass ein. Nach halbstündiger Debatte fällt die Entscheidung: 13 Ja-Stimmen, keine Gegenstimmen, 4 Enthaltungen. Die Halle 02 ist gerettet. Fürs Erste.
Mit diesem Beschluss ist jedoch auch klar, dass man 2016 ohne zusätzliche Mittel auskommen muss. Zudem beschuldigen die Betreiber anderer Diskotheken die Halle der Wettbewerbsverzerrung. Dunkle Wolken am Horizont – schon wieder. Doch daran haben sich Grädler und sein Team mittlerweile gewöhnt. Jetzt kommt erst mal der Sommer.
von Annett Giebelhausen