Die Große Koalition kündigt Finanzierungshilfen und eine Gesetzesnovelle an.
Nach mehrfachen Ankündigungen durch Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) reagiert die Bundesregierung auf die zunehmend schlechten Arbeitsbedingungen für Nachwuchswissenschaftler in Deutschland. Arbeitsverträge, die in rund 84 Prozent aller Fälle befristet sind und bei Promotionen oft nur eine Laufzeit von einem halben Jahr haben, fehlende Perspektiven für langfristige Anstellungen und hoher Arbeitsaufwand sorgen für große existenzielle Unsicherheit bei bis zu 200 000 jungen Wissenschaftlern.
Maßnahmen dagegen wollen Union und SPD auf zwei Wegen ergreifen – zuerst durch die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Dieses Gesetz ermöglicht Kurzzeitverträge, die Flexibilität in der Wissenschaft schaffen sollen. Diese Flexibilität werde gegenwärtig jedoch ausgenutzt, so Wanka. Zukünftig solle sich die Dauer der Arbeitsverträge an der Dauer der Promotion oder des zugehörigen Drittmittelprojektes orientieren. Der Gesetzesentwurf der Ministerin dafür ist schon fertig; wie die Koalitionsfraktionen zu ihm stehen, ist jedoch noch nicht klar. Laut der Fraktionsspitzen sei man „auf dem Weg zu einem Kompromiss“ und plane einen Beschluss noch im Jahr 2015.
Die zweite Maßnahme besteht aus einer stärkeren Finanzierung langfristiger Stellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Dies hatte die Bundesbildungsministerin bereits im März angekündigt, nun konkretisiert die Große Koalition die Planungen: Zusammen mit den Ländern soll ab 2017 über zehn Jahre hinweg eine Milliarde Euro bereitgestellt werden. Das bedeutet umgerechnet 100 Millionen Euro pro Jahr, verteilt auf alle deutschen Universitäten und deren zahlreiche Fachbereiche. Es darf stark bezweifelt werden, ob so eine tatsächliche Verbesserung erreicht wird. Wofür genau das Geld ausgegeben werden soll, ist ebenso noch unklar – die SPD jedoch hat in einem Eckpunktepapier zusätzliche Forderungen formuliert. Sie will 1500 neue Juniorprofessuren bis 2021 schaffen und so deren Zahl nahezu verdoppeln. Dabei setzen die Sozialdemokraten auf das amerikanische „Tenure Track“-Modell, das bisher in Deutschland kaum angewendet wird: Juniorprofessoren mit „Tenure Track“-Option müssen keine Habilitationsschrift verfassen, dafür ist die Stelle zunächst für mehrere Jahre auf Bewährung angelegt und kann nach guter Evaluation in eine unbefristete, reguläre Professur umgewandelt werden. Dieses Modell hatte Wanka ebenfalls schon gefordert. Zustimmung finden die Vorschläge der SPD bei der Bildungsgewerkschaft GEW. Sie könnten „einen wichtigen Beitrag für die Stabilisierung von Beschäftigung und berechenbare Laufbahnen an den Hochschulen“ leisten, so der stellvertretende GEW-Vorsitzende Andreas Keller.
Die Planungen der Koalition begrüßt auch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), sie verweist jedoch auch auf einen „Orientierungsrahmen“ der HRK aus dem vergangenen Jahr. Darin wurden auch verstärkt feste Stellen für Nachwuchswissenschaftler abseits von Professuren gefordert.Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen, zu der neben der HRK auch prominente Institutionen wie die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) gehören, fordert vom neuen Wissenschaftszeitvertragsgesetz konkrete Vorgaben für die Vertragsdauer. Die Max-Planck-Gesellschaft selbst hat kürzlich ihr eigenes System zur Nachwuchsförderung umgestellt und 50 Millionen Euro für bessere Perspektiven für Doktoranden und Postdocs veranschlagt. Künftig erhalten alle Doktoranden der MPG nicht nur Stipendien, sondern vollwertige Förderverträge inklusive Sozialleistungen und einer Mindestdauer von drei Jahren mit Option auf eine zwölf-monatige Verlängerung.
von Simon Koenigsdorff