Der Karlstorbahnhof braucht mehr Platz und zieht nun definitiv in die Südstadt. Das Karlstorkino wehrt sich gegen die Umzugspläne des Karlstorbahnhofs und droht mit Abspaltung.
Noch ist zwar nichts spruchreif, aber eigentlich ist die Entscheidung bereits gefallen: Der Karlstorbahnhof wird vom jetzigen Standort am Rande der Altstadt in die Stallungen am Exerzierplatz, dem ehemaligen Gelände der NATO-Truppen, in die Südstadt ziehen. Mit den Umzugsgedanken scheint im Kulturhaus jedoch niemand besonders glücklich zu sein. „Der Umzug ist nicht, was wir wollen, sondern was wir machen müssen“, gibt Karlstorbahnhof-Pressesprecher Tobias Breier zu.
Paradoxerweise wird dem Karlstorbahnhof der eigene Erfolg zum Verhängnis. Viele der Künstler, die vom Karlstorbahnhof entdeckt und gefördert wurden, sind inzwischen zu populär geworden, um im jetzigen Gebäude aufzutreten. „Nicht weil sie nicht wollen, sondern weil wir schlicht ein Platzproblem haben“, betont Breier. Unter diesen Gesichtspunkten scheint der geplante Umzug auf die Konversionsflächen sinnvoll. 900 Stehplätze soll es im neuen großen Saal geben und bei bestuhlten Veranstaltungen 450 Plätze – doppelt so viele wie jetzt.
Auch die Infrastruktur bietet neue Möglichkeiten. „Dort hätten wir endlich Parkplätze, was für Besucher aus der Region ein Vorteil ist“, erklärt Breier, erinnert aber, dass man frühestens im September 2017 umziehen könne.
Bis dahin muss vor allem die finanzielle und politische Situation geklärt sein. Mit rund 9 Millionen Euro rechnen die Verantwortlichen für den Umzug. Viel Geld, aber mindestens 2 Millionen Euro billiger, als den „alten“ Karlstorbahnhof umzubauen, wie Breier berichtet, da der komplette Betrieb für zwei Jahre eingestellt werden müsste.
Bezahlen soll den Umzug zu einem Drittel die Stadt und zu zwei Dritteln das Land. Die Stimmung dafür scheint günstig. Im Doppelhaushaltsentwurf 2015/16 des Gemeinderats sind 3,3 Millionen Euro für den Umzug vorgesehen und werden wohl im Sommer beschlossen.
Dann steht jedoch noch eine weitere wichtige Entscheidung an, nämlich ob die Stadt Heidelberg oder der Karlstorbahnhof selbst, über die sogenannte Erbpacht, Bauherr wird. „Wir würden die Erbpacht präferieren“, stellt Breier klar, „dann müsste man keine öffentlichen Ausschreibungen durchführen und könnte sich viel Bürokratie sparen.“
Eine Entscheidung indes ist bereits gefallen, wie Breier verrät: „Wir sind der Karlstorbahnhof und egal, wo in Zukunft unsere Veranstaltungen stattfinden, es wird immer Karlstorbahnhof darüber stehen.“
Im falschen Film
Schon bevor eine Entscheidung zum Verbleib des Karlstorbahnhofs gefallen ist, entbrennt bereits der erste Streit. Der Großteil der Mitglieder des Vereins „Medienforum“ des Karlstorkinos, welches unabhängig vom Karlstorbahnhof Untermieter ist, strebt den Erhalt des Kinos am jetzigen Standort an.
Im wahrscheinlichen Falle eines Umzugs des Karlstorbahnhofes würden sich Kino und Kulturhaus also abspalten. Jo-Hannes Bauer, Erster Vorsitzender des Vereins, verteidigt diesen Schritt: „Was nicht zusammen gehört, kann auch nicht abgespalten werden. Wir sind nur Untermieter und haben ganz andere Strukturen und Aktivitäten.“
Dem widerspricht Tobias Breier, Pressesprecher des Karlstorbahnhofs energisch. „Bis jetzt haben wir sehr erfolgreich kooperiert, wie beispielsweise beim Queer-Festival, bei dem sich die Veranstaltungen toll ergänzen. Wir hätten das Kino daher gerne auch im neuen Karlstorbahnhof dabei.“ Er vermutet, dass die Initative zum Erhalt des Kinos am jetzigen Standort vor allem von Mitgliedern ausgehe, die in der Altstadt wohnen und den weiten Weg auf die Konversionsflächen nicht auf sich nehmen wollen.
Tatsächlich bestreitet das Bauer noch nicht einmal. Doch daneben erwartet er, dass man 30 Prozent des Publikums an einem neuen Standort verlieren würde. „Gerade Studenten, die in der Altstadt wohnen, haben doch keine Lust für einen Kinofilm bis in die Südstadt zu fahren“, erklärt er.
Ob das Karlstorkino überhaupt im jetzigen Gebäude bleiben kann, ist indes mehr als fraglich. Der Stadt als Eigentümer würde nach dem Auszug des Kulturhauses die Verantwortung für die Nutzung der Räumlichkeiten obliegen. Im Rathaus gibt es für diese Situation zwar noch keinen offiziellen Plan, aber Breier könnte sich vorstellen, dass die Stadtverwaltung die Räume für die eigenen Büros nutzen möchte.
Auch Jo-Hannes Bauer bestätigt, dass das Karlstorkino auf diese Entscheidung wohl wenig Einfluss haben wird. Er hofft hingegen auf eine neue kulturelle Institution – das Literaturhaus. Dieses wird seit Jahren von vielen Bürgern gefordert und hat mit der Aufnahme Heidelbergs in den Kreis der Unesco-Literaturstädte nochmals einen merklichen Antrieb erhalten. „Eine Verbindung mit dem Literaturhaus würde gut passen und wäre sicherlich eine Bereicherung für die Stadt“, ist sich Bauer sicher.
Da aus dem Umfeld des Literaturhaus-Freundeskreises jedoch Skepsis gegenüber einem Standort im „alten“ Karlstorbahnhof zu vernehmen ist, zeigt sich Bauer sogar offen für ein anderes Gebäude innerhalb der Altstadt – nur auf die Konversionsflächen möchte man nicht. Es scheint, als ob eine zwanzigjährige Zusammenarbeit im Streit zu Ende gehen könnte.
Von Felix Hackenbruch