Unerwartetes Studienergebnis: Im Vergleich zu 1994 ist die Zahl von Studierenden mit psychischen Problemen spürbar zurückgegangen.
Eine Studie an der Universität Heidelberg, die sich mit den psychischen Problemen von Medizin- und Psychologiestudenten befasst, kam zu einem überraschenden Ergebnis. Beim Vergleich von psychischen Belastungen Studierender im Jahre 2012 mit gleicher Methodik wie 1994 stellten die Wissenschaftler einen Rückgang fest. Unter der Leitung von Rainer Holm-Hadulla wurde die psychische Situation der Studierenden mithilfe zweier standardisierter Fragebögen ermittelt. Schätzten sich 1994 von insgesamt 344 Studierenden beider Fächer noch 22 Prozent als klinisch beeinträchtigt ein, so waren es 2012 bei 293 Befragten nur noch 16 Prozent.
Das würde bedeuten, dass in den letzten zwanzig Jahren ein signifikanter Rückgang von psychischen Störungen stattgefunden hat. Insofern widerspricht das Ergebnis populären Meinungen und Konsultationszahlen von Studierendenwerken: Isabella Albert, Vorstandsmitglied des Freien Zusammenschlusses von StudentInnenschaften e.V. (FZS), erklärt anlässlich der kürzlich publizierten Studierenden-Survey der Universität Konstanz: „Nach Zahlen des Deutschen Studentenwerkes hat sich der Bedarf an psychologischer Beratung bei Studierenden von 2003 bis 2012 mehr als verdoppelt.“
Auch Holm-Hadulla, leitender Arzt der Psychosozialen Beratungsstelle des Heidelberger Studierendenwerks, betont, dass die Ergebnisse weiter wissenschaftlich abgesichert werden müssten. Eine abschließende Erklärung für diese Veränderung hat er aber bislang noch nicht. „Ich glaube, der Rückgang der psychischen Störungen liegt daran, dass die Studien- und Lebensbedingungen heutzutage besser sind. Gutes Essen, Sport und anderes“, so Holm-Hadulla in einem Interview.
Den Einwand, dass doch gerade durch den Bologna-Prozess und die Einführung des Bachelor/Master-Systems das Studium stressiger und belastender geworden sei, weist er zurück. Für viele Studierende sei „die stärkere Strukturierung des Studiums ein Segen.“ Die erhöhten Konsultationszahlen an psychosozialen Beratungsstellen führt er auf ein besseres Bewusstsein für psychische Belastungen zurück. Diese würden, so Holm-Hadulla, nun früher und besser erkannt und behandelt, dabei gelegentlich aber zu schnell diagnostiziert.
von Dorina Marlen Heller