Die Legalisierung von Cannabis bleibt in der Diskussion. Aktivisten leisten Überzeugungsarbeit.
Das letzte Treffen des Hanfverbands Rhein-Neckar fand im Nichtraucherraum einer Mannheimer Kneipe statt. Etwa 20 Aktivisten mit unterschiedlichem Hintergrund diskutierten dort, wie ihre gemeinsame Vision einer Legalisierung von Cannabis auf regionaler Ebene weiter voran gebracht werden könnte. Angesichts der ausführlichen Berichterstattung in den Medien herrscht bei vielen der Aktivisten derzeit Aufbruchstimmung. Trotzdem würden sie lieber gar nicht hier sitzen müssen, oder wie ein Mitglied der Gruppe ironisch anmerkte: „Unser Ziel ist es, uns aufzulösen.“
Dass nun in der breiten Öffentlichkeit über das Thema diskutiert wird, sehen die Befürworter der Legalisierung allerdings schon als ersten Erfolg. Als nächsten Schritt planen die Aktivisten einen „Cannabis Social Club“ für Heidelberg, einer Art gemeinnütziger Verein, welcher den Anbau und die kontrollierte Abgabe von Cannabis zur medizinischen Nutzung sowie als Genussmittel ermöglichen soll. Der Club würde strengen Regeln und Leitlinien folgen: So wäre die maximale Abgabemenge begrenzt, die enge Zusammenarbeit mit Suchtberatungsstellen und eine wissenschaftliche Begleitung sind ebenfalls angedacht. Dadurch sollen auch Gegner einer vollständigen Freigabe überzeugt werden. Ähnliche Clubs gibt es bereits in Spanien und Belgien; besteht ein wissenschaftliches oder anderes öffentliches Interesse, ist eine Ausnahmegenehmigung als Modellprojekt theoretisch auch in Deutschland möglich.
Damit es nicht allein bei der Theorie bleibt, versuchen die Aktivisten auf verschiedenen Ebenen für ihr Anliegen zu werben und über die Nutzung von Hanf zu informieren. Dass es Risiken gibt, über die Aufklärung erfolgen muss, geben auch sie zu. Gleichzeitig basieren viele scheinbare Verbotsargumente noch immer auf Klischees oder mangelnder Information.
Deshalb fand im April eine Podiumsdiskussion zum Thema „Ein Cannabis Social Club für Heidelberg“ in der Halle 02 statt. Für großes Medienecho sorgte auch das Gespräch mit Oberbürgermeister Eckart Würzner im Rahmen von #Hol den OB. Besonders öffentlichkeitswirksam war der „Global Marijuana March“ im Mai, bei dem circa 350 Menschen für die Legalisierung und Entkriminalisierung von Cannabis demonstrierten.
Solche Protestveranstaltungen gehören für den Hanfverband ebenfalls dazu, zeigen aber auch, dass sich die Aktivisten immer ein einem gewissen Spannungsfeld bewegen: Zwischen gezieltem Zuspitzen und Polarisieren einerseits, sowie dem Bemühen, Außenstehende nicht abzuschrecken andererseits.
Grundsätzlich läuft die Arbeit der Gruppe oft nach dem Prinzip: „Ich habe Lust, was zu machen, wer macht mit?“, sagt Mariana Pinzón Becht vom Hanfverband. „Solange es um Aufklärung zur Legalisierung von Hanf geht, sind alle Aktionen valide.“ Keinen Spaß versteht man allerdings bei illegalen Aktionen und Trittbrettfahrern, die bei Veranstaltungen wie dem Global Marijuana March versuchen, illegale Substanzen an die Teilnehmer zu verkaufen. „Das geht gar nicht“, meint ein Mitglied der Gruppe dazu.
Um einen Cannabis Social Club in Heidelberg Realität werden zu lassen, wäre zunächst ein Antrag des Gemeinderats auf Genehmigung eines Modellprojekts beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nötig, welches dem Gesundheitsministerium unterstellt ist. Aktuell hätten die Antragsteller wohl keine Mehrheit, da bisher lediglich die Fraktionen Linke/Piraten und die Grünen einen Antrag unterstützen. Um das zu ändern, müsste weitere Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Stadtrat Oliver Priem (Grüne) erklärte auf Anfrage: „Wenn wir jetzt den Antrag stellen und er abgeschmettert wird, ist das Thema erst einmal für ein paar Jahre ‚verbrannt‘.“ Dass es allerdings noch in dieser Wahlperiode des Gemeinderats passieren könnte, hält der Piraten-Stadtrat Alexander Schestag für durchaus realistisch. Auch auf nächsthöherer Ebene bestehen momentan nur geringe Chancen, da das Gesundheitsministerium von der CDU geführt wird. Ein Antrag vor der Bundestagswahl 2017 wäre also in erster Linie ein Mittel, um gemeinsam mit anderen Kommunen, die sich für Cannabis Social Clubs aussprechen, Druck auf die Bundesebene auszuüben, sagt Priem. Wie das funktionieren kann, hat in gewisser Weise just die FDP vorgemacht: Auf ihrem letzten Parteitag hat sie sich auf Druck der Landesverbände die Legalisierung von Cannabis ins Programm geschrieben.
Die Argumente für und wider die Legalisierung wurden in der aktuellen Berichterstattung ausführlich behandelt. Auf beiden Seiten gibt es einleuchtende und valide Argumente. Es scheint allerdings, dass gerade viele Positionen zum Fortbestand des Verbots auf einer starr konservativen Grundhaltung gegründet sind. Doch wie schon die Abschaffung der Wehrpflicht oder der Atomausstieg gezeigt haben: Auch als „alternativlos“ und unantastbar geltende Gegebenheiten können sich unter gewissen Umständen ändern oder neu ausgelegt werden.
Bis der legale Konsum von Cannabis in Heidelberg möglich ist, muss wahrscheinlich noch einiges Wasser den Neckar hinunter fließen. Doch die Aktivisten vom Hanfverband Rhein-Neckar sind optimistisch. Die Frage scheint für viele bloß noch wann, und auf welcher politischen Ebene der erste Schritt hin zur Legalisierung erfolgt. Mit diesem käme die Gruppe dann auch ihrem immanenten Ziel sich aufzulösen näher. Für Mariana Pinzón Becht gilt zunächst aber: „Du musst in der Diskussion bleiben!“
Von David Kirchgeßner