Das [ak.T]-heater bringt mit „Die Grünen Schuhe“ Geschichten über und mit Flüchtlingen aus Heidelberg auf die Bühne.
Ein heller Probenraum. Hinter einem Mikrofon ein brauner Lockenkopf, auf einem Stuhl am vorderen Rand des Parketts ein schwarzer Kopf mit Baseballkappe. „Es gibt Reisen, die verändern den Reisenden“, sagt der Brünette laut und bedächtig. Sein Gegenüber antwortet ebenfalls mit kräftiger Stimme. Ein Gespräch kommt in Gang und gewinnt allmählich an Tempo. Dass der zweite der Männer dabei Wolof spricht, eine westafrikanischen Sprache, stört den Dialog wundersamer Weise nicht. Geprobt wird die erste Szene des Theaterstücks „Die grünen Schuhe“, welches die freischaffende Künstlergruppe [ak.T]-heater bald auf die Bühne bringen wird.
Geflohene Menschen begegnen einem meist als Zahlen in Nachrichtenberichten, als Problem, das es in der Politik zu bewältigen gilt und ja, auch manchmal auf der Straße. Hier werden sie ausnahmsweise zu Protagonisten. Im Theater sollen die menschlichen Aspekte des Fliehens im Vordergrund stehen – und auf der Bühne Geflohene sowohl als Charaktere als auch als Künstler.
Einige der Flüchtlinge, die sich an der Produktion beteiligen, sind erst vor wenigen Monaten in Heidelberg angekommen. Kennengelernt haben die Künstler diese in den Patton Barracks, in denen ca. 160 alleinstehende, männliche Flüchtlinge wohnen. Nachdem Plakate keine Reaktionen hervorriefen, besuchte das Team die Unterkunft erneut. Diesmal spielten sie auf den Fluren Musik und lasen Texte vor. Da kamen Schaulustige heran, Interessierte besuchten die Proben und schließlich waren zehn Musiker und Schauspieler fest in die Produktion eingebunden. Hubert Habig, künstlerischer Leiter der Produktion, schwärmt von deren Können: „Wir haben einen Pianisten dabei, der hat ein Repertoire von Beethoven bis John Cage. Und einen Trommler, der kann Dinge, an denen beißen sich deutsche Koryphäen die Zähne aus.“
Die Kommunikation in den Proben verläuft auf Englisch und sei daher ebenfalls unproblematisch. War er überrascht, dass die Kooperation so gut funktioniert? Nur bedingt. „Die Leute, die hier ankommen, sind keine Hänger! Die wollen etwas schaffen.“
Lamin Bah* wollte eigentlich gar nicht nach Europa. Er ist 25 Jahre alt und Metallbauer. Vor vier Jahren brach er aus Gambia, seiner Heimat, auf, um in einem anderen Land eine Arbeit und eine Zukunft zu finden. Nach einigen Jobs im Senegal, im Niger und einer LKW-Fahrt durch die Wüste, gelangte er nach Libyen. Als er von dem Weg seiner letzten Jahre erzählt, klingen aus seinem Mund selbst die Namen der Städte fremd, die man aus den Nachrichten kennt. In Libyen fand Lamin Arbeit, wurde gut bezahlt, konnte Geld zu seiner Mutter schicken.
Eigentlich wäre er gern dort geblieben, aber der Beginn des Bürgerkriegs machte ihm das unmöglich. Also ein erneuter Aufbruch: Er sparte sein Gehalt und bezahlte einen Schlepper. Ein Boot über das Mittelmeer, schließlich ein Zug nach Deutschland. Das ist mehr als nur ein weiter Weg. „Ich wusste nicht, was mich erwartete. Auf der Fahrt durch die Wüste habe ich gesehen, wie meine Mitreisenden starben“, offenbart Lamin. Und: „Wenn ich mit Freunden spreche, sage ich ihnen, dass sie nicht versuchen sollen, nach Europa zu kommen.
“Auf der Bühne wird er nicht seine eigene Geschichte spielen. Zu Beginn gefiel ihm das nicht: Er wollte nicht, dass das Publikum denkt, er hätte wirklich im Gefängnis gesessen. Daher übt er nun, sich nach Fall des Vorhangs noch einmal in echt vorzustellen. Material für das Stück boten Biographien vom Aufbrechen, Verlieren und Finden, die sich mit viel Kraft dagegen wehren, in dieselbe Schublade gesteckt zu werden. Der Handlungsstrang windet sich durch die verschiedensten Orte und Zeiten. Iphigenie auf Tauris steigt von einem Stuhl und wird zu einer Marokkanerin; den Titel lieferten ein Paar grüne Lackschuhe, die nach dem zweiten Weltkrieg ein Schulmädchen im Sudetenland zurücklassen musste. „Gibt es ein unsichtbares Band, das die Geschichten verbindet und vielleicht zusammenhalten kann?“, fragt [ak.T]-heater auf ihrer Internetseite.
Entscheidend wird für das Team vor allem, was während des Spielens entsteht, an vorgefertigte Konzepte glauben sie nicht. Als Regisseur könne man sich nicht überlegen, was man vermitteln möchte und die Schauspieler dann „nur noch handwerklich umsetzen lassen“, sagt Habig. „Das funktioniert nicht – nicht bei Themen, die wirklich spannend sind.“
Die Premiere wird am 24. Juni im Rahmen des Festivals „Sommer-Theater in der HebelHalle“ stattfinden, welches die Gruppe organisiert.
von Hannah Bley, Deborah Hankings-Evans