Kanupolo ist in Heidelberg voll im Trend. Mit Paddel und Ball wagen sich die „Neckarkrokodile“ auf’s Wasser.
Was vom Neckarufer nach einer großen Karambolage von Kajaks aussieht, nennt sich „Kanupolo“. „Es ist eine Mischung aus Handball und Schiffe versenken – der Spieler im Ballbesitz darf nämlich versenkt werden!“, erzählt die Studentin Hannah Rothermel. Die 24-Jährige spielt seit drei Jahren Kanupolo und gehört zum Team der Heidelberger Mannschaft „Neckarkrokodile“.
Trainiert wird zweimal die Woche auf dem Neckar, falls es klappt trifft man sich auch ein drittes Mal am Wochenende. Nur in Ausnahmefällen lässt man sich durch Wetterbedingungen einschränken „Wir trainieren jeden Dienstag und Donnerstag von halb sieben bis Sonnenuntergang – auch im Winter“, sagt Hannah stolz.
Kanupolo wird in Einerkajaks gespielt, die Ziele werden normalerweise zwei Meter über der Wasseroberfläche befestigt. Mit Schwimmweste und Schutzhelm ausgestattet, darf der Ball entweder per Hand oder mit dem Paddel ins Tor befördert werden. Aus Sicherheitsgründen sollte man das Paddel jedoch weniger als Baseballschläger nutzen – es dient vielmehr als verlängerter Arm für Ballaufnahmen und Spielpässe. „Leider ist es auch oft sehr schwierig, mit dem Paddel genau zu zielen. Um anzugeben, benutzt man es aber doch sehr gerne“, lacht Hannah und zeigt auf ihren Teamkollegen, der den Ball in diesem Moment einem Katapult ähnlich aufs Tor schießt.
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FOTOSTRECKE Kanupolo auf dem Neckar
Der Mannschaftssport, der lange nur als Aufwärmetraining der Kanuten diente, setzte sich in Deutschland Mitte der 1920er Jahre als eigene Wettkampfdisziplin durch. Obwohl schon 1927 erste deutsche Meisterschaften ausgetragen wurden, erkämpfte sich der Wassersport erst nach dem zweiten Weltkrieg die nötige Aufmerksamkeit. Mit der Entdeckung moderner Kunststoffe war ein wesentlich schnelleres Spielniveau möglich, was die Sportart auch für Zuschauer attraktiver machte. Spätestens seit der Einführung einer Kanupolo Bundesliga 1995 ist der Wassersport konkurrenzfähig. „Als Unimannschaft treten wir jedes Jahr im November bei den deutschen Hochschulmeisterschaften an. Bisher war unser Team fast immer unter den besten 16 in Deutschland!“, erzählt Hannah selbstsicher. Da das Regelwerk keine festen Positionen der Spieler festlegt, gehört die Koordination zu den größten Herausforderungen auf dem Wasser. Sich schnell und wendig mit dem Kajak fortzubewegen, ist daher elementar. Schließlich kommt die Ballbeherrschung als erschwerender Faktor hinzu. „Zwei Abläufe gleichzeitig zu steuern, ist sehr kompliziert. Am besten ist es, wenn schon eine der Fähigkeiten intuitiv abläuft“, rät die Lehramtsstudentin.
Neben der Taktik sind körperbetonte Zweikämpfe Zutaten jedes Kanupolospiels. Beispielsweise ist das „Versenken“ eines Gegenspielers durch Schubsen an der Schulter erlaubt. Diese Handlung wird nicht als Foul gewertet, da man den gegnerischen Angriff mit einer Kenterrolle abwehren kann. Zwar verlangt das Kentern mit Ball jahrelange Übung, verhindert aber bei Erfolg die Abgabe des Spielzuges. Misslingt die Unterwassererfahrung, ist die erste Hilfeleistung manchmal taktisch motiviert. „Braucht ein gegnerischer Spieler Hilfe beim Auftauchen, versucht er sich unter Wasser an der Spitze unserer Boote festzuhalten. Durch die Berührung ist man nach der Rettungsaktion automatisch im Ballbesitz“, erklärt Hannah.
Für die Nachwuchsarbeit wird die Kooperation mit der Universität Heidelberg genutzt. Seit fast vier Jahren werden über den Hochschulsport Kanupolokurse angeboten. Dass das Training der Zöglinge idealerweise zur selben Zeit wie das der Profis stattfindet, fördert zum einen den Kontakt zwischen den Generationen und gibt zum anderen Raum für Taktiklehrstunden vom Expertenteam.
„Viele haben mal mit einem Kajakkurs im Hochschulsport angefangen oder wechseln aus den Unikursen zu uns. Ansonsten sind es vor allem Freunde, die sich nach dem ersten Schnupper-Training ärgern, erst jetzt Kanupolo entdeckt zu haben“, sagt Hannah. Vom Aussterben scheinen die „Neckarkrokodile“ trotz ihrer seltenen Art nicht bedroht zu sein.
von Greta Aigner