In Wien sind die Ampelmännchen jetzt Ampelpärchen.
In der österreichischen Hauptstadt wurden an fast 50 Fußgängerüberwegen die Ampelmännchen gegen homo- und heterosexuelle Pärchen ausgetauscht. Zu sehen sind nun immer zwei Menschen als Piktogramm, die mit einem kleinen Herz verziert sind. Bei Rot umarmen sich die beiden Figuren, bei Grün halten sie sich an den Händen.
Die unscheinbare Aktion hat ein riesiges Echo ausgelöst, in Wien ist es das Thema Nummer 1, aber auch die New York Times und die Washington Post haben schon über die neuen Signalgeber berichtet. Die Regierung der Stadt, die sich offenbar durch ihre rot-grüne Zusammensetzung inspirieren ließ, möchte damit die Offenheit der Stadt gegenüber Schwulen, Lesben und anderen sexuellen Orientierungen demonstrieren. Der Zeitpunkt dafür ist nicht zufällig gewählt: Im vergangenen Jahr hat die Transgender-Künstlerin Conchita Wurst den Eurovision Song Contest gewonnen und den Wettbewerb nach Österreich geholt.
Die Wiener sind mächtig stolz auf ihre barttragende Gewinnerin des Vorjahres und so hat sich das ESC-Fieber nicht nur bei den Ampeln, sondern in der gesamten Stadt gezeigt: Taxis waren statt blassgelb grellbunt, in den U-Bahnhöfen fand man Hinweise auf Liveübertragungen des Finales in verschiedenen Kneipen und in den Grünflächen steckten Schilder, die „12 Punkte für die Parks in Wien“ vergaben. Außerdem fand Mitte Mai wie jedes Jahr der Life Ball in der östterreichischen Hauptstadt statt, der mit prominenter Besetzung die Aufmerksamkeit und die Erforschung von HIV fördern möchte. Beim Life Ball gibt es neben dem Fest im Wiener Rathaus eine große öffentliche Party, bei der jeder die prominenten Gäste des Balls sehen kann.
Zunächst sollten die Ampelpärchen nur bis Ende Juni den Fußgängern den Weg weisen. Dass sie jetzt doch erst einmal unbegrenzt bleiben dürfen, ist der Fürsprache vieler Bürger zu verdanken. Eine Facebook-Gruppe, die sich den Pärchen verschrieben hat, zählt über 21 000 Mitglieder. Doch nicht alle sind begeistert. Die rechtspopulistische Partei FPÖ hält die städtischen Ausgaben für die Ampelpärchen von rund 63 000 Euro für verschwendet und erstattete Anzeige, weil sie die Verkehrssicherheit gefährdet sieht.
Die Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou hatte bei den Ampeln aber nicht nur das Bekenntnis zur Toleranz im Sinn. Es wird außerdem wissenschaftlich untersucht, ob die neuen Ampelpärchen eher dazu anregen, bei Rot stehenzubleiben.
Viele Städte in Österreich wollen es Wien gleichtun; auch nach Deutschland ist das Phänomen schon übergeschwappt. Zum Christopher Street Day Mitte Juli werden auch in München für ein paar Tage schwule und lesbische Ampelpärchen zu sehen sein. Dort waren es die Politiker der CSU, die gegen die Ampelpärchen stimmten. Lydia Dietrich, eine Vertreterin der „Grünen – rosa Liste“ betonte hingegen die Funktion der Ampelpärchen für die Gleichstellung von Minderheiten. Sie seien für jeden sichtbar und verständlich, die Botschaft auch ohne Worte klar: Im öffentlichen Raum seien alle, unabhängig von ihrer Sexualität, gleichberechtigt.
von Johanna Famulok