In Heidelberg sind die besten Kneipen diejenigen, in denen geraucht werden darf. Vom hiesigen SPD-Parlamentarier aber kam einst die Initiative für das Nichtraucherschutzgesetz des Bundes. Sollte in der Gastronomie ein generelles Rauchverbot gelten? Der leidenschaftliche Pfeifenraucher Clemens Bellut ist dafür.
Ja doch, es ist eine gute neuere Regelung, daß die Restaurants nur nach Braten und Suppen und Wein duften und nicht nach Rauch und Nikotin – und abermals ja, es ist gut, daß Menschen, die nicht rauchen und das Rauchen nicht ertragen, von der geringsten Nötigung frei bleiben, sich dieser Unbill bei Amtsgeschäften oder in Zügen und Bussen auszusetzen.
Darüber hinaus aber: Warum ist es so schwierig, die republikanische Haltung aufzubringen und zu praktizieren, daß wir uns unterscheiden, daß wir unterschiedliche Dispositionen, Neigungen, Versuchungen, Verderbtheiten, Lüsternheiten, Schmerzlichkeiten, Geschmäcker, Temperamente, Ideologien und Dogmen herumtragen und aushängen? Warum ist es so schwierig, uns über die Frage, ob mir piercing eine Freude oder ein Graus ist, ob geschorene oder wuchernde Achselbehaarung mehr Adrenalin oder mehr Glückshormone in Gang setzt, ob ich getötete Tiere oder Löwenzahn esse, ob ich Haschisch oder Zigarette oder Pfeife oder gar nicht rauche … einfach endlos zu streiten und nie darüber zur Ruhe zu kommen und – das einfach so nur gut zu finden? Wenn man freilich – wie auch die altstädtische „LINDA“ oder, empörender, die anti-politischen „Pegida“ oder andere Reinlichkeitsfanatiker – anstelle des Waldes die Stadt „fegen“ will und dafür alles säuberlich regeln muß, weil Streit das tot beruhigte Wohnzimmer-feeling stört und durchbricht – ja dann haben wir wirklich ein Problem. Und da hört es auch auf, lustig zu sein, denn da geht es an die Substanz.
Bevor mir irgendjemand, der seinen Fuß nie dort hinsetzt, in meiner bevorzugten Eck-Kneipe das Rauchen madig machen darf, muß mir erst mal jemand vorgestellt werden, der sich, von meiner womöglichen nächtlichen Bettgenossin abgesehen, über meine qualmende Pfeife beschwert. Wenn ihm der Geruch nicht paßt, lasse ich mit mir reden und wechsele den Tisch oder setze mich in die andere Windrichtung oder lege die Pfeife beiseite. Der einzige, der sich aber aus einer administrativen Regelung Befriedigung verschaffen kann, ist der Neurotiker, dem die ganze Welt ohnehin viel zu unordentlich ist.
Kein Nichtraucher wird sich freiwillig an diesen Ort begeben, dem nicht, wie bei den berühmten Party-Rauchertreffen auf dem Balkon oder in der Küche, die Gesellschaft der Raucher und womöglich sogar der Geruch des Rauchs ohnehin lieber ist – und ein Grund zum unfreiwilligen Betreten ist mir schlechthin nicht erfindlich. Wenn ich umgekehrt mit nichtrauchenden Freunden unterwegs sein will, werde ich gewiß nicht diese Eckkneipe in Vorschlag bringen – und werde an anderem Ort mit Vergnügen der anderen Dynamik des Gesprächs folgen mögen.
Nein, ich werde mich hier nicht auf das weite Feld der Ausweichschlachten begeben; ich werde eben nicht die Auspuffrohre anführen, daß man ihnen zuerst mal das rauchende Maul stopfen sollte; nein, auch die Schlote der Kohle- und Gaskraftwerke nicht; nicht den Zucker und nicht die tausend anderen Verbrechen und Läßlichkeiten und Ungeheuerlichkeiten und Unaufmerksamkeiten.
Nein, nur wenn man der Frage, ob das Rauchen mit Stumpf und Stiel öffentlich gebrandmarkt, geächtet und ausgerottet gehört oder nicht, überhaupt etwas abgewinnen will, was über das Nachleben eines breitgetretenen Quarks hinausreicht: dann doch wohl nur die Debatte darüber, was uns entzweit und zerstritten und unversöhnlich sein lassen darf, ohne die Fuchtel von Gesetzen und Verordnungen und Verboten auf den Plan zu rufen. Es lassen sich doch Gesetze und Verordnungen in dem einen Fall wie abgekürzte Kommunikationspfade ansehen, die aus einer gewissen energetischen und zeitlichen Ökonomie angeraten sein können, um nicht immer alles mit allen auf neue Weise aushandeln zu müssen – im anderen Fall aber, und das sind die unnötigen Gesetze und Verordnungen, wie das Scheitern von Kommunikation, von Gespräch, von Streit, von Großherzigkeit, von Generosität und von Zivilität.
Das macht den Unterschied aus: Die einen vermissen im Konfliktfall ein Gesetz, das ihnen den Konflikt abnimmt, die Anderen vermissen die Generosität und Zivilität, unterschiedliche Präferenzen auch und gerade, wenn sie einander ausschließen, als Gewinn und nicht als Verarmung anzusehen.