Im neuen Mathematikon kann die gesamte Fakultät für Mathematik und Informatik bald unter einem Dach lehren, lernen und forschen.
Einem geschenkten Gaul schaut man nicht in’s Maul“, so sagt es eine Binsenweisheit. Was jedoch am Rand des Campus im Neuenheimer Feld an der Berliner Straße entsteht, kann sich durchaus sehen lassen: Das neue Mathematikon, welches ein Geschenk der Klaus Tschira Stiftung an das Land Baden-Württemberg und damit an die Universität ist, steht kurz vor der Vollendung. Dass dem nagelneuen Schriftzug seit einiger Zeit ein „I“ fehlt, gehört wohl zu den Schönheitsreperaturen.
Ansonsten fehlt, zumindest von außen betrachtet, nicht mehr viel. Lediglich einzelne Bagger und ein großer, blickdichter Bauzaun verraten dem Laien, dass der Neubau noch nicht bezugsfertig ist.
Das Besondere am Mathematikon ist die nachhaltige Bauweise. Wie Architekt Manfred Bernhardt gegenüber der RNZ erklärte, sei der Gebäudekomplex eines der ersten Großprojekte in Deutschland, das von der Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) zertifiziert wurde. Dabei wird eine ökologische Gesamtbetrachtung vom Bau bis zum „Endnutzer“ vorgenommen. Im Mathematikon wird beispielsweise ein möglichst effizientes Heizen und Kühlen der Räumlichkeiten durch die sogenannte Betonkern-Aktivierung gewährleistet.
Bei dem Projekt handelt es sich um zwei Bauteile. Bauteil A wird zum neuen Zuhause für die Fakultät für Mathematik und Informatik sowie für das Interdisziplinäre Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR). Neben Büroräumen wird das Gebäude auch Seminarräume und die Institutsbibliothek beherbergen. Derzeit ist die Fakultät noch auf sieben Gebäude am gesamten Campus des Neuenheimer Feldes verteilt, das IWR befindet sich gar in der Speyerer Straße.
„Die Idee war, dass die Studierenden und Wissenschaftler mit dem Mathematikon ein neues, dringend benötigtes und vor allem gemeinsames Universitätsgebäude bekommen. Klaus Tschira war es wichtig, dass die gesamte Fakultät wieder unter einem Dach lehren und forschen kann“, erklärt eine Sprecherin der Klaus Tschira Stiftung.
Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer von den Grünen zählt Mathematik und Informatik „zu den Schlüsselqualifikationen für die Innovationsfähigkeit unseres Landes.“ Beim Spatenstich im Dezember 2012 zeigte sich Bauer zuversichtlich: „Mit dem Mathematikon erhalten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und die Studierenden optimale Arbeitsbedingungen.“
Das wünscht sich auch Mathematikstudent Elias Zimmermann. Er studiert im zweiten Bachelor-Semester und erhofft sich „vor allem repräsentativere Gebäude für die angewandte Mathematik und das IWR sowie eine größere und schönere Bibliothek.“
Der Bauteil B hat kommerzielle Zwecke. Hier werden nach Fertigstellung des Baus Büros im Obergeschoss, sowie Gastronomie und Geschäfte, darunter ein großer Discounter und ein Supermarkt einziehen. Nach Angaben der Klaus-Tschira-Stiftung werden die Einnahmen, die durch die Vermietung erzielt werden, für die Förderung weiterer gemeinnütziger Projekte der Stiftung verwendet (siehe Infokasten).
Nach dem Spatenstich wurde Anfang Juni 2013 mit den eigentlichen Bauarbeiten begonnen. Sollte alles weiterhin nach Plan laufen, könnte das Gebäude „voraussichtlich Ende 2015 eingeweiht werden“, so die Sprecherin weiter.
Stiftungsgründer und Mäzen der Ruprecht-Karls-Universität Klaus Tschira selbst wird die Eröffnung des Mathematikon nicht erleben. Der Mitbegründer des Softwareunternehmens SAP verstarb am 31. März dieses Jahres. Die Universität Heidelberg zeigte sich bestürzt über den Tod Tschiras; Rektor Bernhard Eitel bezeichnete ihn als einen „Mäzen, der unserer Universität in hohem Maße verbunden war und der ihr stets mit unvoreingenommenem wissenschaftsgeleiteten Verständnis begegnet ist“. Wie es in der Pressemitteilung weiter heißt, werde sich die Ruperto Carola darum bemühen, die Erinnerung an Tschira und sein Wirken lebendig zu halten. Und wie könnte dieses Vorhaben besser umgesetzt werden, als mit innovativer Forschung, aktiver Lehre und motiviertem Studium im neuen Mathematikon?
[box type=“shadow“ ]Die Stiftung
Die Klaus-Tschira-Stiftung fördert seit 20 Jahren zahlreiche naturwissenschaftliche Projekte: 2009 gründete die Stiftung beispielsweise an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg das Klaus-Tschira-Kompetenzzentrum für frühe naturwissenschaftliche Bildung, um frühzeitig das Interesse von Kindern an naturwissenschaftlichen Themen zu wecken. Das 2010 entstandene Heidelberger Institut für Theoretische Studien betreibt Grundlagenforschung in den Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik zur Verarbeitung großer Datenmengen. Im Klaus-Tschira-Zentrum für Archäometrie werden naturwissenschaftliche Verfahren zur Erforschung archäologischer Fragen eingesetzt. [/box]
von Hannah Kapfenberger