Am Samstagabend fand mit „Romeo und Julia“ vor zauberhafter Kulisse die zweite Premiere der Heidelberger Schlossfestspiele statt.
Es stehen Klappstühle im Schlosshof. Ein Bauzaun statt eines Vorhangs enthüllt die Kulisse des Klassikers „Romeo und Julia“, dem wohl populärsten Liebesdrama Shakespeares. Absperrband ergänzt das Bühnenbild, die Mauern der Ruine verlieren sich in einem Metallgerüst.
Das italienische Verona bietet den Schauplatz: Voll Hass und Missgunst tragen zwei reiche Familien in blutigen Schlachten eine Fehde aus, deren Grund längst vergessen ist. Dem Streit entwächst ein Liebespaar: Romeo aus dem Hause der Montagues und Julia Capulet. Umgeben von Mord, Todschlag und Verbannung verdichten sich die Verwicklungen und Missverständnisse so weit, dass schließlich im dramatischem Höhepunkt die beiden Liebenden sich aus Verzweiflung selbst das Leben nehmen.
Regisseur Markus Heinzelmann spielt in seiner Inszenierung besonders die Jugend der Figuren in den Vordergrund. Eine lilafarbener Strähne ziert das Haar der Julia. Hin und wieder steht sie einfach trotzig in der Ecke, springt ungeduldig über die Bühne oder brüllt durch den ganzen Turm, wie ein Kind.
Und auch Romeo – mal trübsinnig verloren, mal voller Adrenalin zuckend – wirkt noch recht grün hinter den Ohren. Tatsächlich ist Shakespeares Julia gerade mal vierzehn Jahre jung. Er selbst wuchs in einer jungen Gesellschaft auf – die Pest suchte seinerzeit das elisabethanische England heim. Heinzelmann spiegelt diese Jugendlichkeit auf allen Ebenen: Die Liebesszene zwischen Romeo und Julia bleibt spielerisch und unschuldig. Die gesamte Fehde, ausgetragen von der jungen Generation in blutigen Schachten, strotzt vor Unreife und Hitzköpfigkeit.
Eingebettet findet sich das Schauspiel in eine wunderbare Kulisse und zauberhafte Musik. Der Schlossinnenhof scheint wie geschaffen als Bühne dieser Tragödie: die hohen Mauern, teils ruinenhafte Fensterfronten, ein romantischer Balkon. Die gebrochene Unvollkommenheit des Schlosses wird im Bühnenbild aufgegriffen. Das Gerüst, das seit Jahren den Turm einzäunt ist unverkleidet zu sehen und auch auf der Bühne finden sich Bauzäune, Absperrband, Gerüste und Leitern, auf denen die Darsteller bahnbrechende Kletterdarbietungen wagen.
Im Hintergrund sitzt ein Trio aus Musikern, die das Stück kommentieren und begleiten. Besonders in der Dunkelheit der zweiten Hälfte umspannt die Musik das Geschehen auf der Bühne mit einem Zauber. Sie schenkt den alten Versen ein Tempo, einen Takt, einen modernen, dennoch wunderbar natürlichen Fluss.
Trotzdem kämpft die erste Hälfte mit dem flachen Witz: Anzügliche Sprüche sind untermalt von anzüglichen Gesten, andere Szenen erinnern an Slapstick-Momente. So wird aus der romantischen Balkonszene eine waghalsige Kletterpartie und ungelenkes Versteckspiel. Da fällt das Kichern leicht, eventueller Mehrwert bleibt jedoch auf der Strecke.
Doch dann kehrt Spannung ein. Das Dunkel der Nacht, die eindringlicheren Klängen der Musik legen der zweiten Hälfte eine ganz besondere Ernsthaftigkeit auf. Düstere Melancholie gepaart mit zarter Anspannung, die den Zuschauer in Bann hält, als die Schlinge um den Hals der beiden Liebenden sich enger und enger zieht. Der Mord an Mercutio, der Mord an Tybalt, das Exil. Und schließlich der Tod von Julia und ihrem Romeo. All das reiht sich unausweichlich im Rhythmus der Musik aneinander. Allein die Kampfszene zwischen Romeo und Paris am Grabe Julias bricht den Spannungsbogen; wirkt sie doch zu lang, zu ausladend.
Ob im Licht der Abendsonne oder im Dunkeln der Nacht – die Zuschauer sind gefesselt „denn niemals gab es ein so herbes Los, als Julias und ihres Romeos“.
von Christina Deinsberger & Margarete Over